Elternbindung

S

samo

Guest
Hallo!

Nach meiner gescheiterten Abnabelung im Sommer bereite ich mich nun auf den zweiten Versuch vor. Ich werde bald 23 und es wird höchste Zeit aus dem Elternhaus zu ziehen, denn ich bekomme mein Leben unter dem von meinem Eltern verursachten Stress einfach nicht gebacken. Sogar eine fast ganzjährige Therapie konnte mich nicht dazu bringen den Schritt ins Ungewisse zu wagen. Schuldgefühle, vermutlich in meiner Kindheit und Jugend impliziert waren einfach zu enorm um mich davon zu lösen.

Im Netz habe ich einen Text gefunden, der meine Situation sehr gut beschreibt. Wenn ihr Anregungen habt, mir Bücher vorschlagen könnt oder einfach so plauder wollt, seit ihr herzlichst eingeladen.

LG



Folgen und Kennzeichen der ungelösten Bindung

Ich möchte näher auf das Phänomen der ungelösten Elternbindung eingehen. Wie bereits beschrieben, findet der Höhepunkt des Loslösungsprozesses in der Pubertät statt. Eltern neigen oft dazu, diesen Prozess zu behindern. Sie klammern sich regelrecht an die Kinder, erlauben ihnen nicht die Selbstständigkeit und fördern die Abhängigkeit der Kinder durch Verwöhnung. Innerhalb der heimischen vier Wände erfüllen sie jeden Wunsch, behüten ihr Kind wie ein hilfloses Kücken und lassen ihm eine Fürsorge angedeihen, die nicht mehr dem Alter entsprechend ist. Sie erkennen nicht das Bedürfnis des Heranwachsenden, selbstständig zu werden und das Heim zu verlassen. Sie halten es fest. Statt das Kind in die Selbstständigkeit zu führen, es in die Welt außerhalb des Elterhauses hinauszugeleiten, klammern sie und behindern so die Entwicklung. Sie halten die Eltern-Kind-Bindung aufrecht. Das verhindert die innere Reifung des Heranwachsenden. Die nicht gelöste Elternbindung signalisiert aus dem Unbewussten, dass man noch ein Kind ist, dass man noch unreif ist, dass man noch zu seinen Eltern gehört.

Wenn ein Jugendlicher den Loslösungskampf in der Pubertät nicht gewinnt und die Elternbindung nicht auflösen kann, weil er dabei nicht unterstützt wird oder die Eltern sogar dagegen arbeiten, dann hat das schwerwiegende Folgen für die Psyche.
Im Unbewussten bleibt die Bindung erhalten und sie signalisiert, dass man noch ein Kind ist. Dass man nicht zu weit von der Mutter weg darf. Dass man immer zu ihr zurückkehren soll. Dass man sich bei Problemen an die Eltern wenden soll, statt sie selbst zu lösen. Dass man noch nicht reif für ein eigenes Leben ist. Das ist alles unbewusst. Der Gebundene merkt das nicht und würde das vermutlich abstreiten, wenn man ihm das erzählt.

Wie kann sich eine ungelöste Elternbindung äußern? In einer Vielzahl von neurotischen Erkrankungen, psychischen Auffälligkeiten, sowie in zahlreichen mehr oder weniger offensichtlichen Verhaltensweisen und Merkmalen. Ich fasse das unter dem Begriff der Symptomatik zusammen.

Ungelöste Elternbindung äußert sich in Unselbstständigkeit. In Ängsten. Immer dann, wenn ein Gebundener wichtige Entscheidungen treffen muss, hat er Angst. Denn er ist innerlich noch ein Kind und nicht reif dafür, Entscheidungen zu treffen. Das überlässt er lieber jemand anderem. Immer dann, wenn ein Gebundener vor einer Entwicklung steht, einen neuen Lebensabschnitt beginnt, wenn er die Schule beendet, einen neuen Beruf ergreift, einen neuen Partner findet, hat er Angst. Die Bindung im Unbewussten hindert ihn an der Entwicklung, sie versucht sich selbst zu erhalten und jeder Schritt hinaus in die Welt, jede persönliche Weiterentwicklung bedeutet einen drohenden Abbruch der Bindung. Davor hat der Gebundene Angst. Alles, was die Bindung bedroht, löst Angst aus und wird abgewiesen. Man kann sich nicht völlig auf den Partner einlassen oder man schafft es überhaupt nicht, eine Partnerschaft einzugehen, man zieht nicht aus dem Elternhaus aus, obwohl man schon 20 Jahre alt oder noch älter ist, man scheut sich, einen neuen Beruf zu ergreifen, man scheut sich vor jedem Schritt nach vorne in seinem Leben. In schweren Fällen treten die Ängste offenbar grundlos auf, sie sind einfach da und man kann nichts dagegen tun. Dabei greift das Gehirn oft zu einem Schutzmechanismus und projiziert diese Ängste auf Objekte oder Situationen, es entstehen Phobien.
Eng mit den Ängsten verbunden sind die Zweifel. Man zweifelt an sich selbst und an seinen Fähigkeiten. Man beginnt etwas und redet sich ein, dass man es eigentlich gar nicht kann. Oder man lässt gleich die Finger von wichtigen Aufgaben und widmet sich lieber Unwichtigerem und räumt sein Zimmer auf oder sieht fern.
Der innere Konflikt, seine Erkennung und Überwindung

Ein Gebundener befindet sich in einem inneren Konflikt. Auf der einen Seite die Elternbindung, auf der anderen Seite der Drang erwachsen und selbstständig zu werden. Es ist wie ein Tauziehen: an einem Ende die Eltern und der von ihnen beherrschte Teil des Unbewussten, am anderen Ende ein anderer Teil des Unbewussten zusammen mit dem Wunsch erwachsen zu werden. Man selbst ist dazwischen und wird förmlich zerrissen. Zu diesem Tauziehen muss es nicht kommen, wenn die Eltern sich richtig verhalten. Wenn die Eltern aber anfangen zu ziehen, dann kommt es zum Kampf.
Von diesem Tauziehen ist der Gebundene beherrscht. Er versucht teilweise verzweifelt auszubrechen, er streitet sich mit den Eltern, zieht überhastet aus, findet einen Partner, versucht sein eigenes Leben zu führen. Auf der anderen Seite empfindet er Schuldgefühle, schmeißt den Job hin und zieht zurück zu den Eltern, lässt seine Beziehung scheitern.
Sein ganzes Handeln wird von zwei entgegengesetzten Antrieben beherrscht:
1. Grenz dich von der Familie ab und werde selbstständig.
2. Komm zurück zu den Eltern.
Dieser Konflikt erzeugt enormen Stress und wird in den oben beschriebenen Symptomen sichtbar. Er kann bis zum Lebensende andauern. Er kann auch andauern, wenn die Eltern längst tot sind, denn die Bindung bleibt im Unbewussten erhalten. Die Lösung besteht darin, diese Bindung aufzulösen. Und zwar im Kopf! Eine räumliche Trennung von den Eltern bringt nichts, wenn die Bindung im Kopf bestehen bleibt. Nur im Kopf löst man die Elternbindung, alles andere sind nur Hilfen.

Quelle: http://www.lupuz.de/Elternbindung.699.html




*** Editiert: Quelle eingefügt und Zitat als solches kenntlich gemacht
 
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Zitat:
Die Lösung besteht darin, diese Bindung aufzulösen. Und zwar im Kopf! Eine räumliche Trennung von den Eltern bringt nichts, wenn die Bindung im Kopf bestehen bleibt. Nur im Kopf löst man die Elternbindung, alles andere sind nur Hilfen.

Diese Aussage halte ich für falsch. Es ist zwar wichtig zu erkennen welche übernommenen Überzeugungen, Prägungen ectr. und welche Mechanismen da wirken aber das Ganze muß auch auf emotionaler Ebene bearbeitet werden.
 
Lieber Samo,

ich habe in deinen Eingangsbeitrag zunächst einmal die interessante Quelle eingefügt, aus der du diesen gut fundierten Text hast. Die internetweiten Zitierregeln verlangen diese Kenntlichmachung.

Dein Thema ist ein sehr sehr wichtiges - denn leider ist das nicht so selten, daß Eltern ihre Kinder - aus welchen Gründen auch immer - nicht ziehen lassen können.

Ich denke allerdings, daß unser Unterforum für Psyche und Beratung der ruhigere und bessere Ort ist, über dieses Thema gemeinsam nachzudenken. Und auch, weil es unser Ziel ist, verwandte Themen möglichst in den Themenforen zu versammeln, werde ich dein Thema jetzt zunächst einmal dorthin verschieben, ehe ich meine Gedanken dazusenfe...

Liebe Grüße
Kinny
 
*** Thema verschoben ***

Du differenzierst zu Recht noch weiter zwischen Kopf - und Emotionalebene, Einewiekeine. Wobei ich aber im Laufe einer (systemisch vorgehenden) Therapie sehen konnte, das greift teilweise ineinander. Wo ich zunächst rein rational zu verstehen begann, was gelaufen ist, hat genau dieses rationale Bearbeiten plötzlich Emotionen freigelegt - die dann wieder der rationalen Betrachtung bedurften.

Sicher ist: ausziehen allein bringt nicht alles, wenn da wirklich ein solcher Bindungs-Mißbrauch vorliegt, wenn Schuldgefühle erzeugt werden in so massivem Ausmaß, daß man sich weit über das Erwachsenenalter nicht traut, ins eigene Leben zu gehen, weil man die Eltern damit "verlassen und verraten" könnte...

Ich wünsche deinem Thema einen für dich hilfreichen Verlauf, samo.

Liebe Grüße
Kinny
 
?es gibt keine geographische lösung für ein emotionales problem.? toni soprano ist der beste :D

ich glaub trotzdem ein auszug ist in meiner situation der beste zug.
wie ich mich von den schuldgefühlen löse steht noch in den sternen...
immerhin glaub ich zu wissen warum ich soo viel blödsinn gebaut habe,
vermutlich um meinen eltern zu signalisieren: so will und kann ich nicht wie ihr wollt.
 
*** Thema verschoben ***

Du differenzierst zu Recht noch weiter zwischen Kopf - und Emotionalebene, Einewiekeine. Wobei ich aber im Laufe einer (systemisch vorgehenden) Therapie sehen konnte, das greift teilweise ineinander. Wo ich zunächst rein rational zu verstehen begann, was gelaufen ist, hat genau dieses rationale Bearbeiten plötzlich Emotionen freigelegt - die dann wieder der rationalen Betrachtung bedurften.

Sicher ist: ausziehen allein bringt nicht alles, wenn da wirklich ein solcher Bindungs-Mißbrauch vorliegt, wenn Schuldgefühle erzeugt werden in so massivem Ausmaß, daß man sich weit über das Erwachsenenalter nicht traut, ins eigene Leben zu gehen, weil man die Eltern damit "verlassen und verraten" könnte...

Ich wünsche deinem Thema einen für dich hilfreichen Verlauf, samo.

Liebe Grüße
Kinny



danke!
:umarmen:
 
Hallo Samo

Dein thread-titel sprang mir in die augen und ich blieb hängen. So wie dir, ist es mir vor vielen jahren auch einmal gegangen. Ich bin sogar noch länger zu hause geblieben, als du. Schlussendlich war ich knapp 27 jahre alt, als ich von zu hause ausgezogen bin.
Damals war ich von schuldgefühlen und grossen (!) ängsten geplagt und ich habe nochmal eine weile gebraucht, um das alles hinter mir zu lassen.

Es ist richtig, dass der auszug von zu hause nicht genügt, da diese innere, emotionale bindung weiterbesteht. Die räumliche trennung jedoch ist der erste schritt zur lösung. Ich wollte meine mutter damals nicht alleine lassen, da ich das gefühl hatte, dass sie neben meinem vater zugrunde gehen würde.
Deine situation ist vermutlich ganz anders (habe noch nicht alles gelesen), aber die zugrunde liegende - zu enge - bindung, ist wohl dieselbe.

In der folge kam es so, dass die situation für meine mutter (nach meinem auszug) für sie immer unerträglicher wurde und ich aus der ferne verzweifelt den fortgang des dramas beobachtete - im dann schon sicheren wissen, dass es eben ihr leben war und nicht meines - und sie es eben leben musste.

Vor 6 jahren nun hat sie sich endlich von meinem vater getrennt und den schritt getan, den sie schon vor jahrzehnten hätte tun sollen - aus meiner sicht. Aus ihrer sicht war er wohl erst jetzt wirklich möglich.

Ich habe aus dieser geschichte nun rückblickend gelernt, dass jeder mensch seine prioritäten hat, sein tempo und vor allem seine verantwortlichkeit, mit der wir andern nichts zu tun haben.
Wir können nie das leben eines andern zum besseren wenden oder gar leben - das kann wirklich nur derjenige selber, auch wenn wir eine zeitlang in einem geradezu symbiotischen verhältnis mit dieser person leben, weil sie uns vielleicht auch sehr nahe steht und wir uns nur schwer abgrenzen können.

Ich hätte dem damals schon raum geben sollen.:)

Dir von herzen viel mut - für deinen raum - carpe (deinen) diem!

:zauberer1
 
ich glaub trotzdem ein auszug ist in meiner situation der beste zug.

Ja. Auf jeden Fall. Denn selbst die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt, und der führt nunmal über die Schwelle. Du hast ein eigenes Leben zu leben, samo, und das lebst du nur dann, wenn du hinausgehst in dieses eigene Leben.

Aber genau wegen deines nächsten Gedankens

wie ich mich von den schuldgefühlen löse steht noch in den sternen...

ist es wichtig, dran zu denken, daß das Ausziehen allein eben noch nicht die Lösung (im wahrsten Sinne dieses Wortes) ist. Ich selbst bin mit 37 (!!!) endlich mal - in einem furchtbaren Streit - ausgezogen... bereits Mutter zweier Söhne, kannst du dir sowas vorstellen? Einen von den beiden hab ich an meine Mutter verloren damals (und erst einige Zeit später vom Leben wiederbekommen...). Und trotz dieses Auszugs hat es noch gut 12 weitere Jahre gebraucht, bis ich in einer Therapie, um endlich die wahnwitzigen Strukturen aus den Kindertagen aufzulösen, erlernt habe, wie ich diese innerlich bekämpften Schuldgefühle auflösen kann.

Deshalb - weil du dir vielleicht ein paar Jahre ersparen können sollst ;) - würde ich dir durchaus empfehlen, eine therapeutische Begleitung ins Auge zu fassen. Es hilft durchaus. Und befreit.

Und jetzt - als Mutter eines Erwachsenen und eines Pubertierenden - sag ich dir aus dieser Perspektive: es ist meine Aufgabe als Mutter, meinen halbwüchsigen Sohn freundlich hinauszubegleiten in sein eigenes Leben. Ihm zu versichern, hey, wenn du stolperst, ist immer wer im Hintergrund mit nem Sicherheitsnetz, gell. Aber gehn darfst du selbst. ;) Es ist meine Pflicht, ihm NIEMALS das Gefühl zu geben, er würde mich damit "verlassen". Hey ich bin seine MUTTER und ned sei Lebenspartnerin... Und es ist meine Verantwortung, mein Leben so zu leben, daß es auch dann, wenn mein Sohn hinausgegangen sein wird in sein Leben, noch einen Sinn haben wird und erfüllt sein wird... und das so zu bewerkstelligen, daß ihm das auch erkennbar ist...

Sind so Gedanken aus Mutterperspektive dazu.

Liebe Grüße
Kinny
 
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