Alice94
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- 14. März 2010
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Hallo!
Ich möchte mit diesem Beitrag die Frage nach dem Ursprung von Passivität und Antriebslosigkeit stellen. Dazu habe ich auch von einer eigenen Erfahrung zu berichten: Gestern führte ich mit einer Freundin ein Gespräch, in welchem es um ihren gehemmten Antrieb und ihre Tendenz zur passiven Haltung ging. Sie schilderte mir, dass sie innerlich durchaus bestrebt sei, das Abitur erfolgreich zu absolvieren. Dennoch könne sie sich nachmittags kaum dazu motivieren, ihre Hausaufgaben akkurat und vollständig anzufertigen. Sie habe bereits mehrere Einträge wegen ihrer mangelhaften Zuverlässigkeit hinsichtlich der schriftlichen Hausaufgaben. Sie fragte mich, wo die Ursache jener Blockaden liegen könne.
Es ist schon paradox, dass eine Person zwar den Wunsch äußert, schulisch erfolgreich sein zu wollen, aber gleichzeitig nur wenig Engagement zeigt, um dieses Ziel auch konsequent zu erreichen. Menschen, die sich mit der Komplexität der menschlichen Psyche und mit ihren vielgestaltigen Mechanismen nicht auseinandergesetzt haben, würden meine Freundin vermutlich einzig nach ihrem Verhalten bewerten und ihre Aussagen über den vorgeblichen Leistungswillen als Ausrede einstufen. Während ihrer Erzählung wirkte sie auf mich jedoch aufrichtig und ehrlich, weshalb ich ihr die prinzipielle Leistungsbereitschaft durchaus glaube. Trotzdem realisiert sie diese nicht. In ihrem Inneren müssen also Bindungskräfte aktiv sein, die sie von ihren eigentlichen Plänen und Vorhaben abhalten. Welcher Natur könnten diese unbewussten Mächte sein?
Ich kenne dieses Freundin und ihre Familie schon relativ lange. Des Öfteren war ich dort auch zu Besuch und konnte den dortigen Umgang untereinander beobachten. Mir fiel auf, dass meine Freundin im familiären Leben nur ausgesprochen wenig gefordert wird. Aus meiner Sicht wird sie in allen Lebensaspekten immerzu verwöhnt, so dass sie niemals die Erfahrung machte, selbst für sich und ihr Leben Verantwortung zu übernehmen und die Initiative zu ergreifen. Sie fühlt sich wohl im Zentrum der elterlichen Aufmerksamkeit und in der ultimativen Verwöhnung. Ein Ausbruch aus dieser Position ist ihr zuwider, weil das erstens eigene Anstrenung, zweitens eine Änderng der Gewohnheiten und drittens eine Abschiednahme und Trauerarbeit bedeutet, denn die Tatsache, dass sich die glückselige Kinderzeit auch psychisch irgendwann einmal dem Ende zuneigt, stimmt diejenigen, welche zu viel Liebe und Zuwendung bekamen, oftmals traurig. Vor diesen Emotionen aber auch vor der neuen Erfahrung der eigenen Selbstständigkeit scheut sie sich.
Ich glaube aber nicht, dass dies die alleinige Ursache für eine Passivität und Antriebslosigkeit ist. Bei manchen kommt sicherlich ein ungenügendes Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten hinzu, so dass sie eine Aktivität in ihrem Sinne nicht wagen oder auch Angst vor dem Versagen haben. Verfehlungen schmälern das Selbstwertgefühl, weshalb bereits der Versuch, erfolgreich zu sein, vom Selbstunsicheren vermieden wird. Sich nur außerordentlich gering achtende Menschen verspüren vielleicht auch nicht den Wert und die Animation, etwas für sich selbst zu tun.
Es gibt Menschen, die in ihrer Kindheit an einen Elternteil, an ein elterliches Objekt, fixiert wurden mit Hilfe diverser emotionaler Bindungsmechanismen. Zu diesen können beispielsweise Schuld- und Angstgefühle gehören. Menschen, die in ihrer frühen Kindheit eine Autonomie nicht erleben durften, keine Bestätigung und Anerkennung für neu erlerntes Verhalten empfingen, sind später im Allgemeinen ängstlich und unsicher, wenn ihre Selbstständigkeit gefordert ist. Für sie ist diese Variante der Selbsterfahrung etwas vollkommen Neues, so dass es unbekannt und angstbesetzt ist.
Aber auch verbal oder nonverbal vermittelte Schuldgefühle können einen Menschen von der inneren und äußeren Reifung und Entwicklung abhalten. Eine Mutter, die sich selbst allein und einsam fühlt, neigt vielleicht in erhöhtem Maße dazu, sich an ihr Kind zu klammern. Das sensible Kind spürt die Abhängigkeit von Seiten der Mutter und begreift, dass sie auf seine Nähe angewiesen ist, damit sie sich emotional wohlfühlt. Das Kind empfindet also Schuldgefühle, sobald es erste Schritte in die Selbstständigkeit - und damit weg von der Mutter - unternehmen möchte. Weil gerade die frühe Kindheit die psychischen Weichen stellt, werden auch noch Jugendliche oer biologisch erwachsene Menschen von emotionalen Bindungskräften dieser Art geplagt. Unbewusste Schuldgefühle, die sich auf eine tief verinnerlichte Mutter- oder Vaterfigur beziehen, blockieren also u. a. die schulisch-berufliche Entfaltung von Menschen.
Manche Eltern behandelten ihre Kinder zu streng. In diesen Familien war ausschließlich Leistung relevant. Die Identität des Kindes ging unter, wurde missachtet. In diesem Falle resultiert aus dieser vernichtenden Erziehung vielleicht später ein Trotzverhalten gegenüber Schule und Arbeit. Die Betroffenen sperren sich dagegen, leistungswillig zu sein, weil sie unbewusst annehmen, sich somit den verinnerlichten Elternfiguren erneut unterzuordnen und die altbekannte Ohnmacht ihnen gegenüber wiederholt zu fühlen. Der Trotz durchbricht diese Unterwerfung und fühlt sich offenbar befreiend an.
Zum Schluss fällt es wohl auch vernachlässigten Menschen schwer, sich zu disziplinieren und ihre Pflichten angemessen wahrzunehmen. Ihnen fehlte es in der Kindheit an Erziehung und Strukturgebung, so dass ihnen folglich auch in und nach der Adoleszenz die innere Orientierung und das Ordnung schaffende, seelische Gerüst fehlt.
Wenn Euch noch etwas zum Thema einfällt, würde ich es gerne lesen.
Viele Grüße
Alice
Ich möchte mit diesem Beitrag die Frage nach dem Ursprung von Passivität und Antriebslosigkeit stellen. Dazu habe ich auch von einer eigenen Erfahrung zu berichten: Gestern führte ich mit einer Freundin ein Gespräch, in welchem es um ihren gehemmten Antrieb und ihre Tendenz zur passiven Haltung ging. Sie schilderte mir, dass sie innerlich durchaus bestrebt sei, das Abitur erfolgreich zu absolvieren. Dennoch könne sie sich nachmittags kaum dazu motivieren, ihre Hausaufgaben akkurat und vollständig anzufertigen. Sie habe bereits mehrere Einträge wegen ihrer mangelhaften Zuverlässigkeit hinsichtlich der schriftlichen Hausaufgaben. Sie fragte mich, wo die Ursache jener Blockaden liegen könne.
Es ist schon paradox, dass eine Person zwar den Wunsch äußert, schulisch erfolgreich sein zu wollen, aber gleichzeitig nur wenig Engagement zeigt, um dieses Ziel auch konsequent zu erreichen. Menschen, die sich mit der Komplexität der menschlichen Psyche und mit ihren vielgestaltigen Mechanismen nicht auseinandergesetzt haben, würden meine Freundin vermutlich einzig nach ihrem Verhalten bewerten und ihre Aussagen über den vorgeblichen Leistungswillen als Ausrede einstufen. Während ihrer Erzählung wirkte sie auf mich jedoch aufrichtig und ehrlich, weshalb ich ihr die prinzipielle Leistungsbereitschaft durchaus glaube. Trotzdem realisiert sie diese nicht. In ihrem Inneren müssen also Bindungskräfte aktiv sein, die sie von ihren eigentlichen Plänen und Vorhaben abhalten. Welcher Natur könnten diese unbewussten Mächte sein?
Ich kenne dieses Freundin und ihre Familie schon relativ lange. Des Öfteren war ich dort auch zu Besuch und konnte den dortigen Umgang untereinander beobachten. Mir fiel auf, dass meine Freundin im familiären Leben nur ausgesprochen wenig gefordert wird. Aus meiner Sicht wird sie in allen Lebensaspekten immerzu verwöhnt, so dass sie niemals die Erfahrung machte, selbst für sich und ihr Leben Verantwortung zu übernehmen und die Initiative zu ergreifen. Sie fühlt sich wohl im Zentrum der elterlichen Aufmerksamkeit und in der ultimativen Verwöhnung. Ein Ausbruch aus dieser Position ist ihr zuwider, weil das erstens eigene Anstrenung, zweitens eine Änderng der Gewohnheiten und drittens eine Abschiednahme und Trauerarbeit bedeutet, denn die Tatsache, dass sich die glückselige Kinderzeit auch psychisch irgendwann einmal dem Ende zuneigt, stimmt diejenigen, welche zu viel Liebe und Zuwendung bekamen, oftmals traurig. Vor diesen Emotionen aber auch vor der neuen Erfahrung der eigenen Selbstständigkeit scheut sie sich.
Ich glaube aber nicht, dass dies die alleinige Ursache für eine Passivität und Antriebslosigkeit ist. Bei manchen kommt sicherlich ein ungenügendes Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten hinzu, so dass sie eine Aktivität in ihrem Sinne nicht wagen oder auch Angst vor dem Versagen haben. Verfehlungen schmälern das Selbstwertgefühl, weshalb bereits der Versuch, erfolgreich zu sein, vom Selbstunsicheren vermieden wird. Sich nur außerordentlich gering achtende Menschen verspüren vielleicht auch nicht den Wert und die Animation, etwas für sich selbst zu tun.
Es gibt Menschen, die in ihrer Kindheit an einen Elternteil, an ein elterliches Objekt, fixiert wurden mit Hilfe diverser emotionaler Bindungsmechanismen. Zu diesen können beispielsweise Schuld- und Angstgefühle gehören. Menschen, die in ihrer frühen Kindheit eine Autonomie nicht erleben durften, keine Bestätigung und Anerkennung für neu erlerntes Verhalten empfingen, sind später im Allgemeinen ängstlich und unsicher, wenn ihre Selbstständigkeit gefordert ist. Für sie ist diese Variante der Selbsterfahrung etwas vollkommen Neues, so dass es unbekannt und angstbesetzt ist.
Aber auch verbal oder nonverbal vermittelte Schuldgefühle können einen Menschen von der inneren und äußeren Reifung und Entwicklung abhalten. Eine Mutter, die sich selbst allein und einsam fühlt, neigt vielleicht in erhöhtem Maße dazu, sich an ihr Kind zu klammern. Das sensible Kind spürt die Abhängigkeit von Seiten der Mutter und begreift, dass sie auf seine Nähe angewiesen ist, damit sie sich emotional wohlfühlt. Das Kind empfindet also Schuldgefühle, sobald es erste Schritte in die Selbstständigkeit - und damit weg von der Mutter - unternehmen möchte. Weil gerade die frühe Kindheit die psychischen Weichen stellt, werden auch noch Jugendliche oer biologisch erwachsene Menschen von emotionalen Bindungskräften dieser Art geplagt. Unbewusste Schuldgefühle, die sich auf eine tief verinnerlichte Mutter- oder Vaterfigur beziehen, blockieren also u. a. die schulisch-berufliche Entfaltung von Menschen.
Manche Eltern behandelten ihre Kinder zu streng. In diesen Familien war ausschließlich Leistung relevant. Die Identität des Kindes ging unter, wurde missachtet. In diesem Falle resultiert aus dieser vernichtenden Erziehung vielleicht später ein Trotzverhalten gegenüber Schule und Arbeit. Die Betroffenen sperren sich dagegen, leistungswillig zu sein, weil sie unbewusst annehmen, sich somit den verinnerlichten Elternfiguren erneut unterzuordnen und die altbekannte Ohnmacht ihnen gegenüber wiederholt zu fühlen. Der Trotz durchbricht diese Unterwerfung und fühlt sich offenbar befreiend an.
Zum Schluss fällt es wohl auch vernachlässigten Menschen schwer, sich zu disziplinieren und ihre Pflichten angemessen wahrzunehmen. Ihnen fehlte es in der Kindheit an Erziehung und Strukturgebung, so dass ihnen folglich auch in und nach der Adoleszenz die innere Orientierung und das Ordnung schaffende, seelische Gerüst fehlt.
Wenn Euch noch etwas zum Thema einfällt, würde ich es gerne lesen.
Viele Grüße
Alice