Genauso geht's mir mit "Menschen mit Migrationshintergrund" (ich habe bitte nichts gegen Ausländer, aber man kann sie ja auch Ausländer nennen; wir sind ja auch Ausländer, wenn wir gerade nicht in unserer Heimat sind.. oder "Lebensabschnittspartner", es gibt so viele Bezeichnungen, die ich einfach bescheuert finde.
Wenn es dich wirklich interessiert; hier ein sehr empfehlenswertes buch zur funktion von sprache im zusammenhang mit rassismus:
http://www.amazon.de/Rassismus-Wört...-1&keywords=wie+rassismus+aus+wörtern+spricht
ausschnitte daraus zum begriff migrationshintergrund:
Wen meint man mit Migrationshintergrund heute, wer war vor zehn Jahren gemeint (...) 'Hintergrund' als Metapher vereint zwei Komponenten: Das Verborgene (I) ist das entscheidend Bestimmende (2). Das Verborgene liesse sich (...) wie folgt deuten: Es ist nicht das Verborgene selbst, das gefürchtet wird. Erst im (scheinbaren) Versuch es zu interpretieren, können gesellschaftliche Ängste hineinprojiziert werden. Der Hintergrund ist dann nicht mehr der des Anderen, sondern der eigene (die eigene Angst nämlich), die dem Anderen zugeschrieben wird, um die eigene Identität zu stärken beziehungsweise das eigene Bild aufzuwerten (...) Das entscheidend Bestimmende rührt daher, dass das im Verborgenen Liegende das Relevante sein muss, vor allem dann, wenn es als Projektionsfläche dienen soll. Der Hintergrund rückt ins Audmerksamkeitsspektrum und wird identisch mit dem Vordergrund (...) Die Gastarbeiterin gebar einen 'ausländischen Mitbürger', dessen Tochter sitzt im 'Migrationshintergrund' fest, weggesperrt in einem Zwischengeschoss:
Das Gastarbeiterische konnte man abstreifen, indem man die Leiter der Leistungsgesellschaft hochkletterte. Kletter, kletter, wie es sich für Deutsche gehört, und plötzlich: Achtung, eine Durchsage für das Zwischengeschoss Nummer drei, aufgrund aktueller Vorkommnisse haben wir den Parcours geändert, willkommen auf der Ebene Migrationshintergrund
(...) Idee des Zeitlosen (...) Es kann kein Abstreifen mehr geben (...) permanent gültig (...) paradoxe Entwicklung wiederspiegeln, einen Prozess der Annäherung und gleichzeitigen Konstruktion des 'Anderen' (...) Sezgin bezweifelt, dass man bei einem aus der USA stammenden Biochemiker oder einem französischen Kleinunternehmer von einem Migrationshintergrund spricht. Geht es jedoch um jene die einst als Gastarbeiter bezeichnet wurden, dann stehen im 'Hintergrund' der Migration Italien, Türkei, Spanien, Griechenland (auch: Marokko, Tunesien, Portugal, Jugoslawien). In der Tat haben diese Menschen, die aus ähnlichen sozialen Verhältnissen, unter ähnlichen vertraglichen Voraussetzungen, mit ähnlichen Hoffnungen und Aufgaben kamen, auch eine ähnliche Geschichte an Fliessbändern von Automobilfabriken oder in Wohnheimen hinter sich. Ihre Kinder gehören zu denen, die als 'Menschen mit Migrationshintergrund' bezeichnet werden.
(...)
Stigmatisierung. Das Bild des gewalttätigen Jugendlichen oder des Schulmädchens, das nicht beim Sportunterricht teilnehmen darf etc.
Beanspruchung von Objektivität. Statistiken, die allzu oft mit fraglichen ethnisierenden Methodologien und diskriminierenden Grundannahmen generiert werden, wie beispielsweise bei den Befragungen des Kriminologischen Forschungszentrums Niedersachsen (2010) zur Jugendgewalt in Berlin, wo, so der Wortlaut, 'nicht-deutsche' Jugendliche gemeint sind Muslime andere Fragen beantworten müssen als 'deutsche' Jugendliche. Fragen, die ihnen bereits eine genuine Gewaltbereitschaft unterstellen.
Der globale Kontext bestimmt die lokale Ordnung. Die grösste Rolle scheint der Migrationshintergrund beim 'Moslem' zu spielen. Er ist ein potentieller Terrorist.
(...) soziale Konstruktion 'Migrationshintergrund' nicht homogen (...) Letztendlich jedoch bleibt es das herrschende soziale Konstrukt, das sich im dominanten Sprechen reproduziert.. Erst eine Veränderung bzw. Auflösung der Machtverhältnisse könnte dem Begriff 'Migrationshintergrund' eine andere soziale Funktion zukommen lassen. Bis dahin bleibt er (...) in Medien, im Alltag, in Schule und Beruf, in öffentlichen Einrichtungen und schliesslich in der Familie, im Freundeskreis, im eigenen Kopf.
Arndt Susan, Nadja Ofuatey-Alazard (hrsg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht: Kerben des Kolonialismus im Wissensarchich deutscher Sprach. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2011, seite 446, 447