Zustimme.
Vor allem im Pflegebereich, bei Personal- und Zeitmangel, kann es sehr leicht geschehen, dass Menschen entmündigt werden und somit ihrer Würde beraubt. Bei Fremdbestimmung, die dem Hilfsbedürfigen das Recht auf eigene Entscheidungen nimmt, beginnt sehr leicht ein Wegbügeln der Bedürfnisse des Abhängigen.
Ein kleines Beispiel dafür:
Frau K., sehr verzögert in ihren Entscheidungen (Parkinson), aber vollkommen klar im Geist, möchte immer gut gekleidet sein und täglich die Wäsche wechseln. Ihr Kleiderschrank ist voll mit hochwertigen Textilien, sie war einst sehr gut situiert.
Meine Kollegen zwingen sie, wenn sie sich nicht innerhalb kürzester Zeit entscheiden kann, was sie morgen anziehen möchte, die Sachen vom Vortag wieder anzuziehen, da diese ja noch sauber sind. Oder legen ihr irgendetwas, was sie meinen, heraus und lassen eine unglückliche Frau K. zurück.
Ich teile mir meine Zeit anders ein. Schiebe Frau K. im Rollstuhl vor ihren geöffneten Kleiderschrank und räume in der Zeit ihre Waschsachen ins Bad und bereite das Bett zum Schlafen vor.
Sie findet dann immer selbst die Sachen raus, die sie am nächsten Tag tragen möchte. Sie nervt mich auch nicht mit unnötigem Klingeln, weil sie mich respektiert, weil ich sie meinerseits ebenso ernstnehme.
Das ist aus meiner Sicht würdevolles, erwachsenes Miteinander.
Die Kollegen reden sich mit notwendiger struktureller Gewalt heraus, die in Zeit- und Personalmangel aus ihrer Sicht Begründung genug findet. Diese Frau macht sie einfach wahnsinnig, weil sie sich in ihren Plan nicht eintakten lässt.
Nochmal anders gesagt:
Was ein Kollege als Last empfindet, ist für den anderen eine Herausforderung.
Und trotz Ausbildung ist vielen Pflegern die WÜRDE als solches scheinbar ein Wort ohne wirkliche Bedeutung.
Mein Motto ist noch immer das, dass ich niemandem etwas antun möchte, was ich selbst an mir nicht getan haben mag. So wichtig, wie mir meine eigene Würde ist, nehme ich auch die Würde der anderen.