Typologie der Psychosynthese nach Roberto Assagioli

Letztendlich werden grosse Gruppen von Phänomenen und Ereignissen zueinander in Beziehung gesetzt und umfassen immer mehr Aspekte der Wirklichkeit, bis zum Schluss eine globale Synthese erreicht ist. Hier macht der wissenschaftliche Verstand im allgemeinen halt, in der Annahme, die höchste Ebene erreicht zu haben. Doch gibt es noch einen weiteren Schritt, den der Verstand, oder vielleicht eher der mit der Intuition zusammenwirkende Verstand, tun kann. Es ist der Prozess, sich von untergeordneten Gesetzen zu den höheren Gesetzen der Intelligenz des Universalgeistes weiterzubewegen, von den Tatsachen der Schöpfung zu den Schöpfungsprinzipien, aus denen sie hervorgingen. Das heisst in östlicher Ausdrucksweise, vom »Feld des Bewusstseins« und von der Erkenntnis weiterzugehen zum Erkennenden selbst - in einem Wort: von der Materie zum Geist.

Auf einer anderen Ebene haben wir eine klare Analogie zu der
platonischen Leiter der Schönheit, deren Stufen der kreativ-künstlerische Typ emporsteigt: von dem Ausdruck der Schönheit in materiellen Objekten zu den Prinzipien und Ursprüngen von Harmonie und Schönheit des Universums. Im Fall der Wissenschaft führt die Stufenleiter zu den Höhen von Erkenntnis und Wahrheit, ausgehend von der konkreten Erscheinung der Phänomene über die verschiedenen Stufen der Begriffe und Vorstellungen zu Gesetzen und Prinzipien sowie zur Wahrheit der letztendlichen Wirklichkeit.

Die Beschäftigungen, durch die der wissenschaftliche Typ seine wesentlichen Funktionen erfüllen kann, sind die des Wissenschaftlers und des Philosophen. Die passionierte Art und Weise, mit der sich diese Menschen dem sie umgebenden Mysterium stellen, ihre unermüdlichen, klugen Bemühungen, ein Rätsel nach dem anderen zu lösen, steilen einen der faszinierendsten Aspekte der Menschheitsgeschichte dar. In einigen Fällen ergeben die Kombination von Abenteuerlust und einem zu lösenden Problem einen faszinierenden Detektivroman.

Das ist eine Analogie, die gut in Professor A. S. Eddington's Buch „Sterne und Atome“ illustriert wird. Eddington sagt in der Nacherzählung der Geschichte des Wandelsterns Algol, dass sie eine wirkliche Detektivgeschichte darstellt, die den Titel tragen könnte: „Das sterbende Wort und der irreführende Schlüssel“, ebenso die Geschichte des Nachbarsterns Sirius, die heissen könnte: „Die sinnlose Botschaft“.

Nicht alle, die zum wissenschaftlichen Typ zählen, haben indessen die Fähigkeit, die Gelegenheit oder den Wunsch, wahre Wissenschaftler oder Philosophen zu werden. Nichtsdestoweniger gibt es für ihre Talente auch bescheidenere und dennoch wertvolle und notwendige Beschäftigungen: die Verbreitung vorhandenen Wissens durch Lehren an verschiedenen Arten von Schulen, von der Grundschule bis zur Universität, wie auch durch Schreiben von leicht fasslichen Artikeln in Zeitschriften über bibliographische Forschung bis hin zu umfassenden Lehrbüchern. Andere Aufgaben, die diesem Typ ein weite~ Tätigkeitsfeld eröffnen, sind die technische und praktische Anwendung der Wissenschaften; deswegen gehören ihm viele Ärzte, Chirurgen, Ingenieure und Erfinder an.

Die erste und unmittelbarste psychosynthetische Aufgabe des wissenschaftlichen Typs besteht in der Kontrolle und Sublimation seines Wissensdranges. Dieser starke Drang, der sich oft in einem Meer endloser und bedeutungsloser Details verlieren oder zu nutzloser oder gar schädlicher Neugier verkommen kann, lässt sich auch zur Erfüllung der wichtigen Funktion des Forschens und Aufdeckens einsetzen. Wie bei jeder Neigung geht es darum, die Ausdrucksebene anzuheben und die notwendige Konzentration, Ausdauer und geistige Hingabe aufzubringen.

Sodann stellt sich die Aufgabe, eine fruchtbare Beziehung zwischen dieser Tendenz und den anderen menschlichen Qualitäten zu schaffen. Die wichtigste dieser Beziehungen ist jene zwischen Intellekt und Liebe, zwischen den beiden Prinzipien, welche die Griechen Logos und Eros nannten. Eine rein objektive Bewusstseinshaltung neigt dazu, kalt, steril und inhuman zu sein, und schlimmer noch: sie gibt sich dazu her, individuell oder kollektiv zu selbstgefälligen und destruktiven Zwecken eingesetzt zu werden. Die entsetzlich grausamen Waffen, in den jüngsten Kriegen erfunden und am meisten benutzt, sind das schreckliche Resultat angewandter Kenntnisse ohne die Milde der Liebe, des Erbarmens und des guten Willens. Andererseits haben wir bei der Beschreibung des Typs des Liebenden die verhängnisvollen Folgen blinder Liebe ohne Intelligenz gesehen.

Die wechselseitige Kontrolle und Balance von Intellekt und Liebe und ihr richtiges Zusammenwirken sind deshalb wesentlich, sowohl für ein harmonisches persönliches Leben des Einzelnen als auch für das richtige zwischenmenschliche Verhalten. Dasselbe gilt für das Leben von Gruppen wie z.B. Gemeinden oder Nationen, sowohl innerhalb ihrer eigenen Grenzen als auch im Kontakt mit anderen Gruppen. Der wissenschaftliche Typ muss die Qualitäten integrieren, die beim Kreativen und beim Typ des Liebenden entwickelt sind. Der wissenschaftliche Verstand, in Anspruch genommen von quantifizierendem Messen und objektiven Bezügen, muss die Wertschätzung subjektiver Qualitäten pflegen, das Verständnis für innere Erlebnisse des Menschen und die Leitung durch Intuition und Synthese. Nur diese Kombination liefert eine vollständige, umfassende Erkenntnis und kann uns die Identifikation mit der Wahrheit ermöglichen, die frei macht.
 
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6.Idealistisch-devotionaler Typ

Die spezifische psychologische Qualität des idealistischen Typs und die Hauptquelle seiner verschiedenen, manchmal scheinbar widersprüchlichen Eigenschaften ist die Hingabe an ein Ideal. Um ihn klarer zu erfassen, studieren wir die beiden Aspekte einzeln - das Ideal als solches und die dadurch inspirierte Hingabe.

Das Ideal ist oft konkret und wird durch eine »Persönlichkeit« repräsentiert, die mit grossartigen, bewundernswerten Eigenschaften begabt ist oder zu sein scheint (was subjektiv dasselbe ist). Eine »ideale« Persönlichkeit kann von jeder Art und jedem Kaliber sein. Auf der höchsten Stufe finden wir den Inbegriff des Ideals in Christus und Buddha inkarniert; etwas darunter gibt es die Genies und Helden über die Carlyle so beredt geschrieben hat; dann folgen, auf den darunterliegenden Niveaustufen die Sportgrössen, Filmstars und selbst „grosse“ Kriminelle.

Die andere Klasse von Idealen ist unpersönlich. Ihre Essenz ist eine Idee - sei sie gross oder klein, wahr oder falsch-, die von den Gefühlen und Vorstellungen ihrer Bewunderer zu einem dynamisch-lebendigen Ideal entwickelt wurden, das um jeden Preis verwirklicht werden muss. Es kann ein religiöses Ideal sein, wie die Vereinigung mit Gott oder die Bekehrung von »Wilden«; es kann eine der vielen politischen Ideologien sein, für die Menschen so heftig kämpfen und ringen und es kann auch ein intellektuelles Ideal sein wie etwa ein philosophisches oder theologisches Konzept.

Alle diese Ideale, sowohl persönliche als auch unpersönliche (oder deren Kombination, wenn beispielsweise eine Person zum Symbol eines Falls oder einer Ideologie wird), rufen in gewisser Weise eine besondere innere Reaktion hervor und üben eine eigentümliche Faszination aus, die eine hingebungsvolle Haltung mit sich bringt. Solche Hingabe wird oft als Liebe bezeichnet, doch in Wirklichkeit hat sie fraglos eine Färbung und Qualität die sich von Liebe unterscheidet, eine Tatsache, die eine andere Ausdrucksweise bei der Beschreibung erfordert und auch rechtfertigt. Hingabe kann als eine Form von Liebe betrachtet werden, aber sie hat eine spezifisch dynamische und fordernde Qualität. Sie beinhaltet ein »Ausgreifen« nach Ersehntem. Sie setzt ein Gefühl der Bewunderung voraus, das in Verehrung übergehen kann. Hingabe zeigt indessen, abgesehen vom Streben nach Höherem, oft gleichzeitig eine gegenläufige Abwärtsbewegung, die den Impuls enthält, das Ideal zu materialisieren. Ist dieses Ideal eine Person, wird aus der Hingabe an sie die zwingende Notwendigkeit, sich in ihr Ebenbild zu verwandeln, zum Exponenten, zur Stimme oder zur Verkörperung dieses Ideals in der Welt zu werden. So verschrieben sich zum Beispiel im Mittelalter viele spirituell ausgerichtete Menschen mit Mut und Demut der Aufgabe „Christus Ebenbild zu werden“.

Wenn der idealistische Typ einer Theorie oder einem Konzept ergeben ist, hält er es für seine Pflicht, auch andere davon zu überzeugen, sie zu übernehmen. Dieselbe Tendenz, ein Ideal zu bekunden und zu verwirklichen, findet sich bei den Anhängern aller möglichen Systeme, Kulte, »Ismen« und Ideologien. Dieser Zug bringt bei seinen Exponenten ganz bestimmte Merkmale hervor, die je nach dem persönlichen Niveau variieren. Der devotionale Typ hat oftmals eine strenge, asketische Einstellung dem eigenen Körper gegenüber, die sich bei vielen Mystikern und religiösen Menschen zu einer körperfeindlichen Haltung steigert, da der Körper als Hindernis und Feind für die geistigen Ambitionen angesehen wird. Konsequenterweise wird er auf drastische Weise diszipliniert und kasteit, gelegentlich bis zur völligen Hinopferung. Andere, die in der Theorie den Körper nicht verdammen, zögern aber ebenfalls nicht, sich grosse Entbehrungen aufzuerlegen, wenn es um die Verwirklichung ihrer geliebten Ideale geht.

Wie wir uns vorstellen können, ist der devotionale Typ äusserst gefühlsbetont. Seine Gefühle sind oft leidenschaftlich und extravagant. Er liebt einen Menschen oder ein Ideal bis zur Verehrung und geht mit gleicher Wucht und oft auch Hass gegen alles vor, was sich entgegenstellt. Auf diese Weise neigt er zur Übertreibung und ist dann, wie die Franzosen sagen, „plus royaliste que le roi“. Seine Abneigung und Feindseligkeit brauchen von der Person, deren Sache er zu seiner eigenen gemacht hat, durchaus nicht geteilt zu werden, da diese wahrscheinlich eine ausgeglichenere, gelassenere Haltung hat. Der Übereifer eines Anhängers kann für diese Person sogar gefährlich werden, und es mag für sie schwierig sein, den ungestümen Jünger mit seinen guten Absichten in festen Grenzen zu halten. Wenn die Gefühle des devotionalen Typs auf ein höheres und unpersönliches Ideal gerichtet werden, nehmen sie normalerweise die Form eines glühenden Idealismus und einer mystischen Liebe an, die ihn der Vereinigung mit seinem Ideal entgegentreibt.

Im Mentalbereich neigt dieser Typ dazu, mehr Beschränkungen als gute Eigenschaften an den Tag zu legen, weil seine Intelligenz sehr oft von seinen starken Leidenschaften beherrscht und aktiviert wird. Deshalb ist er nicht selten
engstirnig, intolerant und kritiksüchtig. In seinen Ansichten ist er kompromisslos und streng, und wenn er sich einmal eine Meinung oder Theorie zu eigen gemacht hat, ist es sehr schwierig, seine Ansichten wieder zu ändern. Wenn er sich aber doch einmal anders besinnt und seine Meinungen und Haltungen ändert, so fällt er ins gegenteilige Extrem. Sollte sein Idol seine überhöhten Erwartungen nicht erfüllen und seine Lieblingstheorie auf schroffe Art zurückweisen, ändert er seine Ansichten total. Dann reisst er sein Idol vom Sockel herunter, auf den er es gestellt hatte und schlägt es in Stücke, um sodann den entgegengesetzten Standpunkt mit derselben Leidenschaft und Strenge zu vertreten. So kann er sich von orthodoxer Religiosität zu völligem Atheismus oder von dogmatischem Materialismus zu inbrünstigem Spiritualismus verwandeln. Doch zeigt der devotionale Typ bei all seinen Übertreibungen und trotz all seiner Begrenzungen stets eine bewundernswerte Aufrichtigkeit. Weder selbstsüchtige Erwägungen noch irgendwelche Gefahren können ihn dazu bringen, mit sich selber oder anderen Kompromisse einzugehen oder brav den Mund zu halten. Er ist immer ein tapferer »Verfechter der Wahrheit« oder Verteidiger dessen, was er für seine - meistens subjektive - Wahrheit hält.

Die Persönlichkeit des idealistisch-devotionalen Typs ist oft einseitig, er ist schwierig im Umgang. Es mangelt ihm im allgemeinen am Sinn für Proportionen und Humor; er hat eine Tendenz zum Utopischen oder Manischen. Bei seinen Versuchen, andern seine Meinung nahezubringen, ist er oft zudringlich und übereifrig, was zeitweise bis an die Grenze von Gewalttätigkeit und Grausamkeit gehen kann. Ein schreckliches Beispiel für dieses Extrem ist das der Inquisitoren, die Ketzer folterten und verbrannten mit dem Ziel, ihre Seelen zu retten.

Einige der geistig entwickelten Vertreter dieses Typs sind sehr intuitiv, etwa jene, die den Weg reiner Mystik gehen und schon einen gewissen Grad von Harmonie mit dem Höheren Selbst erreicht haben mit den konsequenterweise daraus folgenden Bewusstseinserweiterungen und einer intuitiven Wahrnehmung der Wirklichkeit.

Auf seiner höchsten Stufe sind die guten Seiten dieses Typs ebenso bemerkenswert wie die Begrenztheiten seiner weniger entwickelten Vertreter. Neben der Aufrichtigkeit finden wir unter anderem Loyalität, Treue, Selbstaufopferung, Ausdauer und Furchtlosigkeit. Viele grosse Heilige, Apostel, Märtyrer und religiöse Helden sind hochentwickelte Beispiele dieses Typs.

Es ist hilfreich, noch auf ein anderes kennzeichnendes Unterscheidungsmerkmal und eine weitere Qualifikation hinzuweisen. Bei einigen der betrachteten psychologischen Typen können wir einen aktiven und einen passiven Untertyp unterscheiden, und das gilt besonders für den idealistisch-devotionalen Typ. Es gibt einen klar umrissenen Untertyp, der eine generell passive Haltung mit einer deutlich weiblichen Psychologie und Charakteristik zeigt. Klar zeigt sich dies bei jenen orthodoxen Mystikern, die ihre Liebe zu Gott fühlten und sie als mystische Vermählung der Seele mit Christus ausdrückten. Dieselbe Haltung legen viele hingebungsvolle Anhänger an den Tag, die sich um eine dominierende Persönlichkeit scharen.
 
Der aktive Untertyp zeigt ein völlig anderes Bild. Er führt uns die Fehler wie die Vorzüge männlicher Streitlust und Kampfbereitschaft vor Augen; er war der Ritter der Vergangenheit, stets bereit, für eine gerechte Sache zu kämpfen.

Es ist nicht nötig typische Beispiele historischer Persönlichkeiten zu nennen, denn der Typ ist leicht erkennbar, doch mag es von Interesse sein, zwei bedeutsame Vertreter kurz zu betrachten. Der eine ist Paulus von Tarsus. Die völlige Umkehrung seines Fühlens und Handeins infolge seiner Bekehrung, seine glühende Hingabe an Christus, sein militanter apostolischer Eifer, sein unerschütterlicher Mut, seine tiefe Aufrichtigkeit, die zuweilen zu Intoleranz wurde und seine intensiv strenge Art, sind samt und sonders Kennzeichen des hier besprochenen Typs.

Das zweite Beispiel ist keine geschichtliche Persönlichkeit sondern eine literarische Figur. Wenn ein dichterisches Genie einen Charaktertyp ins Leben ruft, so ist dieser in dem Sinn wahrer und wirklicher als ein historisches Individuum, weil er das wesentliche der Synthese vieler Beispiele aus dem wirklichen Leben offenbart. Dies ist der Fall bei „Don Quichote“. Cervantes faszinierende Dichtung mit ihrem Anflug von Humor und Pathos macht es uns möglich, für diesen Typ Verständnis, ja Sympathie aufzubringen, sie ist zugleich eine getreue Beschreibung des Idealisten „par excellence“.

Es gibt zwei Religionen, in denen der devotionale Typ in all seinen vielen Aspekten und auf all seinen Ebenen vollkommenen Ausdruck fand: das Christentum und der Islam. Jahrhunderte hindurch haben sich diese bei den Religionen blutig befehdet, besonders zur Zeit der Kreuzzüge und in Spanien - eine Tatsache, die ihre Ähnlichkeit bestätigt und das Gesetz beweist, dass gleichartige Pole sich abstossen, sogar im Bereich der Psychologie.

In der Architektur ist der gotische Stil ein Ausdruck des Strebens der menschlichen Seele hin zu Gott. Seine schlank emporstrebenden Kirchtürme scheinen wahrhaftig steingewordene Gebetsströme und Lobeshymnen zu sein. In der Malerei stellen die ekstatischen Heiligen und feierlichen Engel von Fra Angelico eine - wenn auch sehr unterschiedliche - Erscheinungsform derselben Qualität dar.

Der idealistisch-devotionale Typ trägt kraftvoll zur geistigen Entwicklung und zum spirituellen Fortschritt der Menschheit bei. Seine wesentliche Funktion ist es, innere Erlebnisse durch glühenden Idealismus in die Höhen des Bewusstseins zu heben, wo die Schönheit grosser transpersonaler Prinzipien erschaubar wird, um sodann diese Prinzipien mit ganzer Liebe, Verehrung und Begeisterung zu erfüllen und sie zu lebensvollen Idealen werden zu lassen, um schlussendlich dieses Ideal um jeden Preis zu halten, alles dafür zu opfern, dafür zu leben und sogar dafür zu sterben.

In seiner sozialen Umwelt ist der idealistische Typ normalerweise ein störendes Element, kann aber auch als Sauerteig wirken. Er übt die nützliche Funktion aus, Einzelne wie Gemeinschaften in Bewegung zu versetzen und zu neuen Taten zu beflügeln, wenn sie schläfrig und selbstgefällig geworden sind; ihr Verantwortungs- und Pflichtgefühl zu wecken, sie anzuleiten und an der Arbeit zu halten. Dennoch ist dieser Typ, besonders der aktive Untertyp, sehr individualistisch, zumal auf der persönlichen Ebene. Wenn er sich mit einer Gruppe identifiziert oder in einer solchen sei es eine Religionsgemeinschaft, Partei oder Nation aufgeht, so tendiert sein Einfluss in der Gruppe dazu, deren Abgrenzung und Exklusivität zu steigern.

Die Beschäftigungen, in denen dieser Typ sich für gewöhnlich zum Ausdruck bringt, fallen in zwei Untergruppen, gemäss den schon besprochenen Untertypen. Wir finden den introvertierten oder eher »femininen« Untertyp im klösterlichen Leben, entweder in Konventen oder Klöstern, wo er sich der Kontemplation und mystischen Versenkung hingeben kann. Den aktiven Untertyp finden wir unter Priestern, Rednern und den aggressiven Pionieren und Anführern in allen möglichen Bereichen menschlicher Tätigkeit.

Es sind besondere Aufgaben der Psychosynthese, denen sich der idealistisch-devotionale Typ stellen muss, doch ist es meist sehr schwer für ihn, sie sowohl zu verstehen als auch in die Tat umzusetzen. Der eine Grund dafür ist, dass sich der idealistische Typ als psychisch integriert zeigt, was er in einem gewissen Sinne auch ist. Er zeigt keine Widersprüche, Konflikte oder sonstigen inneren Komplikationen; Denken, Fühlen und Handeln sind bei ihm koordiniert und auf ein einziges Ziel ausgerichtet.

Der zweite Grund ist, dass sowohl seine Methoden als auch seine Beweggründe oft einwandfrei zu sein scheinen; aufrichtig ist er jemandem oder einer Sache ergeben und versucht ehrlich sein Ideal unter grosser Selbstverleugnung zu verwirklichen. So glaubt er felsenfest daran, dass er recht hat und sieht infolgedessen keine Notwendigkeit, anzuhalten und an sich selbst zu arbeiten. Er widmet sich im Gegenteil völlig dem Vorhaben, äussere Zustände zu verändern und andere Leute zu verbessern.

Trotz all ihrer Qualitäten sind die idealistischen Typen oft eine Quelle des Ärgers und die Ergebnisse ihrer Bemühungen zeigen häufig, dass sie letztendlich zerstörend, zumindest ungeeignet, unstimmig und daher nutzlos waren. Der Grund dafür ist, dass ihre Synthesefähigkeit beschränkt, unvollständig und disproportioniert ist; einige der vitalen
und notwendigen Aspekte der menschlichen Natur bleiben unberücksichtigt, es mangelt an innerer Weite und wirkli-
chem Erfassen des Ganzen. Eines ist beispielsweise für sie schwer zu verstehen und wird von ihnen meistens mit Empörung bestritten, dass ihre Hingabe dazu tendiert, bar jeder wahren Liebe zu sein. Eine genaue Analyse enthüllt, dass das, was sie »lieben« oft ihre subjektive Vorstellung des Ideals ist - sei es eine Person, eine Idee oder eine Art philantropischer Tätigkeit - so wie sie sich in ihrem Denken spiegelt und nicht wie sie der Realität entspricht. Das erweist sich durch ihre innere Reaktion und ihr Verhalten in bestimmten Situationen - beispielsweise dann, wenn der Mensch den sie verehren, ihre Erwartungen nicht befriedigt oder wenn sie in ihrem Ideal Lücken und Mängel entdecken.

Darin liegt ein deutlicher Unterschied zum Liebestyp, und das bietet uns die Möglichkeit, die beiden klar voneinander abzugrenzen, trotz ihrer oberflächlichen Ähnlichkeiten. Wenn der Typ des Liebenden entdeckt, dass die Person, die er liebt, bisher unerwartete Fehler aufweist oder sich schlecht benimmt, so mag ihn diese Erkenntnis wohl betrüben, doch er reagiert nicht gegen die Person. Er neigt vielmehr dazu, sie zu entschuldigen und zu verteidigen und geht sogleich dazu über, sie noch intensiver als vorher zu lieben. Der devotionale Typ reagiert in einer vergleichbaren Situation befremdet bis empört. Er fühlt sich persönlich beleidigt und ist nicht zu Vergebung oder Hilfe bereit, wenn die idealisierte Person nicht aufs I-Tüpfelchen seinen Erwartungen entspricht, die oft unvernünftig und unerfüllbar sind. Instinktiv wendet er sich gegen die Ursache seiner Desillusionierung. (Manchmal finden wir eine gemischte Einstellung und Reaktion bei ein und demselben Menschen. Das kommt daher, dass es Mischtypen gibt; eine Kombination des devotionalen mit dem Liebestyp ist glücklicherweise nicht selten.)
Aus alldem wird klar, was der idealistisch-devotionale Typ zu tun hätte, um Harmonie und wahre Synthese zu erreichen und seine grossen Stärken und Qualitäten für gute Zwecke einsetzen zu können. Seine erste Aufgabe ist, seine Hingabe in wahre Liebe zu verwandeln oder sie zumindest mit Liebe und Weisheit zu durchdringen, so dass er von seinen „Scheuklappen“ und seiner übertriebenen Streitbarkeit befreit ist. Des weiteren sollte er unpersönlicher und objektiver werden, um die Wahrheit annehmen zu können, dass es viele Ideale von innerem Wert gibt. Er muss eine Sichtweise entwickeln, die ihn alles einbeziehen und in den richtigen Proportionen erfassen lässt: ein Weltbild, das stufenweise an die Stelle seiner Vorstellungen und Konzepte eines einzigen Lieblingsideals treten kann. Das erfordert eine stufenweise geistige Öffnung, durch die er ein gewisses Mass an echtem Forschergeist und teilweise eine umfassende Liebe entwickelt und die Fähigkeit, das »Körnchen Wahrheit« in all den vielen verschiedenen und gegensätzlichen Gesichtspunkten aufzuspüren - als Grundlage wirklicher Weisheit. So eine Ausweitung schliesst die Entwicklung von Toleranz und intellektueller Bescheidenheit ein - beides im Vergleich mit andern als auch gegenüber dem gewaltigen universalen Mysterium, von dem selbst die originellsten und begabtesten Denker nur ein winziges Stückchen zu erhaschen vermögen.

Der idealistisch-devotionale Typ kann noch einen weiteren Weg für seine Entwicklung und Erweiterung wählen: seine Begierden und Ambitionen zu vergeistigen und sie höheren Zielen, Idealen und Werten zu weihen. Dieser Richtung kann er - im Vergleich zu den zuvor erwähnten – relativ leicht folgen, weil sie in einem gewissen Sinn für ihn den Weg des geringsten Widerstands darstellt; das ist mit anderen Worten der natürliche und spontane Weg des inneren Wachstums, sein spezifischer Aufstieg zum Höheren Selbst.
 
7.Organisationstyp

Dieser Typ ist besonders interessant, weil die Anzahl seiner Repräsentanten rapide ansteigt und weil sie in zunehmendem Masse der zeitgenössischen Kultur ihren Stempel aufdrücken.
Verallgemeinernd können wir sagen, dass die grossen Veränderungen, die jetzt im Leben der Menschen stattfinden und die schwerwiegenden Krisen, die die Menschheit betrafen hauptsächlich auf die schwindenden Ideale zurückzuführen sind, die in der Vergangenheit üblicherweise die Gefolgschaft der Mehrheit weckten und an sich banden. Dazu kommt aber noch das Erscheinen von Menschen in vielen Tätigkeitsbereichen, die zum Typ des Organisators gehören und völlig unterschiedliche Gesichtspunkte und Überzeugungen darüber vertreten, was der Sinn des Lebens ist und wie es gelebt werden sollte.

Der Organisationstyp drückt sich vor allem durch seine Unternehmungen aus und ist ein gründlicher, objektiver Typ. Deshalb können wir sein Wesen und seine besonderen Fähigkeiten am besten verstehen, wenn wir die Art und Weise seines Handeins beobachten und nicht nur durch die Analyse seines Innenlebens. Sein vorherrschendes Merkmal kann als »die geordnete Aktivität der Gruppe« oder als »objektive Manifestation durch organisierte Tätigkeit« ausgedrückt werden. Seine Charakteristika sind klar und leicht zu verstehen, obwohl wir sie genau analysieren müssen, um sie von vergleichbaren Qualitäten der anderen Typen unterscheiden zu können.

Man könnte sagen, dass der organisatorische Typ mit seinen Absichten und dem Brennpunkt seines konkreten Interesses nur auf die mentale und physische Ebene zielt und deshalb zum Denk-Empfindungstyp in Jungscher Klassifikation gehört. Seine gedankliche Aktivität richtet sich auf die Planung von Vorhaben, genau bis ins Detail und im Erdenken sowie Entwerfen präziser, sorgfältig ausgearbeiteter Modelle, die er in die Tat umsetzen will. Auf der physischen Ebene erzielt er seine grösste Wirkung dadurch, indem er die Kooperation und die Arbeit in einer Gruppe zur Erreichung der gewünschten Ziele organisiert und das dafür passende Material sammelt und bereitstellt.

Wenn er optimal ausgerüstet ist, zeigt der Organisationstyp Zielgerichtetheit und Willensstärke, einen klaren Verstand, die Fähigkeit zu konstruktivem Handeln und praktisches Geschick. Diese Qualitäten lassen ihn anderen Typen vergleichbar erscheinen. Er könnte mit ihnen verwechselt werden, oder scheint eine Mischung von ihnen ohne ausgeprägte, eigene Charakteristika zu sein. Sein Wille ähnelt dem des Willenstyps, sein klarer Verstand dem des Wissenschaftstyps, seine konstruktive Aktivität der des praktischen Typs - und doch unterscheidet er sich von ihnen allen. Der Willenstyp ist im Wesentlichen daran interessiert, seine Macht zu erweitern und zu zeigen, oder kraftvoll und unbeugsam sich selbst und andere in Richtung auf ein geschätztes Ziel zu lenken. Der Organisationstyp indessen setzt seinen Willen präzise, langsam und beharrlich ein, um seinen Plan oder den eines anderen nach und nach zu realisieren. Mit dem Wissenschaftstyp hat er einen klaren, exakten Verstand gemeinsam, aber er nutzt ihn mit der Absicht etwas zu tun, greifbare Ergebnisse zu erreichen, während der erstere ihn hauptsächlich mit dem Ziel des Entdeckens und Erkennens einsetzt.

Er ist in einem gewissen Sinn ein kreativer Typ, weil durch seine Aktivitäten neue Elemente entstehen, aber seine Arbeitsmethode unterscheidet sich völlig von der des kreativkünstlerischen Typs. Der Unterschied kann in zwei Worten erfasst werden: kreieren und konstruieren. Wahres kreatives Schaffen ist ein vitaler und mysteriöser Prozess, der ausserhalb des gewöhnlichen Bereichs des Bewusstseins seinen Anfang nimmt. Konstruieren dagegen erfordert bewusst zusammengetragenes Material, das normalerweise der sogenannten anorganischen Materie angehört und dessen Zusammenstellen zu einer gegenständlichen Struktur. Der kreative Typ ist allgemein ein Kanal oder eine Stimme für sein Überbewusstsein, ein Empfänger der Inspiration aus dem Reich der Intuition oder der Imagination, während der organisatorische Typ seine Aktivitäten mit klarer Bewusstheit und Überlegung ins Leben ruft und sie methodisch bis zum Abschluss durchsetzt.

Der aktiv-praktische Typ ist formbar, anpassungsfähig und sogar ein wenig unredlich und zudringlich; der organisatorische Typ neigt dagegen dazu, unbeugsam und formalistisch zu sein. Der erstere tendiert dazu, unabhängig zu sein und allein zu arbeiten; der letztere bevorzugt es, mit anderen oder durch sie zu arbeiten, indem er ihnen Aufgaben zuweist. Der aktive Typ ist ausschliesslich an Ergebnissen und dem Erfolg interessiert und benutzt sofort jede beliebige Methode, die effektiv zu sein scheint. Der organisatorische Typ tendiert stattdessen dazu, allem voran an der Organisation in ihrem Eigenwert interessiert zu sein, was in seinen Augen so wichtig werden kann, dass er darüber sein angestrebtes Ziel fast vergisst. Der aktive Typ arbeitet in einer aktiven, aggressiven, oft ungeregelten Art und Weise; der organisatorische Typ arbeitet ruhig im Zentrum, registriert und koordiniert die Ergebnisse der laufenden Aktivitäten und plant die zukünftigen.

Ein anderer Weg, die unterschiedlichen Haltungen der verschiedenen Typen zu betrachten ist die Beobachtung ihrer Reaktionen, wenn sie mit Faktoren wie dem Recht konfrontiert werden. Der Willenstyp liebt das Recht und ist immer bereit, diejenigen zu bestrafen, die es übertreten. Der wissenschaftliche Typ ist lediglich daran interessiert, die vorhandenen Naturgesetze zu entdecken. Der organisatorische Typ ist daran interessiert, Gesetze mit spitzfindiger Genauigkeit zu formulieren oder sie sorgfältig zum Erreichen seiner Ziele einzusetzen. Der aktive Typ versucht, den grösstmöglichen Nutzen aus den Gesetzen zu ziehen oder ihnen geschickt aus dem Wege zu gehen. Der kreative Typ nimmt für sich stets Ausnahmen der Regeln in Anspruch, während er unbewusst seine schöpferischen Aktivitäten gemäss unbekannter Regeln fortsetzt, die auch er nicht völlig versteht.

Wenn wir versuchen, die dominante Qualität genauer zu definieren, mit deren Hilfe der organisatorische Typ erfolgreich seine Absichten in die Tat umsetzt, finden wir heraus, dass es sich dabei um Disziplin handelt. Dies ist nicht nur eine äussere, sondern eine innere Disziplin, durch die ein unkoordiniertes Individuum, hin- und hergerissen von seinen irrationalen, widersprüchlichen Impulsen, seine Zeit und seine Energie vergeudend in der Verfolgung zu vieler unzusammenhängender Interessen, allmählich eine integrierte Persönlichkeit wird. Eine solche Integration beinhaltet, dass alle psychischen Funktionen harmonisch ablaufen und durch eine zentrale, leitende Kraft zu klar definierten Zielen gesteuert werden.

Disziplin ist nicht nur ein Charakteristikum des organisatorischen Typs; der Willenstyp und der idealistische Typ setzen sie oft sogar noch energischer ein. Bei ihnen nimmt die Disziplin allerdings eine unterschiedliche Färbung bzw. einen anderen Charakter an. Die Disziplin des Willenstyps ist hart, unerbittlich und sogar grausam, sei es, wenn er sie sich selbst abverlangt oder wenn er sie anderen auferlegt; seine einzige Absicht ist es, das gewollte Ziel mit der grösstmöglichen Geschwindigkeit, Kompetenz und um jeden Preis zu erreichen.

Die Anforderung an Disziplin, die der idealistische Typ sich und anderen abverlangt, kann genauso streng und hart sein, aber sie hat einen asketischen Zweck und Sinn. Sein Ziel ist es, tatsächliche oder eingebildete Fehler oder »Sünden« zu eliminieren und die Persönlichkeit zu reinigen, um sie vermutlich akzeptabler und der liebe Gottes würdiger zurückzugeben; mit einem Satz: ihre Seele zu retten. Die Disziplin des organisatorischen Typs ist - verglichen mit den anderen - im allgemeinen gemässigter und anständiger. Sein Ziel ist es, Verlust und Verschwendung von Zeit, Energie und Material zu eliminieren, Reibungen zu vermeiden und schliesslich eine produktivere Zusammenarbeit durchzusetzen.

Aus dem was bisher gesagt wurde ist klar ersichtlich, dass Disziplin in der Tat das zentrale Charakteristikum und die besondere Qualität ist, mit der der organisatorische Typ operiert und mit deren Hilfe er seine Ziele erreicht während beim Willenstyp und dem idealistischen Typ Disziplin eine Fähigkeit unter anderen ist. Beim Organisationstyp scheint seine ganze Organisation und Ordnung sowohl das Ergebnis äusserer wie innerer Disziplin zu sein. Wenn der Organismus oder die Organisation erwachsen geworden sind und reibungslos funktionieren, hört diese Disziplin auf von aussen eingeübt zu werden; es ist kein sichtbarer Druck zur Verstärkung mehr festzustellen - aber Disziplin ist vorhanden: innerlich, in Form von Tradition, Gewohnheit oder Brauch. Dies wird durch die Tatsache demonstriert, dass Organisationen in ihre Einzelteile zerfallen, bis ein neuer Zufluss von Disziplin und Ordnung sie rettet, wenn Traditionen zu Ende gehen oder wenn ein neuer Faktor oder eine neue Situation einen Wechsel der Gewohnheiten erzwingt.
Die Begrenzungen des Organisationstyps - wenn er unentwickelt ist und einen begrenzten Gesichtskreis hat - liegen in der grossen Wichtigkeit gegenüber Formalitäten, was wiederum zu Pedanterie und Übergenauigkeit führen kann. Er neigt dazu, völlig von seinen Gewohnheiten regiert zu werden, denen er mit selbstgefälliger Hartnäckigkeit folgt, da er oft stolz und seiner selbst zu sicher ist. Deshalb tendiert er zu gefühlsmässiger Dürre und lässt in seinen Beziehungen zu anderen oft Takt vermissen. Seine Überschätzung von Zeremonie und Form macht ihn - was die Religion betrifft - streng und bigott. Aber im Gegensatz zum devotionalen Typ zeigt er weder Fanatismus noch missionarischen Eifer.

Wir können die äusserlichen und sichtbaren Zeichen der formalistischen Tendenzen dieses Typs in den pompösen Riten der grossen Kirchen des Ostens und des Westens erkennen, in den Freimaurersymbolen und - ritualen und in den extrem verfeinerten und vollendeten Zeremonien der Chinesen und - in einem bestimmten Mass - der Japaner.

Ein deutliches Beispiel eines Rituals dieser Art ist die japanische Teezeremonie, besonders bei den Zen-Buddhisten. (Eine sehr gute Beschreibung dieses Rituals ist in D.T.Suzukis Buch „Zen und Japanische Kultur“ enthalten.)

Dieselbe Qualität war in den raffinierten und manchmal schon lächerlichen Zeremonien des Königshofs zu Versailles gegenwärtig, bei denen es der Adel als grosse Ehre ansah, anwesend zu sein und kleine Dienste anzubieten, wenn der König erwachte und seine „Toilette“ machte.

In der Gegenwart - in der augenblicklichen Periode des Übergangs zu einer neuen und anderen Art der Zivilisation - nimmt dieselbe Qualität eine völlig verschiedene Form an, und scheint (auf den ersten Blick) wenig mit der vorherigen gemeinsam zu haben. Ihre Manifestationen zeigen sich in der Reglementierung des individuellen und kollektiven Lebens und in der schnell wachsenden Tendenz zur Standardisierung in Industrie, Handel und anderen Bereichen sozialen Lebens. Es gibt Fälle, in denen eine wirklich eigenartige Qualität in unterschiedlichen Zeiten, an verschiedenen Orten und unter anderen Umständen so andersartige Ausdrucksformen findet, dass diese miteinander keinerlei Verbindung zu haben scheinen; obwohl eine tieferreichende Analyse beweist, dass sie alle der gleichen Quelle entspringen.

Es ist durchaus von Wert, die modernen und zeitgenössischen Formen des organisatorischen Typs zu erkennen, denn es hilft uns, ihre Bedeutung und Zielsetzungen weit besser zu verstehen und auf diese Weise zu vermeiden, uns deswegen Sorgen zu machen oder sie negativ zu sehen, wie es so viele heute tun. Zwei Arten von Menschen sind besonders geneigt, diese Haltung anzunehmen; die ersteren schliessen die Mehrheit der Mittelklasse und der Alten ein, die es schwierig finden, sich an eine schnell wandelnde Welt anzupassen. Sie neigen zu aktivem oder passivem Widerstand gegenüber dem Fortschritt und reden immer mit nostalgischem Bedauern über die. guten alten Zeiten. Sie denken, dass das Leben damals leichter war, dass die Menschen noch rücksichtsvoller und respektvoller und geistige und materielle Werte noch stabil und sicher waren. Während wir mit ihnen bis zu einem gewissen Grad sympathisieren - vor allem, wenn sie wirkliche Schwierigkeiten haben - sollten wir unter keinen Umständen zulassen, dass wir von ihren fruchtlosen Klagen und negativen Anschauungen überwältigt werden.

Die andere (leichter abgrenzbare) Art von Menschen setzt sich aus idealistischen Typen zusammen, die generell eine Protesthaltung und sogar eine Position des offenen Kampfes gegenüber der wachsenden Tendenz zu Massenorganisationen einnehmen. Dies tun sie ebenso aufgrund ihrer Fähigkeit als auch ihrer Begrenzung: widerspenstig an den Idealen festzuhalten, die ihnen lieb und teuer sind. Diese Ideale werden natürlich mittels Formen ausgedrückt, die sie selbst oder andere ihrer Art festgelegt haben; sie sind unfähig, denselben Geist in einer anderen Form zu erkennen und verstehen nicht, dass eine andere Strasse zu dem- . selben Ziel führen kann. Diese Schwierigkeit wird noch durch die Tatsache gesteigert, dass die weiter entwickelten Vertreter des idealistischen Typs dazu neigen, extrem individualistisch zu sein. Dadurch befinden sie sich in direkter Opposition zu der Bewegung, die in Richtung auf organisierte Kooperation zielt.

Die Situation wird durch den Umstand erschwert, dass die ersten Anstrengungen eines neuen Zivilisationstyps, einer
neuen Kultur oder Bewegung, neue Formen zu kreieren, unvermeidlicherweise ungeschliffen, ungeschickt oder geradezu barbarisch ausfallen. In der technischen Welt ist dies offensichtlich, man denke nur an die ersten Autos oder wie die ersten Grammophone getönt haben. Das gleiche gilt auch für alle anderen Bereiche menschlicher Aktivitäten. Es ist ungerecht, vergangene Epochen mit der heutigen zu vergleichen, die damals noch unbeholfenen Manifestationen und ersten blinden Versuche mit den ungeduldigen Uebertreibungen einer völlig neuen Lebensweise.
 
Eines der schwierigsten Probleme, das sogar als das zentrale Problem der Zukunft der Menschheit betrachtet werden kann, ist der harmonische Ausgleich zwischen den folgenden Bestrebungen: der Freiheit und Verantwortlichkeit des Individuums, insbesondere beim Ausdruck seiner Ideen und Ideale und der wachsenden Tendenz das Individuum in Gruppen zu integrieren, deren Dimensionen sich stetig ausweiten. Die gegenseitige Abhängigkeit von allem mit allem - nicht nur im lokalen, provinziellen oder nationalen, sondern im kontinentalen und weltweiten Massstab _ erweitert den Aktionsradius und den Einfluss jedes einzelnen Individuums auf unermessliche Art und Weise. Andererseits bürden uns diese neuen Dimensionen notwendigerweise wachsende Begrenzungen und Einschränkungen auf. Wahrscheinlich wird es etliche mehr oder weniger heftige Pendelbewegungen zwischen dem Individualismus und der gruppenzentrierten Organisation geben, bis eine Lösung gefunden sein wird und bevor - genauer gesagt irgendein Kompromiss allgemein akzeptiert und befolgt wird.

Die persönlichen Qualitäten des organisatorischen Typs sind neben dem Hang zum Ordnen: Aufmerksamkeit für Details, Genauigkeit, Geduld, Beharrlichkeit, Höflichkeit und auf der mentalen Ebene ein klares Denken und Objektivität.

Die Beschäftigungen, die für diesen Typ in Frage kommen, umfassen einen sehr breiten Einsatzbereich und eine geradezu phantastische Vielfalt. Sie schliessen den höchsten Priester, der eine prachtvolle religiöse Prozession anführt ebenso ein wie die Krankenschwester, die in regelmässigen Abständen einem Patienten den Puls fühlt, die Temperatur misst, die Werte sorgfältig in ein Kontrollblatt einträgt und die Anordnungen des Arztes für ihn überwacht. Dazu gehört auch der aufrichtig an den kniffligen Fragen des Präzedenzrechts interessierte Gerichtskämmerer und der harte Sporttrainer, der dem Team ein regelmässiges Übungsprogramm auferlegt. Da ist der energische Kommandeur einer Armee, der es mit seiner Organisationsfähigkeit ermöglicht, dass die Soldaten an der vordersten Front frisches Brot und heissen Kaffee zur Verfügung haben und der gebildete Sprachwissenschaftler, der geduldig versucht, dem lebendigen Körper einer Sprache das Korsett einer künstlichen, grammatikalischen Regelstruktur anzupassen und dabei ein grosse Anzahl von Ausnahmen akzeptieren muss.

Dann ist da der Archivar, der beabsichtigt, die fieberhaften Aktivitäten seiner Gesellschaft in endlosen vielfarbigen Aktenordnern übersichtlich und präzise zu dokumentieren sowie der Erfinder der Regeln eines neuen Kartenspiels – und viele andere.

Ein tieferes Verständnis dieses Typs und seines unschätzbaren Beitrags zum Fortschritt der Menschheit während der Jahrhunderte und insbesondere in der Gegenwart,
kann man durch das Wissen um seine hauptsächliche Funktion erzielen. Wir können sie als » das Durchsetzen richtiger Beziehungen« bezeichnen. Diese Bezeichnung hat eine tiefere Bedeutung und eine umfassendere Tragweite, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Richtige Beziehungen unter Objekten oder lebenden Geschöpfen durchzusetzen, die bisher in keinerlei Beziehung zueinander standen oder in unbefriedigenden oder unstimmigen Beziehungen, ist zugleich die Grundlage und die Konsequenz jedes Syntheseprozesses. So eine Funktion der Regulierung -und Koordinierung kann in allen Fällen des Lebens, sowohl des menschlichen als auch des nicht-menschlichen gefunden werden. Sie scheint einer der grundlegenden Prozesse des Universums zu sein. Bei der Betrachtung der Aspekte, die uns näherliegen und wichtiger für uns sind, können wir feststellen, dass das Durchsetzen richtiger Beziehungen in zwei Hauptrichtungen zu wirken scheint:

1. Horizontal durch die harmonische Koordination einer wachsenden Anzahl von Einheiten, die sich mehr oder weniger gleichen und auf derselben Ebene der Existenz wirken. Dies schliesst alle Probleme der Wechselbeziehungen und sozialen Kooperation unter Menschen und Gruppen von Menschen ein.




2. Vertikal durch die harmonische wechselseitige Einwirkung zwischen Teilen und Kräften, die auf unterschiedlichen Ebenen wirken wie beispielsweise der Körper, die Gefühlsnatur, der Verstand und das transpersonale Selbst.


Es gibt aber noch eine dritte Richtung, in welcher richtige Beziehungen hergestellt werden sollten - in der Dimension der Zeit. Der zeitliche Wechsel zwischen Aktivität und Pas-
sivität, Spannung und Entspannung und die richtige Reihenfolge der verschiedenen Tätigkeiten, die auf ein Ziel gerichtet sind, sind wesentlich für das Leben von Organismen; für das Leben eines jeden Menschen und jeder Art menschlicher Organisation. Dieser „vitale Rhythmus“, wie er treffend genannt wird, erfordert ein tiefgründiges Verständnis der Zeit, der Natur und der Funktionen von Zyklen.

Die Unterscheidung zwischen den unterschiedlichen Ebenen oder Richtungen von Beziehungen sollte nicht als absolut betrachtet werden. In der Realität des Lebens erfordert erfolgreiche Anpassung richtige Beziehungen in verschiedenen Richtungen, aber oft gewinnt eine die Oberhand. Dies wird klar werden, wenn wir es auf die Psychosynthese anwenden. Die Psychosynthese eines Menschen ist zuallererst eine persönliche Notwendigkeit und die Grundlage für alle seine sozialen Kontakte. Ein Mensch, der innerlich gespalten ist, trägt seine inneren Konflikte und unzureichende Anpassungsfähigkeit in alle Beziehungen mit anderen hinein.

Selbst, der Psyche ( verstanden als der Gesamtheit aller subjektiven Prozesse) und dem Körper. Dies beinhaltet unterschiedliche Aspekte der Psychologie, das Studium der Probleme, die mit dem psychologischen Ursprung von Erkrankungen zusammenhängen und der Praxis der Psychotherapie. Alle diese Funktionen sollten nicht so gesehen werden, als gehörten sie ausschliesslich zum organisatorischen Typ, aber er hat sicherlich eine angeborene Fähigkeit und breite Möglichkeiten, sie in all den erwähnten Bereichen zu leisten.

Das isolierte Individuum ist nur eine Abstraktion. Vom Beginn des Lebens an hat jeder vitale Beziehungen mit anderen. Deshalb muss sich jeder Mensch in der Praxis ununterbrochen in den Beziehungen zu anderen mit seinen inneren Problemen befassen. Üblicherweise geschieht das unbewusst, blind und in einer undisziplinierten Art und Weise, mit all den verheerenden Konsequenzen des Unglücklichseins und der Spaltung im Familienleben, der Konflikte zwischen den sozialen Klassen und der Kriege zwischen Nationen.
Die psychosynthetischen Aufgaben des organisatorischen Typs sind sehr klar. Um die Gefahr zu vermeiden, sich zu sehr mit den formalen Aspekten all seiner Aktivitäten zu identifizieren und dadurch zu ihrem Gefangenen zu werden, sollte er fortwährend versuchen, sich der vitalen Aspekte bewusst zu bleiben. Er sollte sich vorrangig an das Ziel seiner organisierten Tätigkeit erinnern. Die Organisation sollte immer so gelenkt werden, dass sie dem Zweck dient. In anderen Worten, der organisatorische Typ sollte sich immer klar des Unterschieds bewusst sein zwischen einem lebenden Organismus und einer toten Organisation, die nur noch sich selbst zum Ziel hat.

Einer der wissenschaftlichen Aspekte der richtigen Beziehungen ist der wechselseitige Einfluss zwischen dem Selbst, der Psyche (verstanden als der Gesamtheit aller subjektiven Prozesse) und dem Körper. Dies beinhaltet unterschiedliche Aspekte der Psychologie, das Studium der Probleme, die mit dem psychologischen Ursprung von Erkrankungen zusammenhängen und der Praxis des Psychotherapie. Alle diese Funktionen sollten nicht so gesehen werden, als gehörten sie ausschliesslich zum organisatorischen Typ, aber er hat sicherlich eine angeborene Fähigkeit und breite Möglichkeiten, sie in all den erwähnten Bereichen zu leisten.

Die psychosynthetischen Aufgaben des organisatorischen Typs sind sehr klar. Um die Gefahr zu vermeiden, sich zu sehr mit den formalen Aspekten all seiner Aktivitäten zu identifizieren und dadurch zu ihrem Gefangenen zu werden, sollte er fortwährend versuchen, sich der vitalen Aspekte bewusst zu bleiben. Er sollte sich vorrangig an das Ziel seiner organisierten Tätigkeit erinnern. Die Organisation sollte immer so gelenkt werden, dass sie dem Zweck dient. In anderen Worten, der organisatorische Typ sollte sich immer klar des Organismus und einer toten Organisation, die nur noch sich selbst zum Ziel hat.

Um die Folgen seiner Neigung zu neutralisieren, zu praktisch und objektiv zu sein und konkrete und sichtbare Resultate überzubetonen - die dann sublimiert werden müssen - sollte er die Qualitäten des liebes- und des idealistischen Typs wirksam kultivieren. Er sollte so handeln, dass sein Motiv immer liebevoller Dienst und das wahre Wohl aller Menschen ist. Seine Methoden sollten frei sein von übertriebener Dienstfertigkeit und Starrheit. Sein Ideal der Koordination und Synthese, das er in der Aussenweit in ausgedehntem Masse zur Schau zu stellen geneigt ist, sollte er zuallererst auf sich selbst anwenden um seine eigene Psychosynthese zu vollenden, sei es auf der persönlichen oder transpersonalen Ebene. Wenn er das tut, kann seine Organisationsfähigkeit eine grosse Hilfe sein und er kann sein Ziel mit grösserer Leichtigkeit erreichen als die Vertreter der anderen Typen. Gleichzeitig wird er sehr nützliche Lektionen lernen, die er dann mit grossem Nutzen in seiner Arbeit einsetzen kann. Tatsächlich kann er fortlaufend interessante Analogien zwischen diesen beiden Bereichen entdecken.
 
Die 7 Grundtypen - Die Beschreibung der 7 Grundtypen ist identisch mit den astrologischen 7 Strahlen! Der Text ist mit ausdrücklicher Erlaubnis von Louise Huber freigegeben! :danke: Sehr ausführlich das ganze und sicher für viele astrologisches Neuland, da die 7 Strahlen eine andere Herangehensweise in sich tragen.

Alles liebe!

Arnold
 
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ausgzeichnete lektüre.

ich gehöre zu der schüchternen sorte die gewalttätig wirken, schüchtern wenn es um gefühle geht, die manche als positiv erachten.

Ich genoss es lange das leute schiss vor mir bekamen wenn ich erbost war, später musste ich nichtmehr erbost sein um dies zu bewirken, sondern es schlug sich offenbar in der ausstrahlung nieder.

heute frage ich warum se schiss haben wenn es zu einem gespräch kommt, aber sie können nicht sagen warum ich wirke, wie ein Englischer Hooligan wie es zuletzt im Krankenhaus hieß.

Zeitweise machte mich das sogar geil wenn die Leute schiss vor mir hatten, nicht indem sinne; jetzt hab ich voll bock dich zu ficken, sondern eher im sinne von Macht und nicht mehr angreifbar zu sein, nicht selten wenn ich einen Kampf gewann und der Gegner am Boden lag, sagte ich; ich bin Dein Gott,...weil er von meiner Gnade abhängig war, wie einst der Kinderficker von dem erzählte bei der zweiten begegnung.

Mit all dem ging einher das ich heulende menschen nicht austehen konnte obwohl ich als Kind selbst oft heimlich geheult hab, insofern kam ich dahingehend zu der selben schlussfolgerung wie Du, jedoch noch nicht so ausführlich wie du es darlegst.

mein pluto wehrt sich vehement dies zu schreiben und macht mich sogar bisl aggro während ich diese zeilen schreibe.

... hat sich mit der Zeit halt alles so entwickelt.
Weil auf den schüchternen, eher Introvertierten ... gerne "geworfen" wird,... bekommen sie; wenn das fass übergelaufen ist, von nem schüchternen aufs maul, haben sie es doch immer gewusst das mit dem was nicht stimmt und dann kommt wohl auch die überkompensation ins Spiel weil ich persönlich mir dann sage; jetzt erst recht, dann haben sie einen feind ... und sind so blind das sie nichtmal wissen warum aus fehlender reflektion über Ihre taten ... und sich in unschuld baden, manchmal kommen sogar ausflüchte wie, sie hätten doch nur regeln befolgt selbst wenn diese regeln kriminell sind, dass Deutsche Volk hat damit sogar den Zweiten Weltkrieg im nachhinein gerechtfertigt.

Insofern betrachte ich jeden Menschen als Feind bis er eine reihe von tests durchlaufen hat und entweder bestanden oder durchgefallen ist.

Und du hast vollkommen recht die anständig wirkenden sind die schlimmsten sadisten, ich habs oft schon gepredigt ... ich werde erst unbequem wenn man mir ans Bein pisst oder Obrigkeitshörig ist, denn die obrigkeitshörigen und patrioten sind und waren die schlimmsten Mörder, die es auszurotten gilt.

Hier würde die Licht und liebe fraktion wieder sagen dann ist man ja selbst ein Mörder,...aber dem ist nicht so ... denn wer eigenständiges denken und handeln aufgibt um sich einer "funktion" hinzugeben ist nur noch eine Sache, demnach kann hier dann auch nur von Sachbeschädigung die rede sein.
Die Politiker wissen das und sehen es, vielleicht auch unbewusst, ganz ähnlich nur von der Macht komponente aus betrachtet, denn sonst würden sich Mörder nicht über Mörder aufregen, wenn sie Ihre für eigene taten keine rechtfertigung parat hätten.
Genau wie sich Gauner furchtbar über Gauner aufregen können, und strafen fordern höher als jeder Staatsanwalt sag ich Dir.

welchen strahl hab ich?

07.09.1976 08:17 hamburg
 
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Hallo Arnold,

schaust du auch noch was ich für einen Strahl hab ?

30.1.60 D Berlin 00.01

:danke: für deine Mühe

Alles Liebe
flimm
 
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