Arnold
Sehr aktives Mitglied
Typologie der Psychosynthese
Die 7 Grundtypen
Roberto Assagioli
Einleitung
Die praktische Bedeutung einer Typenlehre liegt in ihrer Anwendung auf uns selbst, nämlich dem Versuch, uns selbst und andere einzuordnen, was eine ebenso interessante wie nützliche Übung sein kann, um unsere psychologische Wahrnehmung zu schärfen. Doch entdecken wir bei diesem Unterfangen bald, dass die Einordnung bei einigen Menschen leicht gelingt, während wir bei anderen zögern, zweifeln und schliesslich, wenn wir sie einmal eingeordnet haben, uns gedrängt fühlen, unsere Meinung nochmals zu überprüfen. Diesem Problem liegen verschiedene Ursachen zugrunde, es empfiehlt sich, diesen nachzugehen, um die Betreffenden hernach besser zu verstehen.
Zunächst gibt es Menschen, die sich jeglichem Einordnungsversuch zu entziehen scheinen. Sie gehören wiederum zwei Untergruppen an: die eine setzt sich aus weniger gut integrierten Individuen zusammen, die man auch als gleichgültig bezeichnen könnte, was den Ausdruck der in ihnen ruhenden Fähigkeiten betrifft, während die andere Gruppe aus hochentwickelten Menschen besteht, die sehr vielseitig und gewandt sind und in den verschiedenen Aspekten ihrer Persönlichkeit eine fortgeschrittene Stufe erreicht haben.
Ferner können auch Lebensumstände oder ein besonderes Erlebnis den Grundtyp einer Person zeitweilig überdecken und den Eindruck vermitteln, der Betreffende gehöre einem anderen Typ an, etwa wenn ein wissenschaftlicher Denktyp sich gerade einmal verliebt hat (auch der trockenste Wissenschaftler ist dagegen nicht gefeit). Diese Tatsache erweckt dann den Anschein, er gehöre dem Typ des Liebenden an und ruft somit einen Klassifikationsfehler hervor.
Ein weiterer Grund für einen Irrtum ist interessanter, weil er aus einem fundamentalen Prinzip unserer psychischen Funktion erwächst, das in seiner Manifestation ein Naturgesetz ist. Es hat mit dem zu tun, was wir mit Kompensieren und Überkompensieren bezeichnen.
Die medizinische Wissenschaft hat entdeckt, dass der Körper über geradezu wunderbare Selbstregulationskräfte und Kompensationsmechanismen verfügt, welche immer danach streben, die Harmonie und das Gleichgewicht der physischen Funktionen und Zustände aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Als Beispiel sei hier die geniale Methode genannt, wie der Körper durch Ausweitung und Verengung von Blutgefässen sowie durch den Atmungsvorgang eine gleichmässige Körpertemperatur aufrechterhält, auch bei grossen Schwankungen der Aussentemperatur. Ein weiteres Beispiel ist die komplizierte, gegenseitige Beeinflussung der endokrinen Drüsen, deren wohlregulierte dynamische Balance der Gegensätze physisches Leben erst möglich macht.
Dasselbe Prinzip ist nun auch in unserem psychischen Leben wirksam und sorgt dafür, dass Übertreibungen und Unregelmässigkeiten ausgeglichen werden, indem die Gegenelemente und Ergänzungskräfte zum jeweils dominanten Hauptelement wachgerufen werden. Aus verschiedenen Gründen jedoch funktionieren diese Kräfte der Selbstregulation und des Ausgleichs sowohl im physischen wie im psychischen Leben nicht immer richtig. Manchmal ist die Reaktion zu gering, manchmal übertrieben. Im letzteren Fall sprechen wir von Überkompensation. Tatsächlich neigen wir oftmals dazu, gerade die Qualität zu schätzen, die uns fehlt.
Zwei berühmte Beispiele von Überkompensation seien hier genannt: Nietzsche (7 565 (656) 2) und Tolstoi (6 226 (116) 1). Nietzsche hatte ursprünglich eine sensitive, leidenschaftliche aber eher schwächere Natur. In seinen forcierten Bemühungen, über seine natürlichen Schwächen und Begrenzungen hinauszuwachsen, mass er dem Faktor Kraft und dem Wert eines strengen und unbeugsamen Willens eine solch übertriebene Bedeutung bei, dass er schlussendlich Grausamkeit rechtfertigt. Bei Tolstoi ist es das entgegengesetzte Extrem: von Natur ein Mensch mit grosser Vitalität, impulsiv und heftig, voller Instinkte sowie grosser Liebe zur Schönheit und körperlicher Harmonie versuchte er sich zu beherrschen und im Kampf gegen seine übersprudelnde Kraftnatur wir lesen darüber in seinem Tagebuch, einem menschlichen und psychologischen Dokument von hohem Wert gelangte er zur Verherrlichung der Widerstandslosigkeit gegenüber dem Unheil, wie auch des Zölibats, schliesslich gar zur Geringschätzung aller Kunst und der totalen Verdammung der modernen Zivilisation.
Ausser diesen beiden wohlbekannten Beispielen haben wir eine Vielzahl von Fällen, wo halb erheiternd, halb bestürzend schwache, schüchterne und erfolglose Männer so tun, als hätten sie die Qualitäten Napoleons. Diese Überkompensation lassen sich oft im äusseren Verhalten und Benehmen ablesen. Wohlvertraut sind uns schüchterne Menschen, die sich arrogant und aggressiv gebärden eine Gegenreaktion zu ihrer eigentlichen Wesensart. Weniger bekannt dürfte der Fall jener sein, die sich schüchtern und unschlüssig geben, aber im Grunde genommen recht gewalttätige Individuen sind. Aus Angst, ihr explosives Wesen nicht zügeln zu können, unterdrücken sie es und verstecken es hinter unterwürfig sanften Manieren. Ähnlich liegt der Fall bei den übermässig gefühlsbetonten Typen, die mit Gewalt ihre Gefühle unterdrücken und sich kühl und unempfindlich geben.
Nachdem wir herausgefunden haben, welchem Typ wir angehören, müssen wir uns dem ebenso praktischen wie spirituellen Problem stellen, wie wir das erworbene Wissen zur Selbstverwirklichung einsetzen.
Die Aufgaben, die jedem der psychologischen Typen gestellt sind, lassen sich in drei Begriffe fassen:
1. Ausdruck 2. Kontrolle 3. Harmonisierung
1. Ausdruck
Zunächst einmal gilt es, den Typ, dem wir angehören, innerlich zu akzeptieren. Das heisst nicht, dass wir passiv und unbewusst unseren eigenen Charakter einfach als gegeben hinnehmen, ohne Selbsterkenntnis oder irgendeinen Versuch zu eigener Entwicklung, wie man es bei der grossen Masse jener beobachten kann, die sich einfach treiben lassen. Es geht vielmehr um eine bewusste und bereitwillige Einsichtnahme in die Veranlagungen unseres Typs und das, was er uns lehren kann. Wir sollten seine Chancen, seine Gefährdungen und nicht zuletzt die Art der Hilfe erkennen, die er beinhaltet. Es geht um ein offenes, erhellendes Akzeptieren der Einsicht, dass wir durch weisen Gebrauch unserer vorhandenen Qualitäten über deren Begrenzungen hinausgelangen. Das ist nicht möglich, wenn wir unseren Typ gar nicht erkennen oder ihn abwerten, ihm ausweichen und an ihm vorbeileben, wie so viele es bewusst oder unbewusst tun, indem sie andere Typen nachmachen oder die Begrenztheiten des eigenen Typs durch Überkompensation korrigieren. Unsere Hauptaufgabe besteht also darin, unseren Typ möglichst rein und hochentwickelt zum Ausdruck zu bringen.
2. Beherrschung
Die zweite Aufgabe, vor der wir stehen, ist sodann die Beherrschung und Korrektur von Auswüchsen und Übertreibungen des psychologischen Typs, dem wir angehören. Wir alle neigen dazu, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen und machen gern im alten Trott des gewohnten Ausdrucks unserer schon entwickelten Eigenschaften weiter. Das kann angenehm und zweckmässig sein und als positive Lebensweise empfunden werden. Verharren wir aber zu sehr in ausgefahrenen Gleisen, führt das mit der Zeit zu Disharmonie und einseitiger Entwicklung. Dadurch wird aber das höchste Evolutionsziel verfehlt, das darin besteht, ganzheitliche Persönlichkeiten zu schaffen, die all ihre Fähigkeiten auf allen Ebenen entwickelt haben.
Wir können hier sogar noch weitergehen und sagen: Wenn ein einzelner Aspekt unseres Wesens übermässig entwickelt ist, gelangt man an einen Punkt, wo der Ausdruck seiner eigenen Qualitäten unmöglich wird. Wenn beispielsweise ein Wissenschaftler seinen Typ einseitig betont und die gedankliche Aktivität eine solche Monopolstellung in seinem Leben einnimmt, dass seine Gefühlsnatur dabei verkümmert und er an seinem Körper Raubbau treibt, bis sich dessen Kräfte erschöpfen, wird auch schliesslich seine Denkfähigkeit schwinden. Das lässt sich im Prinzip auf alle anderen psychologischen Typen übertragen, weshalb es nötig ist, die vorherrschende Qualität bewusst zu kontrollieren und innerhalb gewisser Grenzen zu halten.
Das ist keine leichte Aufgabe, kann öfters sogar recht unangenehm sein und manchmal innere Widerstände hervorrufen. Doch das Leben mit seinen Begrenzungen und unbeugsamen Forderungen führt uns oft zu einer mehr oder weniger anhaltenden und vollständigen Kontrolle unseres psychologischen Typs. Wenn dies geschieht, brauchen wir uns nicht zu ängstigen, bedrückt zu fühlen oder gegen die Umstände anzukämpfen. Die rechte Haltung ist hier ein weises Akzeptieren, gegründet auf das Wissen um die Realität des Lebens und auf das Verständnis seiner Gerechtigkeit und seiner wohlwollenden Zielsetzung. Wir können uns dadurch auf eine sanftere und verständnisvollere Art disziplinieren.
3. Harmonisierung
Diese dritte Aufgabe, die oftmals Hand in Hand geht mit den schon erwähnten, besteht darin, die noch unentwickelten Fähigkeiten in unserem gegenwärtigen psychischen Rahmen zu kultivieren. Das mag uns ebenfalls unangenehm sein und zu Abwehrreaktionen führen. Das geschieht beispielsweise einem Künstlertyp, wenn er gezwungen ist, praktische Arbeit zu leisten oder wenn sensitive Typen in hässlichen Umgebungen leben müssen, usw. Auch hier gilt es, eine lebensnotwendige Lektion zu lernen: Je mehr man bereitwillig und bewusst diese Aufgabe annimmt, desto schneller erreichen wir die Befreiung von den Schwierigkeiten der Situation. Haben wir das Lernziel erreicht, besteht für sein Weiterbestehen tatsächlich kein Grund mehr.
Es gibt vielfältige Mittel, um diese Aufgaben des Zurücknehmens von Übertreibungen und Auswüchsen einerseits und der Entfaltung fehlender Elemente andererseits zu meistern. Es ist vor allem eine Sache des Willens in seinen verschiedenen Ausdrucksformen: Entscheidungsfähigkeit, Zielgerichtetheit, Beharrungsvermögen und Meisterschaft.
Eine leichtere Erfüllung der beschriebenen Aufgaben kann durch aktive und gewinnbringende Beziehungen mit unterschiedlichen Persönlichkeitstypen ermöglicht werden. Das Leben selbst organisiert oft die Gelegenheit dafür. Genauer gesagt ist es das Gesetz der Polarität. Gegensätze ziehen sich an. (Ein offensichtliches Beispiel dafür ist die Anziehung der Geschlechter, wobei nicht nur die physische Ebene betroffen ist.) In diesem Zusammenhang sind Freundschaften und sonstige Kontakte zwischen Angehörigen verschiedener Persönlichkeitstypen segensreich und fruchtbar.
Wir alle sollten daher die Gesellschaft andersgearteter Typen bevorzugen. So sollte beispielsweise jemand, der dem wissenschaftlichen Typ angehört, Freundschaft mit dem Künstlertyp schliessen und sich für dessen Arbeit interessieren, oder ein Praktiker sollte in gemeinsamen Mussestunden den Umgang mit einem intellektuellen oder künstlerischen Typ pflegen. Das ist eine leichte und akzeptable Art, unsere latenten Fähigkeiten zu entwickeln und Einseitigkeiten sowie Begrenzungen unseres eigenen Typs auszugleichen.
Wissen, Verständnis und der weise Gebrauch kontrastierender Elemente sind Grundprinzipien nicht nur beim Malen und Musizieren, sondern auch in der Kunst des Lebens. Jeder von uns kann und muss aus dem lebendigen Material seiner Persönlichkeit sei dieses Silber, Marmor oder Gold etwas Schönes gestalten, das sein Höheres Selbst angemessen ausdrückt.
Die 7 Grundtypen
Roberto Assagioli
Einleitung
Die praktische Bedeutung einer Typenlehre liegt in ihrer Anwendung auf uns selbst, nämlich dem Versuch, uns selbst und andere einzuordnen, was eine ebenso interessante wie nützliche Übung sein kann, um unsere psychologische Wahrnehmung zu schärfen. Doch entdecken wir bei diesem Unterfangen bald, dass die Einordnung bei einigen Menschen leicht gelingt, während wir bei anderen zögern, zweifeln und schliesslich, wenn wir sie einmal eingeordnet haben, uns gedrängt fühlen, unsere Meinung nochmals zu überprüfen. Diesem Problem liegen verschiedene Ursachen zugrunde, es empfiehlt sich, diesen nachzugehen, um die Betreffenden hernach besser zu verstehen.
Zunächst gibt es Menschen, die sich jeglichem Einordnungsversuch zu entziehen scheinen. Sie gehören wiederum zwei Untergruppen an: die eine setzt sich aus weniger gut integrierten Individuen zusammen, die man auch als gleichgültig bezeichnen könnte, was den Ausdruck der in ihnen ruhenden Fähigkeiten betrifft, während die andere Gruppe aus hochentwickelten Menschen besteht, die sehr vielseitig und gewandt sind und in den verschiedenen Aspekten ihrer Persönlichkeit eine fortgeschrittene Stufe erreicht haben.
Ferner können auch Lebensumstände oder ein besonderes Erlebnis den Grundtyp einer Person zeitweilig überdecken und den Eindruck vermitteln, der Betreffende gehöre einem anderen Typ an, etwa wenn ein wissenschaftlicher Denktyp sich gerade einmal verliebt hat (auch der trockenste Wissenschaftler ist dagegen nicht gefeit). Diese Tatsache erweckt dann den Anschein, er gehöre dem Typ des Liebenden an und ruft somit einen Klassifikationsfehler hervor.
Ein weiterer Grund für einen Irrtum ist interessanter, weil er aus einem fundamentalen Prinzip unserer psychischen Funktion erwächst, das in seiner Manifestation ein Naturgesetz ist. Es hat mit dem zu tun, was wir mit Kompensieren und Überkompensieren bezeichnen.
Die medizinische Wissenschaft hat entdeckt, dass der Körper über geradezu wunderbare Selbstregulationskräfte und Kompensationsmechanismen verfügt, welche immer danach streben, die Harmonie und das Gleichgewicht der physischen Funktionen und Zustände aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Als Beispiel sei hier die geniale Methode genannt, wie der Körper durch Ausweitung und Verengung von Blutgefässen sowie durch den Atmungsvorgang eine gleichmässige Körpertemperatur aufrechterhält, auch bei grossen Schwankungen der Aussentemperatur. Ein weiteres Beispiel ist die komplizierte, gegenseitige Beeinflussung der endokrinen Drüsen, deren wohlregulierte dynamische Balance der Gegensätze physisches Leben erst möglich macht.
Dasselbe Prinzip ist nun auch in unserem psychischen Leben wirksam und sorgt dafür, dass Übertreibungen und Unregelmässigkeiten ausgeglichen werden, indem die Gegenelemente und Ergänzungskräfte zum jeweils dominanten Hauptelement wachgerufen werden. Aus verschiedenen Gründen jedoch funktionieren diese Kräfte der Selbstregulation und des Ausgleichs sowohl im physischen wie im psychischen Leben nicht immer richtig. Manchmal ist die Reaktion zu gering, manchmal übertrieben. Im letzteren Fall sprechen wir von Überkompensation. Tatsächlich neigen wir oftmals dazu, gerade die Qualität zu schätzen, die uns fehlt.
Zwei berühmte Beispiele von Überkompensation seien hier genannt: Nietzsche (7 565 (656) 2) und Tolstoi (6 226 (116) 1). Nietzsche hatte ursprünglich eine sensitive, leidenschaftliche aber eher schwächere Natur. In seinen forcierten Bemühungen, über seine natürlichen Schwächen und Begrenzungen hinauszuwachsen, mass er dem Faktor Kraft und dem Wert eines strengen und unbeugsamen Willens eine solch übertriebene Bedeutung bei, dass er schlussendlich Grausamkeit rechtfertigt. Bei Tolstoi ist es das entgegengesetzte Extrem: von Natur ein Mensch mit grosser Vitalität, impulsiv und heftig, voller Instinkte sowie grosser Liebe zur Schönheit und körperlicher Harmonie versuchte er sich zu beherrschen und im Kampf gegen seine übersprudelnde Kraftnatur wir lesen darüber in seinem Tagebuch, einem menschlichen und psychologischen Dokument von hohem Wert gelangte er zur Verherrlichung der Widerstandslosigkeit gegenüber dem Unheil, wie auch des Zölibats, schliesslich gar zur Geringschätzung aller Kunst und der totalen Verdammung der modernen Zivilisation.
Ausser diesen beiden wohlbekannten Beispielen haben wir eine Vielzahl von Fällen, wo halb erheiternd, halb bestürzend schwache, schüchterne und erfolglose Männer so tun, als hätten sie die Qualitäten Napoleons. Diese Überkompensation lassen sich oft im äusseren Verhalten und Benehmen ablesen. Wohlvertraut sind uns schüchterne Menschen, die sich arrogant und aggressiv gebärden eine Gegenreaktion zu ihrer eigentlichen Wesensart. Weniger bekannt dürfte der Fall jener sein, die sich schüchtern und unschlüssig geben, aber im Grunde genommen recht gewalttätige Individuen sind. Aus Angst, ihr explosives Wesen nicht zügeln zu können, unterdrücken sie es und verstecken es hinter unterwürfig sanften Manieren. Ähnlich liegt der Fall bei den übermässig gefühlsbetonten Typen, die mit Gewalt ihre Gefühle unterdrücken und sich kühl und unempfindlich geben.
Nachdem wir herausgefunden haben, welchem Typ wir angehören, müssen wir uns dem ebenso praktischen wie spirituellen Problem stellen, wie wir das erworbene Wissen zur Selbstverwirklichung einsetzen.
Die Aufgaben, die jedem der psychologischen Typen gestellt sind, lassen sich in drei Begriffe fassen:
1. Ausdruck 2. Kontrolle 3. Harmonisierung
1. Ausdruck
Zunächst einmal gilt es, den Typ, dem wir angehören, innerlich zu akzeptieren. Das heisst nicht, dass wir passiv und unbewusst unseren eigenen Charakter einfach als gegeben hinnehmen, ohne Selbsterkenntnis oder irgendeinen Versuch zu eigener Entwicklung, wie man es bei der grossen Masse jener beobachten kann, die sich einfach treiben lassen. Es geht vielmehr um eine bewusste und bereitwillige Einsichtnahme in die Veranlagungen unseres Typs und das, was er uns lehren kann. Wir sollten seine Chancen, seine Gefährdungen und nicht zuletzt die Art der Hilfe erkennen, die er beinhaltet. Es geht um ein offenes, erhellendes Akzeptieren der Einsicht, dass wir durch weisen Gebrauch unserer vorhandenen Qualitäten über deren Begrenzungen hinausgelangen. Das ist nicht möglich, wenn wir unseren Typ gar nicht erkennen oder ihn abwerten, ihm ausweichen und an ihm vorbeileben, wie so viele es bewusst oder unbewusst tun, indem sie andere Typen nachmachen oder die Begrenztheiten des eigenen Typs durch Überkompensation korrigieren. Unsere Hauptaufgabe besteht also darin, unseren Typ möglichst rein und hochentwickelt zum Ausdruck zu bringen.
2. Beherrschung
Die zweite Aufgabe, vor der wir stehen, ist sodann die Beherrschung und Korrektur von Auswüchsen und Übertreibungen des psychologischen Typs, dem wir angehören. Wir alle neigen dazu, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen und machen gern im alten Trott des gewohnten Ausdrucks unserer schon entwickelten Eigenschaften weiter. Das kann angenehm und zweckmässig sein und als positive Lebensweise empfunden werden. Verharren wir aber zu sehr in ausgefahrenen Gleisen, führt das mit der Zeit zu Disharmonie und einseitiger Entwicklung. Dadurch wird aber das höchste Evolutionsziel verfehlt, das darin besteht, ganzheitliche Persönlichkeiten zu schaffen, die all ihre Fähigkeiten auf allen Ebenen entwickelt haben.
Wir können hier sogar noch weitergehen und sagen: Wenn ein einzelner Aspekt unseres Wesens übermässig entwickelt ist, gelangt man an einen Punkt, wo der Ausdruck seiner eigenen Qualitäten unmöglich wird. Wenn beispielsweise ein Wissenschaftler seinen Typ einseitig betont und die gedankliche Aktivität eine solche Monopolstellung in seinem Leben einnimmt, dass seine Gefühlsnatur dabei verkümmert und er an seinem Körper Raubbau treibt, bis sich dessen Kräfte erschöpfen, wird auch schliesslich seine Denkfähigkeit schwinden. Das lässt sich im Prinzip auf alle anderen psychologischen Typen übertragen, weshalb es nötig ist, die vorherrschende Qualität bewusst zu kontrollieren und innerhalb gewisser Grenzen zu halten.
Das ist keine leichte Aufgabe, kann öfters sogar recht unangenehm sein und manchmal innere Widerstände hervorrufen. Doch das Leben mit seinen Begrenzungen und unbeugsamen Forderungen führt uns oft zu einer mehr oder weniger anhaltenden und vollständigen Kontrolle unseres psychologischen Typs. Wenn dies geschieht, brauchen wir uns nicht zu ängstigen, bedrückt zu fühlen oder gegen die Umstände anzukämpfen. Die rechte Haltung ist hier ein weises Akzeptieren, gegründet auf das Wissen um die Realität des Lebens und auf das Verständnis seiner Gerechtigkeit und seiner wohlwollenden Zielsetzung. Wir können uns dadurch auf eine sanftere und verständnisvollere Art disziplinieren.
3. Harmonisierung
Diese dritte Aufgabe, die oftmals Hand in Hand geht mit den schon erwähnten, besteht darin, die noch unentwickelten Fähigkeiten in unserem gegenwärtigen psychischen Rahmen zu kultivieren. Das mag uns ebenfalls unangenehm sein und zu Abwehrreaktionen führen. Das geschieht beispielsweise einem Künstlertyp, wenn er gezwungen ist, praktische Arbeit zu leisten oder wenn sensitive Typen in hässlichen Umgebungen leben müssen, usw. Auch hier gilt es, eine lebensnotwendige Lektion zu lernen: Je mehr man bereitwillig und bewusst diese Aufgabe annimmt, desto schneller erreichen wir die Befreiung von den Schwierigkeiten der Situation. Haben wir das Lernziel erreicht, besteht für sein Weiterbestehen tatsächlich kein Grund mehr.
Es gibt vielfältige Mittel, um diese Aufgaben des Zurücknehmens von Übertreibungen und Auswüchsen einerseits und der Entfaltung fehlender Elemente andererseits zu meistern. Es ist vor allem eine Sache des Willens in seinen verschiedenen Ausdrucksformen: Entscheidungsfähigkeit, Zielgerichtetheit, Beharrungsvermögen und Meisterschaft.
Eine leichtere Erfüllung der beschriebenen Aufgaben kann durch aktive und gewinnbringende Beziehungen mit unterschiedlichen Persönlichkeitstypen ermöglicht werden. Das Leben selbst organisiert oft die Gelegenheit dafür. Genauer gesagt ist es das Gesetz der Polarität. Gegensätze ziehen sich an. (Ein offensichtliches Beispiel dafür ist die Anziehung der Geschlechter, wobei nicht nur die physische Ebene betroffen ist.) In diesem Zusammenhang sind Freundschaften und sonstige Kontakte zwischen Angehörigen verschiedener Persönlichkeitstypen segensreich und fruchtbar.
Wir alle sollten daher die Gesellschaft andersgearteter Typen bevorzugen. So sollte beispielsweise jemand, der dem wissenschaftlichen Typ angehört, Freundschaft mit dem Künstlertyp schliessen und sich für dessen Arbeit interessieren, oder ein Praktiker sollte in gemeinsamen Mussestunden den Umgang mit einem intellektuellen oder künstlerischen Typ pflegen. Das ist eine leichte und akzeptable Art, unsere latenten Fähigkeiten zu entwickeln und Einseitigkeiten sowie Begrenzungen unseres eigenen Typs auszugleichen.
Wissen, Verständnis und der weise Gebrauch kontrastierender Elemente sind Grundprinzipien nicht nur beim Malen und Musizieren, sondern auch in der Kunst des Lebens. Jeder von uns kann und muss aus dem lebendigen Material seiner Persönlichkeit sei dieses Silber, Marmor oder Gold etwas Schönes gestalten, das sein Höheres Selbst angemessen ausdrückt.