Ich versteh wieder mal alle. Ob das dran liegt, dass ich ein schlimmes Kind Gottes bin oder daran, dass ich als Kleingeist keine starre Meinung zu vertreten habe, weiß ich nicht. Is mir auch egal.
Als Kinni das schrieb hab ich sofort an mich selber gedacht und an meine letzte Geschichte von meinem Krampusbruder und hab mich mal selber hinterfragt, wie weit es gerechtfertigt ist oder ich es mir erlauben kann ... eben einen dritten in meine Geschichten - die ja irgendwie das Leben schreibt - einzubinden.
In einem Fall spielt auch ein zarter Hauch Verzweiflung mit rein ...
Da hab ich selber ein mittelstarkes Alkproblem und muss immer aufpassen, dass ich mich nicht an der Bottel vergreif ...
auch wenn ich kein Alkoholiker bin, weil ich diesen wissenschaftlichen Krankheitsquatsch für mich einfach ignorieren will, weil so komm ich auch nicht weiter ... da gibts nur eins: ich weiß, dass es mir im Kopf nicht gut tut und entweder sauf ich und leide oder ich sauf nicht und leide, wegen was anderem. Zum Leiden gibts immer genug Anlass. Wenn man will.
... und werd gleichzeitig häufig mit extremen Situationen konfrontiert, wie eben - mit meinem psychopathischen, paranoiden, aggressiven Krampusbruder mit den ganzen Gewalttätern im Kopf, der im Gegensatz zu mir aktiv an der Bottel hängt und den ich nicht einfach vor die Tür setzen kann, wenn er zu mir kommt ...
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.. und von mir eine Hilfe will die ich ihm nicht geben kann, weil ich bin nicht Goran, der Heiler, bin kein Exorzist .... und schon gar nicht Jesus der Gute ... ich bin einfach nur Willi, der Loser.
ja nichtmal auf der Psychiatrie haben sie uns diesmal geholfen, weil sie ihn nicht mehr nehmen wollen. Die Ärztin hat mir nur Tabs gegen die Stimmen und die Verfolger im Kopf gegeben, dass ich sie ihm einteile und aufpass, dass ers nimmt und hat hilflos - wie ich auch - mit den Schultern gezuckt und gesagt: Wir können ihn nicht mehr nehmen, weil er war eh schon 2 mal da und das hat keinen Sinn, weil er ja eh immer wieder zu saufen anfängt. auch die Rücksprache mit dem Oberarzt hat nix gebracht.
Wenns nach ihr und dem Oberarzt ginge könnt ich ihn mir ins Bett legen. Dann hätt ich zwei Patienten hier in der Bude. Soviel zur Hilfe und zum Beistand, den man in solchen Situationen von der öffentlichen Seite her bekommt. Ich erwart mir da auch gar keine Hilfe mehr. Der Typ is fertig und Punkt. Er schwebt herum zwischen ... "ich will noch leben!" .... und ... "ich will nicht mehr, ich bring mich um!" Und er kommt zu mir, weil er nicht allein zu Grunde gehen will. Weil er Angst hat.
Aber er hats ja nicht anders gewollt. Ich kann sein ganzes Leben nachvollziehen, weil wir waren wirklich
wie Brüder - früher mal - und er selber is heute mit der Scheiss Sauferei nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen oder einen zusammenhängenden Satz zu sprechen. Redet immer nur von Angreifern und Mördern in seinem Kopf, weil er selber immer nur gewalttätig und aggressiv war und ist an sich ungefährlich, weil er nur noch 62 Kilo hat und kaum 10 Meter weit gehen kann ohne eine Pause einzulegen und schaffts eben in der Woche zweimal zu mir rauf ...
und letztens hatte er massive Angstattacken und hat mich um Hilfe gebeten ... die ich ihm nicht wirklich bieten kann. Ich hab keine Exorzistenausbildung, bin kein Psychologistiker und selbst die Psychiaterin weiß sich keinen Rat, nur ist die nicht wirklich persönlich betroffen. Er wollt ja selber in die Psychiatrie, weil er kurzfristig erkannt hat, dass das in seinem Kopf ist... diese ganzen Gewaltphantasien und Drohungen.
Ja, er is eine heikle Sache über Dritte zu schreiben und erfordert Fingerspitzengefühl. Kinni hat mich da zum denken angeregt. Das ist gut ...
Aber ich hab ihn der weißen Fläche preisgegeben, ohne Namen und persönliche Daten, um meinem eigenen leichten Anflug von Ermüdung und Verzweiflung ein wenig Luft zu machen. Nichtmal weil ich Hilfe suche .... Hilfe bekomm ich zu Hauf angeboten, wenn ich sie nicht braucht, aber wehe, man braucht mal Hilfe. Dann ist man angschissen. In Wien genau so wie wo anders wahrscheinlich.
Und ich verstehs sogar, weil wie jeder is auch mein Krampusbruder selber der Gestalter von seinem Leben. Er hat sich selber entschieden, seinen letzten Entzug wieder frühzeitig abzubrechen und die reglmäßige Einnahme der entsprechenden Medikamente gegen den geliebten Doppler auszutauschen.
Nur ich hab ihn halt manchmal hier sitzen, einen Menschen, mit dem man leider keine Gespräche mehr führen kann, der nie in seinem Leben was anderes gelernt hat, als zu sagen: "i hau euch olle in die Goschn!" wie soll ich dem helfen, wenn er jetzt lauter Mörder im Kopf hat und auch die Psychiaterin nicht viel anzufangen weiß, mit ihm?
Bevor ich meinem inneren Trieb der Lieblosigkeit folge und ihn das nächste mal einfach rauschmeiss, wenn er wieder kommt, hab ich ihn eben in meine Geschichtn aus dem Wienerwald verpackt und der weißen Fläche preisgegeben um mir ein wenig Luft zu machen. Und ich weiß dabei, wenn ich nicht bereits vor Jahren hier einen massiven Riegel vorgeschoben hätte, würd ich heut genau so dasitzen und zittern, weiß also, das ich im Grunde nicht besser bin als mein kleiner Krampusbruder, ich denk nur ein wenig mehr und laut über das Leben nach und schreib im Grunde über mich.
Aber es stimmt ... ich bin mir auch bewusst, dass ich in dem Moment ein Verräter bin. Wie Judas. aber meine leichte Verzweiflung hat sich durch das Schreiben verflüchtigt und schließlich soll man sich ja selber auch mal was gutes tun, hab ich mal gehört.
Judas, der Veräter