so richtig glücklich

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Der Ausblick war so schön, dass es in ihm ganz still wurde. So saßen sie lange Zeit.
„Ich fühle mich hier oben dem Himmel näher“, sagte sie leise.“ Und da unten ist die Welt.
„Mir geht es genau wie dir.“ Er schaukelte ein wenig mit der Hängematte. „Auch diese einfache Hütte imponiert mir irgendwie. Bist du glücklich Urú?”
„Ob ich glücklich bin?“ Sie sah ihn nachdenklich an. Schließlich meinte sie: „Ich bin in diesem Augenblick glücklich. Man kann solche Augenblicke ausdehnen, aber niemals festhalten. Sie verflüchtigen sich wie der Duft einer Blume.“
„Gerade das macht mich so traurig“, antwortete er. „Ich habe heute Geburtstag. Heute werde ich dreißig und du bist für mich das schönste Geschenk, das ich mir vorstellen kann. Aber ich habe ein schlechtes Gewissen, denn ich bin verheiratet und meine Frau und meine kleine Tochter werden mich vermissen.“ Sie gab ihren Zeigefinger auf seine Lippen und bedeutete ihm zu schweigen.
„Denke an das Hier und jetzt, bei Zeit geht es nicht um Quantität,“ sie sah ihn an. „Es geht vor allem um Qualität.“
„Du bist noch so jung und machst dir solch tiefe Gedanken. Lernt ihr das auf der Universität?“
„Gewissermaßen ja.“
„Das sind wertvolle Gedanken. Verrate mir, ob du das Leben ernst findest?“
„Ich glaube nicht, dass das Leben ernst ist, wenn du es leicht nimmst und zufrieden bist.“
„Was verstehst du unter zufrieden Urú?”, wollte er wissen.
Sie lachte und meinte dann: „Wenn du nicht zufrieden bist, hast du keinen Frieden und wirst unglücklich werden.“
„Du bist noch so jung Urú und hast kaum Lebenserfahrung. Woher weißt du das?
„Ich dachte immer schon viel über das Leben nach. Darum bekam ich das Stipendium für die Universität.
„Was möchtest du später einmal machen?“
„Mein Wissen an andere weitergeben und mithelfen, unsere Welt lebenswerter zu machen.
„Willst du ins Lehrfach gehen?“ Er sah sie fragend an. „Oder vielleicht sogar Bücher schreiben? Damit könntest du besonders viele Menschen erreichen.“
„Würdest du so ein Buch lesen?“
„Ich glaube nicht“, er schüttelte den Kopf. „Es gibt so viele Selbsthilfe Bücher mit Anleitungen zum Glücklichsein und ich bezweifle, ob sie bei mir funktionieren.“
„Es gibt Menschen, die erst durch die Erfahrungen gehen müssen, bis sie begreifen, dass sie zufrieden sein sollen und so glücklich werden. Manchmal nur für eine Sekunde.“ Sie streichelte ihn sanft. Er war in ihrem Bann, zog sie zu sich und küsste sie leidenschaftlich. Ihr Atem war süß und er wollte, dass dieser Kuss nie enden sollte. Sachte entzog sie sich ihm.
„Ich werde uns etwas zum Essen vorbereiten und anschließend wollen wir auf den Gávea Stein hochsteigen.”
„Was?“ Erschrocken riss er die Augen auf. „Ich will nicht abstürzen und möchte noch viele Jahre leben. Das ist viel zu gefährlich.“
„Hab Vertrauen“, sie zwinkerte ihm zu. „Ich habe gute Klettererfahrung und war viele Male oben. Du wirst mit einem unvergesslichen Blick über Rio de Janeiro belohnt.“

Es gab herrliches frisch duftendes Weißbrot und Milchkaffee. Dann brachen sie auf.

Der Aufstieg war beschwerlich. Nach zwei Stunden erreichten sie endlich das große Felsplateau. Der Ausblick war gewaltig. Unter ihnen die Stadt im Dunst, klein und unbedeutend. Urú hatte sich dicht an ihn geschmiegt.
„Und?“, fragte sie.
„Ich bin glücklich“ , antwortete er leise. Nur, wie wird es weitergehen in meinem Leben?“ Er wurde traurig. Sie hatte ihren Arm um ihn gelegt.
„Das war ja jene Frage, die du heute Morgen gestellt hast. Darum sitzen wir hier oben. Damit du eine Antwort darauf findest und eine höhere Sichtweise bekommst.“
Und er sah sein zukünftiges Leben zeitgerafft vor sich abrollen. Das ist wie im Kino, dachte er. Der Himmel über Rio als riesige Kinoleinwand, dazu der Klang von ihrer melodiösen Stimme.
„Du hast ein reiches und erfülltes Leben und wirst es zusammen mit deiner Frau verbringen“, hörte er sie. Und er sah zwei weitere Kinder auf die Welt kommen, es waren seine.
Oh ja, ein reiches und erfülltes Leben, dachte er glücklich, aber dann sah er sich älter werden. Die Menschen die er kannte, wurden alt, ihre Gesichter bekamen Falten, ihre Körper gebeugt, verwandelten sich zu Greisen.
„Viele Menschen erreichen nicht einmal dieses Alter“ hörte er ihre tröstende Stimme. „Sie sterben vorher.“
Er musste weinen.
„Warum weinst du?“
„Weil alles vergänglich und dem Tod geweiht ist.“
„Ich hoffe“, sprach sie, „du kannst ein wenig von dieser Traurigkeit, diesem Bedauern, mit hinübernehmen, in eure Welt. So hättest du die Chance, aus dieser Erfahrung zu lernen. Deine Zeit auf der Erde ist begrenzt und du könntest sie besser nutzen. Du hast alles in dir selbst“, fuhr sie fort. „Du brauchst es nirgendwo zu suchen, aber es ist schön sich ab und zu mal zu erquicken...“
Und er sah sich an vielen Plätzen in der Welt, er sah sich in Delphi an der Orakelstätte in Griechenland und musste lächeln. Wir Menschen wollen immer unsere Zukunft wissen.
„Du selbst machst dir deine Zukunft“, hörte er sie erklärend. „Das was du sähst, wirst du ernten, manchmal dauert es ein paar tausend Jahre.“
„Was? In welchen Dimensionen soll ich noch denken?“, seine Stimme wurde skeptisch.
„In grenzenlosen Dimensionen, sie erweitern sich mit dir.“
Da sah er sich zusammen mit seiner Frau, auf einem Schiff auf dem Nil und er liebte seine Frau. Die Reise führte an Tempeln und Pyramiden vorbei... aber dann war er plötzlich im alten Ägypten, fuhr einen Streitwagen im Kampf gegen die Hyksos.
„Das war in der vierzehnten Dynastie, vor viertausend Jahren“, erläuterte sie die Bilder, die er schaute.
„Dafür gibt es keine Beweise“, meinte er lahm. Und er sah sich Prozac nehmen und erblickte sein Elend. Er wollte nicht mehr leben, es war alles sinnlos. Kein Anfang, kein Ende, kein Ziel und die Evolution reiner Zufall.
„Wenn du das willst, wirst du es erhalten“, sagte sie düster.

Er sah den Himmel mit den Engeln, projektiert auf dem Himmel über Rio, aber die Engel weinten.
„Warum weinen sie Urú?”
„Sie haben umsonst für etwas gearbeitet, was sich nicht erfüllen wird. Es ist so ähnlich, wie wenn man ein großes Fest vorbereitet und niemand kommt. Die Menschen glauben, man will sie irre führen.“ Ihre Stimme war traurig.
„Sei bitte nicht traurig. Wie geht es weiter?“, wollte er wissen.
„Es geht darum, wie weit du gehst. Zeit spielt keine Rolle, aber nütze deine dir gegebene Zeit und sei dankbar für so viel Schönheit.“

Schweigend standen sie auf und begaben sich auf den Rückweg. Urú führte ihn sicher hinunter. Es dämmerte bereits, als sie auf die Avenida Niemayer kamen. Hupende Autos und der Berufsverkehr der Millionenstadt mit seinen stinkenden Auspuffgasen empfing ihn, und er dachte daran, wie schön es da oben war. Er wäre eigentlich lieber dort geblieben.
Sie aber schritt entschlossen voran und bald waren sie am Kanal, gingen den Ipanema Strand entlang, bis zu jenem Platz, wo sie heute Morgen saßen. Sie gab ihm einen zärtlichen Kuss zum Abschied.
„Wann sehen wir uns wieder?“, fragte er.
„Ich bin immer in deiner Nähe“, meinte sie lächelnd. „Richtig sehen wirst du mich erst wieder, wenn ich dich holen komme, auf unsere Reise durch die Sternenwelten. Die Ägypter wussten dies. In ihren Grabkammern wurden die Decken mit dem Himmelsgewölbe und der Göttin Nut ausgemalt.“ Und weg war sie. Er meinte noch ihren Duft wahrzunehmen, aber auch er verflüchtigte sich.
Als er zum Himmel sah, bemerkte er, dass es nicht abends sein konnte. Es war frühmorgens und begann heller und heller zu werden. Dann ging die Sonne strahlend auf.
Er erhob sich und machte sich auf den Weg nach Hause. Ich fühle mich glücklich, dachte er. Ein reiches und erfülltes Leben, so wird es sein.


aus: Der Himmel über Rio 2003




LG Ali:zauberer1
 
glücklich ja, in Momenten des Bewußtwerdens.

ich weiß aber nicht, was "so richtig" bedeutet, denke da eher an "wirklich lieben" ...bis "ein bißchen schwanger" :D
 
Glücklich bin ich dann wenn mein Glück seine Wurzeln in mir hat, wenn es nicht von anderen Dingen abhängt,wenn ich auch im Unglück einen Funken Glück finden kann und diesen wieder vermehren kann um letztendlich das Unglück zu besiegen.
Im Zustand des Verliebtseins bin ich nicht glücklich sondern euphorisch, glücklich bin ich dann wenn daraus Liebe wird.

Unter diesen Aspekten kann ich nur sagen, ja ich bin zur Zeit richtig glücklich.
 
ich bin der meinung, glück an sich und als dauerhaften zustand gibt es nicht.
wohl aber momente des glücks, abhängig von den wünschen und bedürfnissen.

so kann z.b. ein glas wasser in der wüste grosses glück bedeuten oder auch
eine zigarette zur entspannung irgendwo.
zwischenmenschlich kann ein lächeln glück bringen oder ein erfolgserlebenis im beruf.

im biologischen bereich ist glück leichter zu erleben als im geistig-seelischen.
als dauerhaftes glück verstehe ich die einheit mit allem und mir selbst.
bis dahin ist leider noch ein weiter weg.

lr winnetou:)
 
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@Dragonheart,

weiss schon was du meinst;)- Guten Morgen:)

Ich meine Anfangs das Gefühl des Verliebtsein ist einfach schön, Schmetterlinge im Bauch, weiche Knie...herrlich :)wenn daraus Liebe wird die beständig bleibt ,und Tiefe gewinnt mit gegenseitiger Achtung , ja das ist dann eh für mich ein "Jackpot" und erwünscht.:D;)
Wenn man sich auf diese Gefühle einlässt , ist man nie davon gefeit , verletzt zu werden, aber dies gehört für mich dazu. Denn aus Angst vor Verletzungen dem Gefühl sicherheitshalber nicht zu begegnen, es nicht zuzulassen, ja das wäre schade eventuell um verpasste Möglichkeiten, die ich dann mal bereuen könnte...

Schönen Tag noch , mit Glücksmomenten;)

LG:)



Da hast Du schon recht - ich sehe es ähnlich wie du, mag auch Schmetterlinge im Bauch (solange es sich nicht um Raupen handelt) ..... ich gebe ja nur auch allgemein zu bedenken, wenn man sich immer wieder verliebt, dann sehe ich die Intensität der Gfefühle sinken - wenn alles so schön neu und UNBEDARFT und REIN ist,, dann ist es ein absolutes Hochgefühl - wenn dieses aber häufig passiert, verliert das Verliebtsein schnell seinen Zauber ... wenn es eben nur oberflächlich bleibt ....
 
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