Ratloses Entsetzen

Lieber Stephan,

zunächst mal vielen Dank für die zahlreichen Info´s.
Die Gerichtsreporterin, die interviewt wurde, hatte ja auch gesagt, dass bei der Verhandlung Fotos gezeigt wurden, was ich übrigens auch ganz richtig finde.
Solche Fotos habe ich auch hier.
Natürlich nicht von Jessica, aber von einer anderen verhungerten Kinderleiche und auch von Kindern, die in ihrer Wohnung auf Müllbergen sitzen.
Im Rahmen einer Fortbildung über Kindesmisshandlung haben wir damals ein Buch mit diesen Bildern bekommen.
Ich habe im weiteren Verlauf die Seiten mit den Fotos mit Büroklammern abgeklemmt, weil ich den Anblick nicht ertragen konnte.
Er hat sich trotzdem tief in meine Seele gebrannt.
Wenn du sie sehen möchtest, kann ich sie dir schicken - ich glaube du wirst dann verstehen, dass ich mich eindeutig auf die Seite der Kinder schlage.


Stephan schrieb:
warum das "verstehen wollen" kaum noch wirklich gefragt ist (und wenn, dann vielleicht noch aus -oberflächlicher- Neugier, aber nicht aus der Intention des wirklichen Verstehens, d.h.dem Ziel, vielleicht auch mitgefühl für die täter entwickeln zu können), sondern nur nach Vergeltung, Rache, Bestrafung gerufen wird. je härter desto besser
.

Nach Bestrafung rufen viele, weil so ein Verbrechen nicht ungesühnt bleiben darf. Aber nach Vergeltung und Rache?
Das habe ich so eigentlich nicht wahrgenommen. Sicher es gibt auch diese Stimmen, wie ja auch in den Todesstrafen-Threads, aber für die Mehrzahl kann ich das eigentlich nicht behaupten.

Stephan schrieb:
das meinte ich mit "Volksseele hochkocht". es ist dann sehr schnell eine Lynchstimmung da. Ohne Gefängnisse, Polizei, Justiz - was meinst du, wäre mit den Eltern passiert nach der Veröffentlichung der ersten Details des Falles?

Natürlich, das ist mir bewusst und ich rede ganz sicher nicht der Lynchjustiz das Wort.
Wir leben aber in einem Staat, der ja ganz mit Recht dafür sorgt, dass auch die Täter davor geschützt werden.
Stephan schrieb:
Hintergründe werden da im Handumdrehen zur Randfrage, auch hier in diesem Thread klingt das oft explizit oder implizit an, obwohl sie m.E. die zentrale Frage dabei sind. nicht nur fürs Verstehen des Falles, sondern auch dafür, ob und inwieweit sich mensch ein Urteil über die Eltern anmaßt.
Ja sicher, ich bin ja wie du weißt auch ein Freund von Ursachenforschung.
Ich finde aber, dass wir in einer Zeit leben, in der man diesen Dingen doch durchaus auf den Grund geht und dem auch beim Strafmaß Rechnung trägt.

Stephan schrieb:
Versteh's nicht falsch, liebe Nithaiah, es soll kein Vorwurf sein, nur eine Beobachtung: du sortierst es beispielsweise gleich in die Rubrik "Sadismus" ein. Vielleicht ist das das Bild, das sich dir bietet, aufgrund deiner Informationen (vielleicht hast du ja andere und detailliertere als ich) und deiner Empfindungen dazu. Vielleicht ist das auch gerechtfertigt.
Vielleicht hat es aber auch gar nichts zu tun mit Sadismus?

Ok. ich bin natürlich kein qualifizierter Psychiater. In so einem Fall müssen viele Fachleute ran, beim Kindesmörder Jürgen Bartsch waren es in etwa 26 Gutachter und Psychiater, die sich mit dem Fall anlässlich der Gerichtsverhandlung in der Revision beschäftigt haben.

Ich kann hier nur meinen Eindruck schildern. Ich glaube nicht, da mehr Informationen zu haben.
Es sind folgende Gedankengänge, die mich dazu veranlassen von Sadismus zu sprechen:

Warum wurde die Heizung extra abgeklemmt?
Warum das Fenster verklebt und das Licht abgedreht?
warum wurde die Katze regelmäßig gefüttert, das Kind aber nicht?
Will damit sagen, wenn eine Störung vorliegt, die es unmöglich macht, Verantwortung für andere Lebewesen zu übernehmen, z.B. Debilität, hätte sich das eigentlich auch auf die Katze übertragen müssen.

Wenn die Mutter vergessen hat, das Kind zu füttern, hätte nicht die Heizung abgeklemmt werden müssen.
Hier wurden mit Absicht (von "bewußt" möchte ich in dem Fall nicht reden) Kerkerähnliche Zustände geschaffen.
Wenn die Mutter keine emotionale Bindung aufbauen konnte, warum hat sie dann das Kind nicht ins Heim gegeben?

Die Definition von Sadismus ist es -kurz gesagt-, ein Opfer kontrollieren und quälen zu wollen.
Dies ist doch hier geschehen, oder?
Man hat ein Kind eingesperrt, um es langsam sterben zu lassen.
Es körperlich und seelisch gequält bei Einzelhaft und Dunkelhaft.
Es mit geringfügiger Nahrungszufuhr gerade noch am Leben gelassen.

Natürlich ist es klar, dass auch der Sadist seine Geschichte hat. Um das zu verstehen, habe ich mich ja damit beschäftigt. Trotzdem ist der Sadismus als solcher zu benennen.



Stephan schrieb:
Zur "Vergeltung gleiches mit gleichem" siehe auch die Passage zur Entrüstung weiter unten

nein, gleiches mit gleichem sage ich nicht. Sehr wohl aber, dass es in so einem Fall lebenslänglich geben muss, womit ich dann auch wirklich lebenslänglich meine.


Stephan schrieb:
"Empörte" und deren Entrüstung meint dabei folgendes - es ist ein Text, der mir seit seiner ersten Lektüre hier irgendwo im Forum fest im Gedächtnis haften geblieben ist.....
Es war mir schon klar, dass du dich damit auf Hellinger beziehst.
Und ich kenne bereits dieses Zitat.
Ich möchte den Thread hier nicht verwässern, vielleicht wäre das ein interessantes Thema für einen anderen Thread, zu sagen was ich davon halte.


Stephan schrieb:
Selbstverständlich bedeutet es das nicht! Sollte es so herübergekommen sein in meinen Beiträgen, bitte ich um Entschuldigung.

Das brauchst du doch nicht :)
Stephan schrieb:
Und: ich weiß, das du versuchst, beide Seiten zu verstehen. Insofern antworte ich hier in diesem beitrag zwar dir - aber die Antworten gelten nicht immer deiner person, falls du verstehst, was ich damit sagen möchte.
Na, das ist schon klar.
Stephan schrieb:
siehst du, hier sind wir schon wieder mittendrin im potentiellen Urteilen: "schlimmer als die schlimmsten psychopathen"...

Ich habe nicht gesagt "schlimmer als die schlimmsten psychopathen", sondern schlimmer als viele prominente Psychopathen.
Das ist ein Unterschied und es entspricht den Tatsachen, wenn man davon ausgeht, dass die meisten Serienmörder ihre Opfer weitaus kürzer quälen und manche diese sogar sofort töten - ohne sie vorher gequält zu haben.


Stephan schrieb:
ja, ich weiß. ich habs ja auch nur als gedankenspiel angeregt und niemandem ein ergebnis dieser überlegungen untergejubelt.

Das weiß ich doch. Aber es war mir nun mal ein Bedürfnis, darauf zu antworten.

Stephan schrieb:
den satz verstehe ich nicht. sind's keine menschen? was aber dann?

Das ist natürlich von mir sehr missverständlich ausgedrückt.
Natürlich sind es Menschen. Aber der Begriff des "Unmenschen" hat sich nicht von ungefähr gebildet.
Ich meine dies natürlich von einem höheren, ethischen Standpunkt aus gesehen.
Ich hatte neulich in einem ganz anderen Zusammenhang das Beispiel von Janusz Korczak angeführt.
Jemand hatte nicht gewusst, wer das ist und daraufhin hat July ihn als einen "wahren Menschen" bezeichnet.
Ich fand das sehr schön.
Es bedeutet natürlich nicht, dass andere Menschen keine Menschen sind.
Was ist ein wahrer Mensch? Ich habe mir dazu so meine Gedanken gemacht. Aber auch das wäre eher ein eigenes Thema und würde diesen Rahmen hier sprengen ;)

Liebe Grüße zurück,
Nithaiah
 
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Galahad schrieb:
Hallo Kinnaree

Auch hier sehe ich kein Systemversagen. Das System würde erst dann versagen wenn es auf solche Vorkommnisse nicht vorbereitet wäre.
Doch das ist es ja. Es gibt Mittel und Wege zum Schutz des Kindes.
Aber wenn MENSCHEN ( Sachbearbeiter der Behörden u.s.w) zu faul oder nicht gewillt sind sie durchzusetzen, dann versagt nicht das System, sondern der Mensch.
Und ich hoffe (wenn ich es auch nicht glaube) das diese Menschen die durch Nichtstun zu Tätern wurden auch zur Verantwortung gezogen werden.

Liebe Grüße
Galahad

Ja. Wenn du so genau definierst, stimmt das natürlich. Es waren wohl auch die in dem System beschäftigten Menschen, die versagt haben. Wo du recht hast, hast du recht, ich war da wohl etwas unscharf.

Aber es stellt sich die Frage, wieso Informationen offenbar ungenügend weitergegeben wurden. Ein Warnsystem funktioniert eben nur, wenn Mäxchen A genau weiß, er muß die Information an Mäxchen B weitergeben. Das würde mich interessieren. Muß das Amt, das festgestellt hat, diese Frau ist emotional unfähig, Kinder großzuziehen, sein Wissen so zugänglich machen, daß das Amt, das die Geburt eines weiteren Kindes registriert, sofort alarmiert ist? Wenn es diese Vorschrift gibt, dann liegt allerdings der Fehler an den Menschen. Gibt es diese Vorschrift nicht - dann ist das System gefragt.
 
Nithaiah schrieb:
Es sind folgende Gedankengänge, die mich dazu veranlassen von Sadismus zu sprechen:

Warum wurde die Heizung extra abgeklemmt?
Warum das Fenster verklebt und das Licht abgedreht?
warum wurde die Katze regelmäßig gefüttert, das Kind aber nicht?
Will damit sagen, wenn eine Störung vorliegt, die es unmöglich macht, Verantwortung für andere Lebewesen zu übernehmen, z.B. Debilität, hätte sich das eigentlich auch auf die Katze übertragen müssen.

Wenn die Mutter vergessen hat, das Kind zu füttern, hätte nicht die Heizung abgeklemmt werden müssen.
Hier wurden mit Absicht (von "bewußt" möchte ich in dem Fall nicht reden) Kerkerähnliche Zustände geschaffen.
Wenn die Mutter keine emotionale Bindung aufbauen konnte, warum hat sie dann das Kind nicht ins Heim gegeben?

Die Definition von Sadismus ist es -kurz gesagt-, ein Opfer kontrollieren und quälen zu wollen.
Dies ist doch hier geschehen, oder?

Der Fall wirft tatsächlich mehr Fragen auf, als ein Gerichtsurteil beantworten kann.

Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, aber Sadismus beinhaltet doch auch die Freude am Quälen, oder lieg ich falsch? (Bitte korrigiert mich, wenn nötig.) Und die ist ja offenbar nicht gegeben.

Leider ist es so, daß gewisse psychische Störungen sich darin äußern, daß die Zuwendung, die man dem einen Wesen nicht geben kann (in dem Fall dem Kind), auf ein anderes übertragen wird. In dem Fall die Katze.

Daß die Zustände mit Absicht geschaffen wurden, stimmt vollkommen. Aber auch die Absicht entspringt der Störung... ein (durch psychische Krankheit)Selbstmordgefährdeter hat auch eine Absicht - aber die Absicht kann ein Symptom der Krankheit sein.

Wie gesagt, ich kann mich irren, aber was ich lese und höre zu dem Fall, läßt mich annehmen, hier hätte behandelt werden sollen.
 
Ach, wo ist denn die gute alte Zeit geblieben?

Wo 9 Monate nach der öffentlichen Hinrichtung eines Kindermörders mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung entbunden hat?

Langos? Zuckerwatte? Honigschnuller?

Verstähst? :)

:daisy:

Caya
 
Hallo Kinnaree,

Kinnaree schrieb:
Der Fall wirft tatsächlich mehr Fragen auf, als ein Gerichtsurteil beantworten kann.

Ja, absolut. Und ich hoffe auch, dass mit der Urteilssprechung die Erforschung des Falles noch nicht abgeschlossen ist.

Kinnaree schrieb:
Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, aber Sadismus beinhaltet doch auch die Freude am Quälen, oder lieg ich falsch? (Bitte korrigiert mich, wenn nötig.) Und die ist ja offenbar nicht gegeben.

Doch, eine Befriedigung durch das Quälen wird dadurch schon erreicht. Woher weißt du, dass diese in dem Fall nicht gefunden wurde?
Vielleicht hast du ja da mehr Infos als ich.
Kinnaree schrieb:
Leider ist es so, daß gewisse psychische Störungen sich darin äußern, daß die Zuwendung, die man dem einen Wesen nicht geben kann (in dem Fall dem Kind), auf ein anderes übertragen wird. In dem Fall die Katze.

Ja, das stimmt natürlich....

Kinnaree schrieb:
Daß die Zustände mit Absicht geschaffen wurden, stimmt vollkommen. Aber auch die Absicht entspringt der Störung... ein (durch psychische Krankheit)Selbstmordgefährdeter hat auch eine Absicht - aber die Absicht kann ein Symptom der Krankheit sein.

Natürlich ist in jedem Fall eine Störung dahinter. Auch beim Sadismus ist das so. Wenn jemand zum Sadisten wird, kann man auch von einer Fehlentwicklung sprechen, die ihre Ursache irgendwo hat.

Liebe Grüße, Nithaiah
 
Kinnaree schrieb:
Ja. Wenn du so genau definierst, stimmt das natürlich. Es waren wohl auch die in dem System beschäftigten Menschen, die versagt haben. Wo du recht hast, hast du recht, ich war da wohl etwas unscharf.

Aber es stellt sich die Frage, wieso Informationen offenbar ungenügend weitergegeben wurden. Ein Warnsystem funktioniert eben nur, wenn Mäxchen A genau weiß, er muß die Information an Mäxchen B weitergeben. Das würde mich interessieren. Muß das Amt, das festgestellt hat, diese Frau ist emotional unfähig, Kinder großzuziehen, sein Wissen so zugänglich machen, daß das Amt, das die Geburt eines weiteren Kindes registriert, sofort alarmiert ist? Wenn es diese Vorschrift gibt, dann liegt allerdings der Fehler an den Menschen. Gibt es diese Vorschrift nicht - dann ist das System gefragt.

Hallo Kinnaree

Und nun nähern wir uns wohl dem, was man als des Pudels Kern bezeichnen könnte.
Das System funktioniert nur dann wenn.......
Und da hapert es bei uns. Keiner will mehr etwas sehen. Frei nach der Deviese: Was geht es mich an!
Wir verlassen uns zu sehr auf das System, wir verlassen uns derartig darauf, das wir alle meinen Das System wird es schon machen.
das System kann aber nichts machen, wenn der Einzelne nichts macht. Und der Einzelne bist DU. Genauso wie ICH, jeder von UNS.
Nur wenn Du den faulen Sachbearbeiter vom Amt umgehst und dich (zum Beispiel) an die Polizei wendest wird etwas geschehen.
Nur dann wenn WIR etwas sehen UND unternehmen werden solche Fälle in Zukunft nicht mehr (so häufig) geschehen.
Aber solange der Mensch nur an sich denkt, solange wird es soetwas geben.
Es liegt an jedem einzelnem von UNS das soetwas verhindert wird, indem WIR handeln. Und nicht mehr sagen das System wirds es schon machen.

Liebe Grüße
Galahad
 
Ein noch "schönerer" Fall ereignete sich bei mir...
Vor einigen Jahren gingen mein Mann und ich auf die Kirmes. Ich fahre furchtbar gerne Scooter. :D Auf dem Heimweg hörten wir im Radio, ein Junge (3-4 Jahre) sei auf der Kirmes verschwunden, Hinweise an die Polizei, blabla... Niemand hat was gesehen, einige Tage beschäftigte der Fall die ganze Stadt, dann wurde es vergessen. 1-2 Jährchen später stellte sich heraus, dass die Eltern (die damals das Verschwinden gemeldet haben) den Sohn an Pädophile vermietet haben. Er hauste eingesperrt im Hinterzimmer einer Kneipe und wer wollte, konnte gegen Bezahlung mal ran. Ich weiss jetzt nicht mehr wer, aber ich glaube einer der "Kunden" hat ihn getötet. Der Kleine hat zu laut geschrien... Als die Leiche gefunden wurde, haben die Ermittlungen ergeben, was damals wirklich passiert ist.

Wie gesagt, ich wüsste immer noch gerne, was in manchen Köpfen vorgeht. :D
 
Stephan schrieb:
und darum ging es mir nicht, abzulehnen oder anzuprangern, daß wir schockiert sind, aufgewühlt, uns ohnmächtig, hilflos, wütend fühlen.
....
Es ging mir stattdessen darum, warum wir uns so fühlen...
Hallo Stephan, gute Frage.

Ich denke, dieses Gefühl ist stark, kaum abzuwehren und ausserdem
kulturübergreifend, eigentlich universell. Für mich ist es ist damit evolutionär
begründet. Der Sinn könnte darin liegen, Menschen in einer Gruppe
verstossen zu können (selbst die eigene Mutter!), die durch ihre Handlungen
den Bestand der gesamten Gruppe gefährden. Dieses Gefühl MUSS i.d.S. also
sehr stark sein, um andere Emotionen zu dominieren.

Dieses Gerechtigkeitsgefühl ist sicher auch kulturell konditioniert auf Basis der
vorherrschenden Ethik und Moral eines Gemeinwesens. Die Gefahr der
Ausbeutung solcher Emotionen ist evident. Man denke an die Nazis, die die
Juden als die Verkörperung des Bösen immer und immer wieder propagierten.
Nur so kann ich die Kaltherzigkeit, Gleichgültigkeit verstehen, mit der Nazis die
Juden gequält haben. Sagte nicht jemand, der Jessica dann sah "Ein Anblick wie in einem KZ."

Umso wichtiger finde ich es, dass in unserer Gesellschaft Ethik und Moral auf der
Basis von humanistischen Werten vorherrscht. Wie die Diskussion hier zeigt,
erreicht man damit viele, aber nicht alle Menschen.

In einigen kochen eben diese urzeitlichen Gelüste an Blutrache hoch.
Angetrieben von Empörung. Empörung an sich zu kritisieren ist völlig
unangemessen. Nur die kollektive Empörung von Rechtlosen über
schreiende Ungerechtigkeiten in ihrer Gesellschaft kann die Verhältnisse
von innen zur Not mit Gewalt umstürzen. Das nennt man dann wohl
Revolution. Wie gut, dass man sich empören kann.

Stephan schrieb:
warum das "verstehen wollen" kaum noch wirklich gefragt ist
So ist das mit Emotionen.

Stephan schrieb:
sondern nur nach Vergeltung, Rache, Bestrafung gerufen wird. je härter desto besser.
Das ist wahrhaftig eine platte Verallgemeinerung. Muss emotional sein! :D

Stephan schrieb:
das meinte ich mit "Volksseele hochkocht". es ist dann sehr schnell eine Lynchstimmung da.
Ohne Gefängnisse, Polizei, Justiz - was meinst du, wäre mit den Eltern passiert nach der
Veröffentlichung der ersten Details des Falles?
Was meinst du was passiert, wenn die Mörder-Eltern nach zwei Jahren wieder
entlassen werden? Die kommen nicht weit. Ein Strafzweck ist offenbar die
Wiederherrstellung von Rechtsfrieden z.B. zwecks Vermeidung von Lynch-Justiz!

Deine generelle Frage nach Sinn und Zweck des Strafen find ich auch sehr
interessant und hab da diesen sehr ausschlussreichen Artikel gefunden:

Vom Sinn und Zweck des Strafens

Stephan schrieb:
Was wissen wir hier wirklich über die Hintergründe?
Das hängt offenbar davon ab, wen du mit "wir" meinst.

Du neigst dazu eine völlig heterogene Gruppe über einen Kamm zu scheren und
pauschal zu beurteilen.

Auch das ist ein Urtrieb, der deinen Verstand ausser Kraft setzt.
Erkennst du das?


Stephan schrieb:
siehe oben. Gerichtsurteil und Strafmaß und Gesamtumstände der Tat müssen
schon korrespondieren. Wozu aber eben gehört, daß die Gesamtumstände auch
zutage gefördert und gewürdigt werden.
Sicherlich, das verlangt der Verstand, dem Gefühl ist das aber egal.

Übrigens habe ich nochmal nachgedacht über diese besondere Schwere
der Schuld
, die nach meinem Empfinden (ja, ich weiss) hier vorliegt.

Es könnte doch sein, dass die Staatsanwaltschaft hier taktisch vorgeht.
Sollten die Verteidiger eine Revision anstreben, könnte der Staatsanwalt damit
drohen um die Revision zu verhindern/erschweren.

Gruss
Camajan
 
Hallo,

Schlimmer Fall. Schlimm auch dahingehend, daß bei solchen Fällen natürlich auch immer die Stimmen lauter werden, die ein härteres Durchgreifen fordern, bis hin zur Todesstrafe.

Durchgreifen auf diese Art ist jedoch nach meiner Meinung unangebracht und schon zu spät. Der Ansatz muß viel früher korrigiert werden.

Ich schätze, das soziale Netz hat in diesem Fall versagt, weil es zu weit gesponnen war, will sagen: Es gab nur zwei wichtige Bezugspersonen für das Kind, und das waren die Eltern.

Das Kind wurde offensichtlich von niemandem vermisst.. Und das ist das eigentliche tragische an der Angelegenheit.

Es muß ein engeres soziales Netz gesponnen werden, von staatlicher Seite. Kinder müssen nach meiner Meinung halbtägig in Kindergärten oder Schulen anzutreffen sein, bei langer Abwesenheit müssen die Verantwortlichen unter Androhung des Berufsverbots handeln, und auch bei Entschuldigung durch die Eltern das Jugendamt verständigen, welches unter Androhung des Berufsverbots des jeweiligen Beamten zu handeln hat, und die Situation sichten muß.

Kinder sollten zudem zwangsweise jedes halbe Jahr eine ärztliche Vorsorgeuntersuchung erhalten, die auch nicht zu entschuldigen ist durch die Eltern.

All das kostet Geld, aber leider genau hier spart der Staat. Genau an diesen Stellen wird abgebaut, anstelle notwendigerweise auszubauen.

Und genau das ist auch die fahrlässige Unterlassung durch den Staat in diesem Falle.

Gruß,
lazpel
 
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lazpel schrieb:
Hallo,

Schlimmer Fall. Schlimm auch dahingehend, daß bei solchen Fällen natürlich auch immer die Stimmen lauter werden, die ein härteres Durchgreifen fordern, bis hin zur Todesstrafe.

dem ist nichts hinzuzufuegen... auch dahin fuehrten meine vorherigen ausfuehrungen



lazpel schrieb:
Hallo,


Durchgreifen auf diese Art ist jedoch nach meiner Meinung unangebracht und schon zu spät. Der Ansatz muß viel früher korrigiert werden.

der ansatz! ja, nur was heisst das??

ich sehe hier kein sinnvollen loesungsweg, welcher das problem an der wurzel packen koennte...
der mensch innerhalb einer gesellschaft wie sie schon lange vorhanden ist ( ich verurteile die gesellschaft nicht und mache sie fuer nichts verantwortlich was mich betrifft), entwickelte sich immer mehr von seinem selbst weg ( ich werde hier nichts definieren, entweder ihr wollts so verstehen oder ich bin in euren augen ohne argumente, mir gleich, eure entscheidung), die folge daraus sind fuer mich solche handlungen...
das herauskristallisieren einzelner individuen, welche nicht so maschinell wirken wie die masse erscheint immer schwieriger, das mag ich mir einbilden, aber dieses fuehrt, fuer mich, eben zu solchen aktionen welche fern jeglicher gesunden seele sind...

wo sollte hier der ansatz sein?

( ich wollte es nur noch ein letztes mal sagen und hoffe auf andere sichtweisen, ich bin blind dafuer, dankeschoen)
 
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