Ich glaube, das es letztlich um Aufrichtigkeit vor sich selbst geht. Aufrichtigkeit und "sich-bewusst-machen", was beides dann Hand in Hand geht. Was einem wirklich bewusst ist, dem kann man aufrichtig begegnen, weil man versteht. Gleichzeitig ist Aufrichtigkeit das Mittel um nicht vor Bewusstmachung zu flüchten. Und insofern denke ich, dass ein Therapeut das beschleunigen, im besten Fall mit dem Finger auf das Wesentliche zeigen kann. Allerdings denke ich, das ein bewusster Mensch das auch dann kann, wenn er keine psychotherapeutische Ausbildung hat. Gleichzeitig gibt es sicher nicht so wenige Psychotherapeuten, die noch jede Menge Unklarheit mit sich herumschleppen und für manche Themen oder Personen dann die Falschen sind.
Ich las mal etwas über Psychotherapeuten, die in gewissen Fällen Patienten ablehnen. Nicht weil sie nicht wollen, sondern weil sie erkennen das sie selbst in irgendeiner Form mit dem Thema verstrickt sind. Also sozusagen die Fähigkeit die eigene Unfähigkeit in einem bestimmten Fall zu erkennen.
VG,
C.
Hallo Condemn, auch darin kann ich dir zustimmen. Es geht um Aufrichtigkeit sich selbst gegenüber und um die Fähigkeit zur Reflexion.
Doch um beides zulassen zu können, braucht man eine gewisse Reife und psychisch gesunde Voraussetzungen.
Wir Menschen machen uns alle gern etwas vor. Jeder liebt es, sich seine positiven Eigenschaften bewusst zu machen und die anderen lieber zu verdrängen.
Hinzu kommt der kulturelle Hintergrund, in dem man aufgewachsen ist. Kath. Kultur hat jahrhundertelang mit Schuld und Sünde gearbeitet.
Das beinhaltet leicht ein Schwarz-weiß-Denken von gut oder schlecht.
Da wir alle aber weder ganz das eine sind, noch das andere, haben auch prizipiell gute Absichten oft andere Auswirkungen. Entweder wir gingen zu sehr von unseren eigenen Interessen aus (was oft unbewusst geschieht) oder wir leisten uns auch mal ein bisschen Verhalten, das anderen schadet, und verdrängen dies schnell.
Erwischen wir uns selbst, dass eine negative Sache auf unserem Verhalten beruht, schieben wir das - falls wir diese religiöse (veraltete?) Sichtweise verinnerlicht haben - auf andere. Andere sind schuld. Ich nicht.
Statt in Kategorien wie Schuld und Sünde zu denken, ist es meist besser, wenn wir uns überlegen, ob etwas der Sache oder den Absichten dienlich oder förderlich ist/war oder nicht.
Nicht zu
verurteilen oder zu
bewerten, muss im Leben oft erst gelernt werden. Es hat den Vorteil, dass wir nicht nur mit den negativen Folgen des Handelns anderer besser klar kommen. Es hat auch den Vorteil, dass wir die Schattenseiten unseres eigenen Verhaltens besser annehmen können.
Und dies ist für mich eine der wesentlichen Voraussetzungen, um zu der von dir geforderten Aufrichtigkeit und Klarheit zu gelangen.
Du hast völlig Recht, wenn du annimmst, dass auch Therapeuten noch Leichen im Keller haben. Aber normalerweise sollten diese Leichen dem Therapeuten im Laufe seiner Ausbildung bewusst werden.
Insofern schließe ich mich dir an, dass ich es gut finde, wenn Therapeuten bestimmte Patienten ablehnen, die zu ihren eigenen, noch nicht vollständig gelösten Problemen passen und so eine erfolgreiche therapeutische Unterstützung unmöglich machen würden.
Wenn ich dich richtig verstehe, gewichtest du Bewusstwerden und Klarheit in besonders starkem Maße. Hierin kann ich dir nur zustimmen.
Ich möchte aber zu bedenken geben, dass aus den von mir oben aufgeführten Gründen nicht jeder ohne therapeutische Hilfe fähig sein wird, dieses Bewusstwerden und diese Klarheit zu erlangen.