Hi Kröte!
Sorry, hatte diesen Beitrag von Dir übersehen.
Kröte;2321993 schrieb:
Hallo Condemn, auch darin kann ich dir zustimmen. Es geht um Aufrichtigkeit sich selbst gegenüber und um die Fähigkeit zur Reflexion.
Doch um beides zulassen zu können, braucht man eine gewisse Reife und psychisch gesunde Voraussetzungen.
Ja... aber auch irgendwie nein. Denn psychische Gesundheit ist mehr noch das Resultat von Aufrichtigkeit. Ich denke, man kann es sehr vereinfachen, wenn man es sich als Leiden vor Augen führt. Psychisch krank zu sein (und ich persönlich fasse das sehr weit, halte tendenziell jeden in gewissen Momenten für psychisch krank.... Angst, Unsicherheit, Unbewusster Umgang mit Wahrnehmungen aller Art) erzeugt ganz direkt und konkret Leid. Die Fähigkeit, aufrichtig damit umzugehen wird dadurch ganz klar begrenzt, da hast Du sicherlich Recht. Aber: Der Verstand sucht und sucht nach Erlösung vom Leiden. Er geht jeden Weg der ihm überzeugend erscheint, versucht auch vieles, wovon er sich nur einen Funken Hoffnung verspricht. Und je weniger Aufrichtigkeit vor sich selbst vorhanden, desto weiter nach außen gehen die Wege... oder anders gesagt: Der Wunsch nach Hilfe richtet sich auf das außen, was letztlich in verschiedenen Formen der Abhängigkeiten restultieren wird. Abhängigkeiten von Personen und Mitteln, bestimmten Verhaltensweisen usw. All das wird irgendwann als ineffektiv erkannt, da es immer nur für Momente eine Art Flucht ermöglicht. Auf längere Sicht aber wieder Leid erzeugt. Und nach und nach führt dieser leidvolle Weg zu Aufrichtigkeit, da es keine Alternative gibt. Denn er führt auch automatisch zu "sich-bewusst-machen"... da man durch leidvolle Erfahrungen gar nicht daran vorbeikommen wird. Es gibt m.A.n. also nicht zwei oder sogar mehrere Wege. Es ist immer derselbe. Die richtigen Hilfs-Mittel auf dem Weg helfen allerdings Zeit einzusparen, und eines dieser Mittel ist Psychotherapie. Aber auch da wird es so sein, dass es ein Mindestmaß an Aufrichtigkeit braucht, damit jemand sich überhaupt in Behandlung begibt. Ich glaube, dass viele unter denen die höllisch leiden, nicht mal zugeben würden das ihnen Hilfe gut tun würde, geschweige denn freiwillig eine Therapie irgendeiner Art anzustreben. Würden sie gezwungen... keine Ahnung, ob es dann helfen kann.
Wir Menschen machen uns alle gern etwas vor. Jeder liebt es, sich seine positiven Eigenschaften bewusst zu machen und die anderen lieber zu verdrängen.
Das ist ja dann ein krasser Mangel an Aufrichtigkeit. Und ich weiß auch nicht, ob das stimmt. Denn wenn jemand an dem Punkt ist, wo er erkennt das es hilfreich ist, positive Wirkungen erzielt, sich gerade das bewusst zu machen was man als negativ empfindet, gehen manche sogar auf die Suche danach was einem "erzeugen" dessen entspricht. Das ist ein Fehler den ich machte. Ich war so besessen davon meine negativsten Muster aufzudecken, dass ich gar nicht bemerkte das die Besessenheit, dieser Ehrgeiz selbst, negative Wirkungen erzeugte. Auch da kann man auf den Weg zu einer Art "Mißbrauch" geraten, womit ich letztlich meine, das es dann nicht mehr positiv sondern negativ wirkt.
Hinzu kommt der kulturelle Hintergrund, in dem man aufgewachsen ist. Kath. Kultur hat jahrhundertelang mit Schuld und Sünde gearbeitet.
Das beinhaltet leicht ein Schwarz-weiß-Denken von gut oder schlecht.
Dieses schwarz-weiß-denken ist, wie ich glaube, eine natürliche Funktion des Verstandes. Denn was sehr interessant ist: Er bewertet immer und Spielräume werden da eigentlich kaum gelassen. Ist etwas schwer zu formulieren... In jedem einzelnen Moment, ist der Verstand extrem, bewertet und urteilt extrem. Gut oder schlecht. Auf Zeit gesehen... viele dieser Momente aneinandergereiht, scheint es dann mal mehr mal weniger so, als sei er nüchterner, abgeklärter und differenzierter. Aber warum? Weil genau DAS wieder als eindeutig positiv bewertet wird: Die Fähigkeit zu differenzieren. Es erscheint paradox, letztlich ist es das nicht und diese Bewertungs-Funktion des Verstandes ist wahrscheinlich vollkommen natürlich und in jedem Einzelmoment deutlich extremer, als man oft erkennen kann.
Da wir alle aber weder ganz das eine sind, noch das andere, haben auch prizipiell gute Absichten oft andere Auswirkungen. Entweder wir gingen zu sehr von unseren eigenen Interessen aus (was oft unbewusst geschieht) oder wir leisten uns auch mal ein bisschen Verhalten, das anderen schadet, und verdrängen dies schnell.
Erwischen wir uns selbst, dass eine negative Sache auf unserem Verhalten beruht, schieben wir das - falls wir diese religiöse (veraltete?) Sichtweise verinnerlicht haben - auf andere. Andere sind schuld. Ich nicht.
Das Abschieben ist eine Folge von Bewertung. Wohin die Verantwortung, die dann vom Verstand in ein Schuldkonzept gekleidet wird, abgeschoben wird ist gar nicht so relevant. Es kann auch das Abschieben auf "sich selbst" sein... etwa auf gewisse Eigenschaften die man nicht kontrollieren kann, oder eben auf andere. Der wesentliche Punkt ist, das der Verstand alles was er als positiv bewertet auf die Habenseite bucht, irgendwo hat man dann genau das Richtige getan und die Kreativität sich selbst zu erklären, warum das nun nicht Glück sondern eigene Fähigkeit war, ist grenzenlos... Genau wie die Kreativität Rechtfertigungen und Schuldige zu finden, wenn etwas schief lief. Die Bewertungen sind die Basis, der Umgang damit... Vereinnahmen oder Wegschieben, eine Folge. Letztlich funktioniert der Verstand wirklich simpel, ist aber blöderweise klug genug das sehr effektiv vor sich selbst zu verschleiern.
Statt in Kategorien wie Schuld und Sünde zu denken, ist es meist besser, wenn wir uns überlegen, ob etwas der Sache oder den Absichten dienlich oder förderlich ist/war oder nicht.
Ja... finde ich eine sehr wichtige Aussage. Wenn man alles nur auf die eine Frage reduziert: Wie löst man effektiv Leid auf? ....spielen all die Spielchen irgendwann keine Rolle mehr, da sie nicht nur als ineffektiv erkannt werden, sondern sogar als Leiderzeugend. Denn wichtig finde ich auch: Leid ist nicht etwas das einfach da ist, damit man es dann auflöst. Leid ist etwas das erzeugt wird, immer und immer wieder und in jedem Moment aufs Neue. Die Frage, wie man Leid löst, wird beantwortet wenn man erkennt, wie man es erzeugt.
Nicht zu verurteilen oder zu bewerten, muss im Leben oft erst gelernt werden. Es hat den Vorteil, dass wir nicht nur mit den negativen Folgen des Handelns anderer besser klar kommen. Es hat auch den Vorteil, dass wir die Schattenseiten unseres eigenen Verhaltens besser annehmen können.
Ja, sehr richtig. Nicht zu bewerten, eine gewisse Disziplin des Geistes sozusagen, spült auch gleich die Tendenzen nach oben, die (noch) nicht erkannt wurden.
Und dies ist für mich eine der wesentlichen Voraussetzungen, um zu der von dir geforderten Aufrichtigkeit und Klarheit zu gelangen.
Du hast völlig Recht, wenn du annimmst, dass auch Therapeuten noch Leichen im Keller haben. Aber normalerweise sollten diese Leichen dem Therapeuten im Laufe seiner Ausbildung bewusst werden.
Das weiß ich nicht genau... Was mich immer wieder wundert ist, das die Psychologie von verschiedensten Theorien nur so überläuft, die Studenten und Therapeuten selbst aber nicht unbedingt in die Praxis umsetzen was sie nach außen hin als richtig und gut vertreten. Und das ist ja auch in ganz anderen Bereichen eine deutliche Tendenz. Letztlich wird in jeder Predigt im "Subtext" auch Konsequenz gepredigt. Das ist irgendwo immer dabei. Für Konsequenz braucht es Überzeugung und für Überzeugung braucht es mehr als nur Theorie, überzeugende Erfahrungen. Und wir leben in einer Gesellschaft wo zwischen Theorie und Praxis eine Grenze gezogen wird. So als ob irgendeine Theorie etwas wert wäre, obwohl sie nicht umsetzbar oder ineffektiv ist. Das fand ich schon immer verrückt... Wie Theorien bewundert und gelobt werden können, wenn im gleichen Atemzug gesagt wird: Ist nur leider nicht umsetzbar. Beispiel Kommunismus.
Wobei... das geht dann mal schnell OT.
Insofern schließe ich mich dir an, dass ich es gut finde, wenn Therapeuten bestimmte Patienten ablehnen, die zu ihren eigenen, noch nicht vollständig gelösten Problemen passen und so eine erfolgreiche therapeutische Unterstützung unmöglich machen würden.
Wenn ich dich richtig verstehe, gewichtest du Bewusstwerden und Klarheit in besonders starkem Maße. Hierin kann ich dir nur zustimmen.
Ich möchte aber zu bedenken geben, dass aus den von mir oben aufgeführten Gründen nicht jeder ohne therapeutische Hilfe fähig sein wird, dieses Bewusstwerden und diese Klarheit zu erlangen.
Ja... das ist eh ein Thema wo die Katze sich in den Schwanz zu beißen scheint. Ohne eine gewisse Klarheit und Bewusstsein wird der Schritt zum Therapeuten ja auch nicht unbedingt gemacht, oder er hat ein ganz anderes Motiv. Aber die Lösung wird das Leiden bringen... Das Leben therapiert letztlich doch sehr effektiv, was nicht bedeutet das es nur eines braucht... ich bin da Reinkarnationsgläubiger was das Thema betrifft.
VG,
C.