Hallo
Ich kann sowohl Camajans Ansicht, als auch lazpels Ansicht verstehen, sehe in beiden aber auch gewisse Widersprüche. Camajans Ansicht spiegelt für mich die Situation derer wieder, die von der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren und Angst haben, dieser Wohlstand könnte eines Tages ein Ende haben. Lazpel hingegen möchte diesen Wohlstand ebenso gerne in anderen Ländern wachsen sehen.
Dabei macht Camajan für mein Gefühl sich etwas zu wenig Gedanken über die Menschen, die nicht an dem Wohlstand profitieren und lazpel verschweigt, dass es für Deutschland und andere westliche Industrienationen natürlich Folgen haben wird, wenn die Länder der dritten Welt sich mehr Wohlstand erarbeiten.
Ich denke, wir müssen in einigen Punkten generell umdenken. Wir werden in der Zukunft nicht mehr solch einen Wohlstand haben, wie wir ihn in den vergangenen Jahrzehnten hatten. Länder wie China, Indien und Brasilien werden in den kommenden Jahrzehnten wirtschaftlich sehr grosse Fortschritte machen. und das geht eindeutig zu Lasten der bisher führenden Wirtschaftsnationen. Dort sind Massen von billigen Arbeitskräften, die dafür sorgen werden, dass sehr viele Kapitalgeber in diese Länder investieren werden und sie wirtschaftlich zum Blühen bringen werden. Man spricht sogar davon, dass die USA in etwa 50 Jahren wirtschaftlich von China überflügelt sein wird.
Es wird also eine Verlagerung der Kapitalflüsse von den bisherigen Industrienationen vorwiegend zu den jetzigen Schwellenländern China, Indien und Brasilien stattfinden. Das hat zwangsläufig zur Folge, dass die bisherigen Industrienationen einen Teil ihrer wirtschaftlichen Macht und den damit verbundenen Arbeitsplätzen, verlieren werden. Inwieweit der Export der bisherigen Industrienationen, darunter auch Deutschland, an die Schwellenländer, diesen Verlust an Arbeitsplätzen aufwiegen kann, darüber bin ich mir noch nicht im Klaren.
lazpel hat allerdings einen wichtigen Punkt angesprochen und zwar meine ich den Neo-Liberalismus. Wenn ich in den nächsten Jahrzehnten einen verstärkten Kapitalfluss in die Schwellenländer China, Indien und Brasilien erwarte, so muss man sich natürlich die Frage stellen, was sind das eigentlich für Gelder, die dort in die Wirtschaft der Schwellenländer fliessen. Wie werden diese eingesetzt, was für gesellschaftliche Folgen hat das für die Schwellenländer? Man muss sich auch einmal die Frage stellen, woher kommen eigentlich diese Gelder und wer verfügt über so viel Geld, dass er die Macht hat, die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Geschicke zu bestimmen.
Mit anderen Worten, man sollte sich einmal die Frage stellen, wer die Macht und das Kapital hat, solch einen Einfluss auf die wirtschaftlichen Geschicke ganzer Nationen auszuüben, denn diese Finanziers bestimmen nicht über die wirtschaftlichen Geschicke eines Landes, sondern sie versuchen weit darüber hinaus, Einfluss auf politische und gesellschaftliche Entscheidungen anzustreben. Warum aber wird das als naturgeggeben angesehen? Wieso hat jemand so viel Geld und soviel Macht? Und ich meine, hier muss in Zukunft viel stärkere öffentlichere Kontrolle ausgeübt werden. Es geht nicht an, dass solche Kapitalgeber das Recht haben, mit dem Argument der Schaffung von Arbeitsplätzen, die Gesellschaft in ein derartiges Chaos zu stürzen, wie sich das am Beispiel der Globalisierung in Indien darstellt.
In Indien wird z.B. die Infrastruktur an multinationale Konzerne verkauft. Wasser, Strom, Öl, Kohle, Stahl, Gesundheit, Bildung und Telekommunikation werden privatisiert. Die Demontage der Demokratie vollzieht sich in Indien mit der Geschwindigkeit und der Gründlichkeit eines Strukturanpassungsprogramms. Während das Globalisierungsprojekt der Konzerne das Leben der Menschen in Indien durcheinanderbringt, vertreiben groß angelegte Privatisierungen und sogenannte Arbeitsmarktreformen die Menschen von ihrem Land und aus ihren Jobs. Dadurch gedeihen Nationalismus, religiöse Bigotterie, Faschismus und natürlich auch der Terrorismus. Und dies wird nicht nur in Indien geschehen, sondern weltweit.
Darum meine ich, solle man solche wirtschaftlichen Entwicklungen viel stärker kontrollieren. Es geht nicht an, dass eine kleine Minderheit, die mehr oder weniger nur ihren persönlichen Profit im Auge hat, mit solch einen Macht und Unverfrorenheit über die Geschicke ganzen Nationen entscheidet. Hier muss viel mehr Transparenz geschaffen werden. Dieses hat natürlich global zu geschehen. Ich weiß, es wird nicht einfach sein, diesen ungehemmten kapitalistische Bestrebungen Zügel anzulegen. Wenn das aber nicht geschieht, so muss man sich nicht wundern, wenn am Ende verarmte Menschen, zerstörte gesellschaftliche Strukturen, Not und Elend übrig bleiben.
Über eines sollten wir uns in Deutschland allerdings auch im Klaren sein. Die Jahre des Wachstums, die Jahre des Wohlstands sind ein für alle mal vorbei. Viele glauben immer noch, er würde immer und immer weiter aufwärts gehen. Das aber wird es nicht mehr geben. Und darum sollte man genau so wie man sich bemühen sollte, global die Armut zu besiegen, dieses auf nationaler Ebene tun. Das heisst auch hier sollte man über eine gesellschaftliche Umverteilung nachdenken. Warum verankert man zum Beispiel nicht das Recht auf einen Arbeitsplatz in den Grundrechten. Es geht meiner Meinung nach nicht an, dass ein Teil der Gesellschaft beständig von der Armut bedroht ist. Hier könnte ich mir durchaus einen rotierenden Arbeitsplatztausch vorstellen. Einerseits sollte man viel mehr Geld in die Bildung, auch in die Fortbildung der Arbeitnehmer zur Pflicht machen. Es käme auch unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Gute. Andererseits meine ich, hat ein jeder das Recht auf einen Arbeitsplatz.
Als letztes sollten wir uns darüber im klaren sein, dass wir die Zukunft nur bestehen können, wenn gravierende gesellschaftliche Umwälzungen vorgenommen werden. Wenn ich mir zum Beispiel ansehe, was wir aus den Folgen des Hurrikans in New orleans gelernt haben, so stelle ich fest, dass das ziemlich wenig ist. Wenn die Ursachen des Hurrikans in der Erwärmung der Meere in der Luftverunreinigung zu suchen ist, dann sollten wir darüber nachdenken, wie lange wir uns den privaten Autoverkehr noch erlauben können. Haben die Schwellenländer China, Indien und Brasilien den gleichen Anspruch, wie die jetzigen Industrienationen, dann wird das massive globale Umweltkatastrophen zur Folge haben. Müssen wir diese Katastrophen erst am eigenen Leibe erfahren, um daraus zu lernen?
Alles Liebe. Gerrit