Hallo zusammen.
Ich denke ich könnte ein Advaita Vedanta Hinduist sein, wenn deren Einstellung nicht wäre, dass das individuelle Ich überwunden werden muss. Ich glaube, dass es nicht notwendig falsch ist seine individuelle Existenz als Mensch oder Frosch oder Eintagsfliege zu bestreiten.
Und am Ende ist es bedeutungslos, weil sich Brahman (oder bei Schopenhauer der Wille) sowieso immer wieder, gleichzeitig und über die Zeiten hinweg als individueller Atman inkarniert. Das Bewusstseinsnetz ist was es ist und Religion ist höchstens eine individuelle Spielerei. Daraus kann man wohl fatalistisch oder kreativ werden.
Aber insgesamt ist Advaita Vedanta vermutlich im großen und ganzen die korrekte Philosophie über den Geist und dadurch im Endeffekt auch "Gott".
In den letzten Jahren habe ich mich intensiv mit Advaita beschäftigt und komme für mich zu einem ähnlichen Ergebnis wie du, PsiSnake.
Bei dem was ich bisher so in der (virtuellen-) Szene mitbekommen habe, bin ich mir allerdings nicht sicher, was der Einzelne letzlich unter "Überwindung des individuellen Ich`s" versteht. Zumindest kursieren da scheinbar unterschiedliche Vorstellung, wie z.B. dass das Ich komplett verschwinden würde, oder auszumerzen sei, was ja so nicht ganz stimmt.
Die Ich-Funktionen bleiben erhalten und werden an einigen Stellen sogar gestärkt.
Was verloren geht ist die Identifikation mit dem Ich als ein gedankliches Konstrukt einer Ansammlung individueller Eigenschaften.
Der Mensch erkennt sich selbst (als) jenseits (s)eines Ich-Gebildes und verwechselt sich nicht mehr mit Selbiger Persönlichkeit. D.h. aber auch nicht, dass alle Eigenarten damit verloren gingen....das kann an einigen Stellen gut, aber auch schade sein, nech....
Naja, jedenfalls hat Ken Wilber in seiner integralen Psychologie eine schöne Erklärung dazu abgegeben, die ich gerne weiterverbreiten möchte
:
(ich hoffe das ist jetzt nicht zu sehr OT)
Es gibt eine beharrlich andauernde Verwirrung in der Literatur darüber, ob man zum Beispiel das Ich im Verlaufe höherer Entwicklung behält oder verliert. Die meisten transpersonalen Forscher sagen von den höheren Stufen, sie seien "jenseits des Ich" oder "transegoisch", was zu implizieren scheint, daß man das Ich verliert. Aber diese Verwirrung ist fast nur semantischer Art. Wenn man mit Ich eine ausschließliche Identifikation mit dem persönlichen Selbst meint, dann wird diese Ausschließlichkeit zum großen Teil verloren oder in höherer Entwicklung aufgelöst - dieses "Ego" wird zum größten Teil zerstört (und die höheren Stufen werden korrekt transegoisch genannt). Wenn man mit Ich ein funktionales Selbst meint, das sich auf die konventionelle Welt bezieht, dann wird dieses Ich ganz entschieden behalten (und oft gestärkt). Ebenso, wenn man - wie die Psychoanalyse ? der Ansicht ist, daß ein wichtiger Teil des Ich die Fähigkeit zu distanzierter Selbstbeobachtung ist, dann wird dieses Ich mit Sicherheit behalten (und fast immer gestärkt). Wenn Enger sagt, daß "Meditation Ichstärke fördert", dann hat er absolut recht. Auch wenn man mit Ich die Fähigkeit der Psyche zur Integration meint - wie die Ich-Psychologie -, dann wird dieses Ich auch behalten und gestärkt. Kurz, die Ausschließlichkeit einer Identität mit einem gegebenen Selbst (Körper-Ich, Persona, Ich, Zentaur, Seele) wird mit jeder höheren Stufe des Selbstwachstums aufgelöst oder gelockert, aber die wichtigen funktionalen Fähigkeiten jeder Stufe werden behalten, (holarchisch) inkorporiert und oft in aufeinanderfolgenden Stufen gestärkt.
(aus: Einfach Das, Fischer Taschenbuch 2001)
Nun kann vielleicht die Tatsache, dass Ich, Seele und SELBST gleichzeitig gegenwärtig sein können, zu einem besseren Verständnis des Begriffs der "Ichlosigkeit" verhelfen, der immer wieder für große Verwirrung sorgt. Ichlosigkeit bedeutet jedenfalls nicht das Fehlen eines funktionellen Selbst (das wäre ein Psychotiker, kein Weiser); es bedeutet vielmehr, dass man nicht mehr ausschließlich mit diesem Selbst identifiziert ist.
http://integralesleben.org/il-home/...egralen/kurz-gefasst/egolosigkeit-ich-selbst/
Also noch mal kurz zu Religionen die mich anziehen:
Kürzlich fand ich meine Einstellung zum Leben und zu mir selbst, als auch meinen bisherigen Entwicklungs-Weg zufälligerweise in wenigen Schriften der Gnosis wieder....und ich finde Advaita und die Gnosis ergänzen sich verdammt gut,
auch wenn ich bisher verhältnismäßig wenig über Letztere gelesen habe.
Ich würde jedoch beides nicht als Religion bezeichnen, weil jene, so wie Skipper38 in seinem/ihrem vorletzten Beitrag schon beschreibt, als Kontrollinstanzen fungieren, was auf Gnosis und Advaita nicht zutrifft.
Gleichgeblieben ist nur der Beherrschungseffekt über das Denken der Menschen.
...Auf Kosten der Selbstbestimmung des Individuums, das sehe ich ganz ähnlich.
Jedes starre System -ob gesellschaftliche Regeln und Übereinkünfte oder religiöse Dogmen- ist hinderlich auf dem Weg zu Selbstbestimmung und muss daher losgelassen werden.
Religionen sind nun mal Strukturbildend und bindend, so wird stattdessen die eigentliche Befreiung und das sog. Himmelreich, als vermeintlich einzig jenseitige Belohung zu einem Paradox und einer Grundfessel.
Die berühmte endlos-Karotte vor der Nase der gut-Gläubigen....
Aber, vielleicht kommt es auch darauf an, wie der Gläubige mit seiner Religion umgeht...
LG