Ja, wenn die Kinder von der Mutter ignoriert werden, das kann auch schmerzlich sein...
Missbrauch, Misshandlung - die kann auf viele Arten stattfinden. Da brauche ich nur an meine Schulzeit zurück zu denken. Gottlob hat meine Mutter sich immer um mich gekümmert, sonst säße ich heute wohl nicht hier...
Zwei Armbrüche, etliche Male k.o. geschlagen, beleidigt, bespukt, beschimpft und so weiter und so fort. Das von der zweiten Klasse bis zum Abschluss.
hehe, ich war damals immer die fette Sau, das dumme Schwein, der blöde Hund und was es nicht alles gab. Kindermund kann manchmal eine recht bildhafte Sprache verwenden.
Schlimm ist's wenn die Lehrer Partei ergreifen. Dann hast du wirklich ausgeschissen. Nein, ich war eigentlich ein normales Kind, aber da gibt's eine kleine Vorgeschichte. Wenn ihr Lust habt meinem alten Gejammer zu folgen, dann lest, wenn ihr's nicht wissen wollt - sucht euch ein anderes Thema.
Eure Wahl...
Mein Bruder...
...war ein wirklich netter Typ, freundlich, hilfsbereit, zuvorkommend, etc.etc.etc. - eigentlich das was man unter einem wirklich duften Kerl versteht. Dummerweise geraten dufte Leute immer an Arschlöcher, scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein. Lange Rede, kurzer Sinn - im Alter von neunzehn Jahren schmissen irgendwelche Mistkerle meinen Bruder während einer Zugfahrt aus eben jenem Zug. Er hat's nicht überlebt - C'est la vie, die Besten gehen zu erst...
Die Totenmesse fand in Köln Buchheim, in der zuständigen Pfarrei statt. Der Priester - ich wünsche normalerweise niemandem was schlechtes, aber der Hund soll elender verrecken als jeder andere vor ihm! - hatte leider verpasst der benachbarten Schule mitzuteilen das an diesem Tag keine Schulführung stattfinden sollte. Die kleinen, braven Kinder liefen daher durch die Bänke und streckten der Trauergemeinde die Zunge raus, zeigten Munter Vögelchen und waren zu allerlei anderen Späßen und Albernheiten aufgelegt.
Ja, Kinder können ein Segen sein - besonders wenn eine Mutter ihr eigenes Kind zu Grabe tragen muss...
Natürlich hat meine Mutter sich bei der zuständigen Diozöse beschwert, was dem Padre einiges an Ärger einhandelte.
Wisst ihr was lustig ist? Wenn diese Pfaffen von Gott und Nächstenliebe reden, selber aber nichts davon halten. Oh Himmel - wie ich diese Würmer verachte!
Egal, ich mache jetzt einen größeren Schritt von meinem dritten Lebensjahr, hin zu meiner...
...Einschulung!
Lustigerweise musste ich, vom Schulamt aus, auf ebene jene katholische Grundschule die die oben genannte Kirche als "geistigen" Beistand hatte. Der Rektor dieser Grundschule - ein gewisser Herr Blickhäuser, der einige Jahre später an Krebs verstarb (
Hoffentlich tats richtig weh!), war ein tiefreligiöser und guter Katholik.
Bitte, verzeih mir meine kleinen Hassausbrüche die zwischenzeitlich in meinen Text einfließen, aber manche Erinnerungen bewegen mich einfach dazu - auch wenn ich hier mit einem leicht schiefen Lächeln sitze. Ich lächle gerne - kennst du den Spruch; "
Lache, und die Welt lacht mit dir. Weine, und du weinst alleine"?. Doch, ich lache gerne...
Jener gute und Gottestreue Mann gab natürlich viel um das, das ihm der Priester nahe legte. Der sann auf Rache, bekam er doch vom damaligen Kardinal die Auflage sich öffentlich für das - mit Verlaub - kleine Missgeschick in seiner Kirche, zu entschuldigen. Kaum das ich eingeschult war, wusste natürlich auch der Priester das ich in "seiner" Schule bin, das ich, der Sohn dieser elenden Person die ihm soviel Verdruss bereitete, in seinem Einflussbereich hänge.
Ein Opfer war geboren - irgendwann werde ich dieser Kreatur begegnen, dann gnade ihm Gott!
Ich war kein besonders auffälliges Kind, trug normale Kleidung, interessierte mich für das, wofür sich Kinder im Alter von sechs Jahren nun mal interessieren und so weiter und so fort - keine Auffälligkeiten. Kinder streiten sich mitunter, normalerweise regeln sie aber auch die Dinge unter einander. Aber wenn dann ein Lehrkörper ankommt und sich einen der Streithähne ausmacht um ihn, vor den Augen der anderen Kinder, ganz klar als Schuldigen hinstellt, dann lockt das. Das ist nahezu eine Einladung zum ärgern, zum Hänseln und zu verprügeln...
...was dann auch geschah. Ich will meinen Ar** darauf verwetten das der Priester und der Rektor da ihre schmutzigen Hände im Spiel hatten, denn egal was war, wenn ich in der Nähe war, war ich's Schuld. Der erste Armbruch mit sieben - eine Horde meiner Schulkameraden hatte mich munter über den Schulhof gehetzt - unter den Augen der Aufsichthabenden Lehrkräfte - mich irgendwie dazu bewogen mein Heil in der Flucht zu suchen. Ich war gerade dabei über die Mauer zu klettern, welche die Begrenzung des Schulhofes darstellte, als die Horde mich dann doch erwischte.
Sie zerrten mich kurzerhand runter. Knappe 1 1/2 Meter auf den Boden - war ein relativ komplizierter Bruch den mein rechter Arm damals davon trug...
Stock und Stein, Brechen mir Glied und Bein - Worte, die konnten mir damals was anhaben...
Ich wurde mit meinem Armbruch im Kinderkrankenhaus Amsterdamer Strasse in Köln behandelt - eine gepflegte Einrichtung. Vor drei oder vier Jahren gabs da einen kleinen Skandal mit Salmonellen - mich wundert's nicht, was mich wundert ist das die Verwaltung diesen Miniaturpuff noch nicht dichtgemacht hat.
Unter anderem wurde ich dort mit Cortison behandelt - wer das Zeugs kennt, der weis das man davon ganz schön aufquellen kann - ich erinnere mich noch gut daran das ich auf gut das doppelte angeschwollen war, wenn ich heute in den Spiegel sehe. Ich war nie schwanger, weil technisch unmöglich, trotzdem habe ich ausreichend Schwangerschaftsstreifen. Auch etwas das mich hin und wieder an meine glückliche Kindheit erinnert...
Nach knapp zwei Wochen - mir kam es damals länger vor - kam ich aus der Klinik und durfte mich wieder unter meine Mitschüler mischen. Ganz drei Tage war ich wieder da, da begann die Tortur vom neuen - dank Cortison kam noch ein weiteres Schimpfwort auf mich zu; "Fette Sau". Ich wurde gemieden wie die Pest und die Lehrer konnten wohl mit einer solch fetten Sau auch nichts gescheites anfangen. C'est la vie - das ich vorher ein normales Gewicht hatte, das war egal - ich war's ja selber Schuld, was lege ich mich auch mit zwölf anderen an?
Ein schwacher Trost blieb mir, ich musste mir das "Fette Sau" nur zwei Wochen anhören, danach kam der nächste Krankenhaus Aufenthalt auf mich zu; wieder mal der Arm - diesmal war ich, laut Aussage der Lehrer, auf der Treppe ausgerutscht. Kann ja hin und wieder passieren wenn da so ein fettes Tier kommt. Nein, ein Tier wird besser behandelt - Schlachtvieh trifft's wohl eher. Das mir jemand auf dem Schulhof mit einem Ast mal so richtig zeigen wollte wie er zuschlagen kann, das interessierte ja niemandem; eine fette, verlogene Sau eben - niemand dem man Augenmerk schenken musste...
Oh, bevor ich's vergesse; es gab damals zwei Leute - Kinderpsychologen - die sich mit meinem "Fall" befassten. Diese bestätigten das ich keine Schuld trug an dem was passierte. Sie traten sogar für mich ein - bis sie plötzlich abgezogen wurden. Von Herrn Dr. Piccart weis meine Mutter das dies auf Anweisung des Schulamtes geschah, nachdem der Direktor sich beschwert hatte das er dort die Umstände bemängelte. War natürlich eine inoffizielle Information, der Mann wollte ja seine Stelle nicht gefährden - irgendwie bin ich ihm trotzdem dankbar, weil ich mich sonst weiter mit Selbstzweifeln befassen würde; "War ich's vielleicht wirklich selbst Schuld?"...
Ja, Rektor und Lehrerschaft sorgten damals dafür das ich was besonderes war, so war mein Weg auch schon geebnet: Sonderschule. Hat einen miesen Beigeschmack das Wort, oder? Man implementiert damit Dummheit, ADS, Geistesgestörtheit und andere unschöne Dinge. Aber lass mich noch ein wenig erzählen. Zum Beispiel von der...
...Prüfung zur Umschulung
Ja, das ist auch ein Thema für sich. Ein interessantes Phänomen war, das ich die mangelnden - eigentlich gar nicht existierenden - Freunde durch Lesen komprimierte. Lesen, versuchen, begreifen. Man lernt unheimlich viel dadurch, auch als Kind - so wurde mein IQ - Zahlen auf die ich heute zwar nichts mehr gebe, die mir damals aber dennoch schmeichelten - auf 145 gesetzt. Eigentlich genug um eine höhere Schule zu besuchen, was die damaligen Pädagogen auch empfahlen. Dummerweise wollte da das Schulamt nicht mitspielen - hatten sie doch etliche Briefe von einem gewissen Rektor erhalten die mich als dumm, als introvertiert und unfähig zur sozialen Kommunikation auswiesen.
Ok, meine Mutter gab alles was sie hatte; Arbeiten musste sie ja, wollte sie mir doch ein gutes zu Hause gewähren. Sie lief von der Arbeit zum Schulamt, zum Jugendamt, etc.etc.etc. - jede freie Minute hatte sie geopfert um zu verhindern, was nicht zu verhindern war.
Natürlich, jeder vernunftbegabte Mensch begreift irgendwann das etwas aussichtslos ist, also wollte sie dafür sorgen das ich in ein Internat kam, weg vom Kölner Schulamt, hin zu einer sicheren Zukunft. Das Internat hätte damals rund 3500 Mark gekostet - im Monat! Also Beihilfe beantragen - wo kann man das besser als beim Jugendamt? Die haben schließlich auf ihren Fahnen stehen das sie sich um Kinder und Jugendliche kümmern...
Du kennst die Redewendung bei der man vom Regen in die Traufe kommt?
Das Jugendamt trug Sorge dafür das ich von Köln wegkam. In das Heilpädagogische Kinderheim Eitorf...
Heilpädagogisch - ein hübsches Wort, aber es umschreibt nur eine Wohnanstalt für schwer Erziehbare, kurz; für Asoziale, für seelische und moralische Versager.
Was soll's, immerhin durfte ich mich dort wehren, die Erzieher haben so oder so weg gesehen. Kalle hatte seine Hamster mit Wurfpfeilen gekillt?
"Ach, das sind doch nur Kinder.."
Marcel hat den kleinen Rene vergewaltigt?
"Pubertäre Spielchen, das ist doch nicht Ernstzunehmen..."
Marcel wollte es auch mal bei mir versuchen - hat ihn zwei Schneidezähne, eine ausgekugelte Schulter sowie ein gebrochenes Kniegelenk gekostet. Ich schätze der denkt heute noch voller Liebe an mich.
Ein knappes halbes Jahr war ich in dieser tollen Institution, war ich noch in der Hauptschule, bis meine Mutter merkte was dort ablief und mich herausholte.
Interessant, vor allem im juristischen Kontext, ist das die Leitung des Heimes mich zur Sonderschule anmeldete - obwohl sie kein Sorgerecht für mich hatten. Es wurde gerichtlich dagegen vorgegangen, sogar mit Erfolg - aber Erfolg ist relativ. Wenn irgendein Schulleiter sieht das da ein Jugendlicher schon für eine Sonderschule angemeldet war, dann will er sich dieses "Problem" natürlich nicht aufhalsen. Lange Rede, kurzer Sinn - nach gut anderthalb Jahren ohne Schule gaben wir auf - ich musste wieder zur Schule. Also kam ich endlich in eine Sonderschule für Erziehungshilfe.
Dort lernte ich interessante Dinge wie Klauen, Rauchen und Prügeln - fatalerweise war das nichts was mich sonderlich interessierte. Also verbrachte ich die meiste Zeit außerhalb der Schule, ich schwänzte, kam im Unterricht aber ohne weiteres mit. War ja keine wirkliche Anforderung was dort "vermittelt" wurde...
Das ich bei den ganzen Fehlzeiten dort meinen Schulabschluss nicht schaffte, das sollte jedem klar sein. Meine Lehrerin teilte mir dies auch schon zu Beginn des letzten Schuljahres mit. Also bestand für mich auch keine Veranlassung noch weiter zur Schule zu gehen und mich mit diesen elenden Halbstarken rumzuprügeln - dies teilte ich ihr ebenfalls mit, mit den Worten das ich meinen Abschluss eben nachholen würde. Sie hat's mir nicht zugetraut...
Egal, mit sechzehn ging ich dann, schweren Herzens, zur VHS und holte dort meinen Abschluss nach. Schweren Herzens?
Ja denkst du etwa ich hatte noch besonders viel Lust auf Schule???
Der Abschluss hat einen mittleren Notendurchschnitt - hätte ich etwas mehr Begeisterung gezeigt, dann hätte ich heute mein Abitur. Aber was soll's?
Vergangenen Chancen soll man nicht nachtrauern.
So, genug alten Kaffee aufgewärmt - zurück zur....
...Gegenwart
Heute bin ich stolzer Besitzer eines mittleren Hauptschulabschlusses und kann das Ding eigentlich in die Tonne treten. Mal ehrlich, ich habe nichts gelernt, bin das, was man im allgemeinen, als Taugenichts bezeichnet - ein stets ersetzbarer Mitarbeiter den man so mies bezahlen kann wie man will. Eine Therapie hatte ich nie. Bis im Alter von achtzehn Jahren trug ich Selbstzweifel in mir, war ich's doch Schuld?
Hatte ich die anderen nicht auf irgendeine Art provoziert?
hab ich die ganzen Jahre des Prügelns und Verspottens nicht verdient??
Ich muss doch lächeln wenn ich mich erinnere; der Fluss wollte mich nicht - er hat mich mit einer Lungenentzündung wieder ausgespuckt.
Das Medikament hat mich nicht umgebracht, mir aber einige Tage heftige Kreislaufstörungen eingebracht...
Und das Dach? Da hat mich jemand anderes abgehalten - irgendwo hier im Forum habe ich erwähnt das es persönliche Erfahrungen sind, die einem beweisen das mit dem Tod nicht alles vorbei ist, das war meine...
Opfer...
Ich war lange Zeit ein Opfer, könnte mich eigentlich heute zurücklehnen und auf dieses Opfersein beharren, aber ganz ehrlich?
Ich Lebe, ich habe erfahren was es bedeutet zu Leiden. Aber gerade deswegen genieße ich heute das Leben in vollen Zügen, das sind Erfahrungen die mich stark machen, die mir zeigen wie ich anderen, denen es so geht wie es mir ging, helfen kann. Klar, ich könnte jammern, manchmal - wenn's keiner sieht, dann mache ich's auch - aber ich lasse mich nicht hängen. Ich habe zu sehr um mein Leben gekämpft, als das ich es heute einfach so an mir vorüber ziehen lassen wollte...
Was macht das Opfersein aus?
Sich immer an das alte Leiden zu erinnern, oder sich zu sagen "Ich habe das überstanden, da schaffe ich auch noch den Rest!"?
Man muss das Leben zulassen. Ich begegne jeden Tag neuen, wunderbaren Menschen - nur weil ich lächeln kann, weil ich ihnen mitteile was ich denke.
Weil ich ihnen mit Liebe begegne...
Schwangerschaftstreifen, dicker Bauch - na und?
Ich zähle, nicht nur mein Äußeres, nicht nur das was ich erlebte - die Täter von einst? Irgendwann werden sie mir begegnen, und dann werden sie sich rechtfertigen dürfen - aber bis dahin habe ich hoffentlich noch ein langes, und angenehmes Leben vor mir.
Hoffentlich hab ich euch mit meiner kleinen Tour durch etwas unschönere Erinnerungen nicht gelangweilt...
Liebe Grüße
Ingo