Umgang mit Kindes- Mißbrauch, Mißhandlung, Vernachlässigung in unserer Gesellschaft..

Liebe Cailly,

nach einem Deiner letzten Threads - in welchen ich zufällig und nichts ahnend hinein stolperte - habe ich mir ein paar Deiner Beiträge durchgelesen und war teilweise wirklich erschüttert. Du hast Unglaubliches in Deiner Kindheit erleben müssen und ich kann nur vermuten, wie Du Dich oft fühlen musst und auch die massiven Probleme auf physischer Ebene, sind nur zu gut nachvollziehbar und verständlich.

Ich gehöre zwar nicht zu den Nicht-Opfern, aber das zu lesen, das Ausmaß dieser Verletzungen zu erahnen, das hat mich sehr betroffen gemacht. Ich weiß auch jetzt nicht so recht, was ich Dir raten könnte, aber was mir schon so oft auffiel, dass Du immer wieder diese 100-Stunden-Grenze der KK erwähntest und sozusagen eine Zwangspause einlegen musst.

Ich habe viel über Dich und das Geschilderte nachgedacht und in diesem Zusammenhang ist mir noch eine Alternative dazu eingefallen. Bei uns hier (Bayern) gibt es überall Psychologische Beratungsstellen von der Kirche, man kann dort auch verschiedene Therapien machen, kostenlos und anonym (habe heute mal angerufen) und es wird wohl gerne genutzt. :)

In anderen Bundesländern gibt es auch Hilfsorganisationen, z.B. Wildwasser o.ä., welche ebenfalls kostenlos Hilfe anbieten. Weiß ja nicht genau wo Du wohnst, aber google doch mal, vielleicht findest Du in Deiner Nähe etwas…ist doch zumindest einen Versuch wert. ;)

Eine Aufarbeitung auf spiritueller Ebene halte ich auch für sehr sinnvoll und vielleicht kann man beides miteinander gut ergänzen.

Wie man hier in diesem Thread sieht, hat jeder eine andere Möglichkeit für sich gefunden, sich mit dem Erlebten auseinander zu setzen bzw. damit umzugehen…ich denke jede hat ihre Berechtigung, Hauptsache derjenige fühlt sich gut und lebens- und liebesfähig damit.

Früher war ich auch immer der Meinung, alles Stück für Stück aufarbeiten zu müssen, jeden einzelnen Schmerz – welchem ich mich durch Verlassen meines Körpers entzogen hatte - noch mal durchleben zu müssen, um ihn „verarbeiten“ zu können….habe auch einiges versucht, doch wirklich weiter gekommen bin ich damit nicht.

Für mich persönlich war es am einfachsten alles so anzunehmen, denn ändern kann man daran sowieso nichts mehr. Stattdessen schaue ich mir in bestimmten Situationen, in welchen ich unverständlich reagiere an, weswegen das so ist und mache es mir bewusst...wie jemand der Höhenangst hat und auf den Eifelturm klettert.

Schon vor langer Zeit habe ich mich versucht in die „Täter“ hinein zu versetzen, hinein zu fühlen und habe Unglaubliches dabei entdeckt…:(
Übrig blieb ein Gefühl des Mitleids (wobei das Wort nicht wirklich passt) eben für diese Menschen, sie waren so unsagbar schwach und hilflos, sie waren auch alle nur Opfer ihrer eigenen Erlebnisse, Gefühle und ihrer Zwänge & Verstrickungen. Ich habe erkannt, dass ich in meinen schwächsten Momenten um ein Vielfaches stärker war als sie alle miteinander, selbst als Kind habe ich mich nie als Opfer gefühlt…(das klingt gerade komisch…hm..).

Wenn ich so überlege, selbst als kleines Kind fühlte ich mich innerlich stark und habe trotz meiner geringen Körpergröße auf jene mit einem Gefühl von Verachtung und Überlegenheit „herab gesehen“…mir fallen da gerade komische Szenen ein…

Bin gerade selbst etwas durcheinander, denn so habe ich es noch nie betrachtet, zumindest nicht bewusst….es war immer nur so ein unbewusstes Gefühl, doch jetzt beim Schreiben hat sich das gerade heraus kristallisiert und es erschreckt mich selbst ein wenig, das zu lesen, was ich hier schreibe…sehr eigenartig…*grübel*

Womit ich aber massiv zu kämpfen hatte, waren Schuldgefühle. Schuldgefühle jeglicher Art…und ehrlicher Weise habe ich die auch manchmal heute noch, allerdings in anderen Zusammenhängen. Ich habe einfach eine gewisse Grundtendenz zuerst die Schuld, egal wofür, bei mir zu suchen….manchmal echt nervig. Bin gerade dabei, dieses Wort aus meinem Wortschatz zu verbannen…*lach*

Na ja, was ich eigentlich sagen wollte, trotz allem oder vielleicht gerade deswegen habe ich mich zu einer starken Persönlichkeit entwickelt und ich sah mich nie in der Opferrolle. Und jeder der mich kennt, würde das auch nie und nimmer vermuten, ganz im Gegenteil.

Ich glaube, jetzt habe ich es endgültig geschafft mich selbst in Verwirrung zu stürzen…*zwinker*….denn ein anderer Gesichtspunkt wäre, ob man nicht vieles unbewusst verdrängt? Hm….das muss ich mal erfühlen…will mir ja nicht selbst in die Tasche lügen...;)

Liebe Cailly, ich hoffe, dass ich Dich nicht auch noch verwirrt habe…*hoff* und wünsche Dir von ganzem Herzen, dass Du Deinen Weg finden mögest, mit all dem Erlebten klar zu kommen.

Ach ja, was mir in dem Zusammenhang auch noch einfällt…ich habe jetzt oft von Dir gelesen, dass Du Deine Liebe „anbietest“…das gibt mir arg zu denken und tut irgendwie weh das zu sehen. Eine Frage die sich daraus ergibt – kannst Du Dich selbst vorbehalt- und bedingungslos lieben????

Denn das zu lernen ist wohl für uns das Schwierigste überhaupt und für manche besonders schwer, aber erst wenn wir das geschafft haben, können wir auch andere aufrichtig und wahrlich lieben. Liebe fordert nicht, Liebe ist frei von Ängsten, Liebe ist das einzige was sich unendlich vermehrt, wenn wir sie verschenken, ohne etwas zu erwarten. Und dann brauchen wir auch niemandem mehr unsere Liebe versichern, denn derjenige wird sie spüren, annehmen, genießen und erwidern…...wir werden einfach geliebt, so wie wir sind…*lächel*

Ich wünsche Dir (alles) Liebe,

herzliche Grüße
Ceseena
 
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Liebe Cailly,

ich sehe gerade erst Deine Signatur...

man kann sich nur selbst lieben, wenn man weiß wie es sich anfühlt geliebt zu werden*

...also diesen Ausspruch finde ich...nun ja...bedenklich...*Kopf kratz*

Er beeinhaltet ja so gesehen schon eine "Forderung" nach Liebe von außen...liebe mich, damit ich weiß wie es sich anfühlt, sonst kann ich mich selbst nicht lieben...:(

Das ist - meines Erachtens - der völlig falsche Ansatz.
Das ist ja, als würde man ein Pferd von hinten aufsatteln und sich dann wundern, wenn es in die falsche Richtung läuft. ;)

Und wenn ich mir versuche vorzustellen, wie das auf mich wirken würde, also wenn mir jemand mit dieser Einstellung begegnen würde, ich denke - bei allem Verständnis und Mitgefühl - ich würde... :escape:

Bitte beginne doch Dich selbst anzunehmen, so wie Du bist, mit allen Vorzügen und Schwächen, mit allem Erlebten, mit allen Besonderheiten...nimm Dich an und beginne Dich selbst zu lieben! Glaube mir, Du bist es wert geliebt zu werden, deswegen schenke Dir diese Liebe und Aufmerksamkeit, welche Du derzeit noch vergeblich versuchst anderen hinterher zu tragen.

Ich weiß, es ist nicht leicht sich selbst zu lieben...doch wenn man all diese Energie, die man verbraucht, um Glück im Außen zu finden, sich selbst schenken würde, wäre das ein großer Schritt in die richtige Richtung. :)

Und nur ein freudiger und glücklicher Mensch kann von Herzen GEBEN, alles andere laugt ihn auf Dauer aus, macht müde und leer. Deswegen achte auf Dich, sei gut zu Dir selbst, nimm Dich an und beginne Dich zu mögen, lerne Dich zu lieben, dann ist die Liebe von außen auch nicht mehr existenzwichtig für Dich....sie ist dann nur ein wunderschönes Geschenk, welches ganz von alleine kommen wird - denn Geschenke fordert man nicht ein. ;)

hoffnungsvolle Grüße
Ceseena
 
hallo ceseena,

nein diese "signatur" hat nix mit fordern zu tun, sie ist eine erkenntniss zu der ich gekommen bin bei dem Versuch mich selbst zu lieben...
eben weil ich zwar andere - sowohl aussen wie auch innen - lieben kann, aber ich eben auch gemerkt habe das ich es bei "Mir selbst" nicht kann, eben weil ich nicht weiß wie es sich anfühlt geliebt zu werden....denn jedesmal wenn ich dachte es zu wissen musste ich erleben das es "nicht so war"...
und ich bin so zu der erkenntniss gekommen, das ein ganzes Stück wahrheit dahintersteckt - auch durch gespräche mit anderen betroffenen denn diejenigen die "von aussen" erfahren durften wie es sich anfühlt geliebt zu werden - die haben es auch geschafft sich selbst zu lieben, wobei es nicht unbedingt "partnerschaftliche dauerhafte Liebe" sein musste, sondern oft sogar eher nur vorrübergehende platonischere Liebe war - wohingegen diejenigen die es gar nicht erleben konnten auch nicht schafften sich selbst zu lieben.... es ist also schon wichtig dieses "erfahren wie es ist geliebt zu werden" zu erleben, weil es irgendwo eine "essentielle Grunderfahrung" ist, wobei erstaunlicherweise genau die Überlebenden die es erfahren haben meinen es wäre nicht nötig, die anderen jedoch wissen einfach nicht was sie wirklich suchen...

übrigens was die "Alternativen Therapiemöglichkeiten" betrifft - leider wohne ich in einem Teil Deutschlands, wo es sehr viele Mißbrauchsüberlebende gibt - so viele das zuwenige frei Plätze vorhanden sind was dazu geführt hat das in den wenigen Bereichen wo es "kostenlose Möglichkeiten" gibt, ebenfalls lange Wartezeiten bestehen und viele die "anderenortes" Kostenlose Möglichkeiten anbieten hier nur kostenpflichtige anbieten.

Übrigens - wie soll ich mich selbst mit allem annehmen, wenn ich immer wieder erlebe das ich auf Ablehnung im Aussen Stoße, wenn ich dem was mir angetan wurde keinerlei Sinn geben kann und wenn mir immer nur Fehler, Schwächen und Mängel vorgehalten werden, während meine Stärken zunächst als gut und richtig, dann aber, wenn sie unbequem werden, als "Fehler" abgetan werden?

Und noch eins - was ich für nicht all zu unerheblich ansehe - der Mensch ist kein Einzelgänger, sondern eher ein "rudeltier" - somit ist auch das "sich irgendwo dazugehörig zu fühlen" ein "grundbedürfniss" eines Menschen - wobei es sicher abhängig davon ist wie der einzelne veranlagt ist wie stark es ihn beeinflusst.

liebe Grüße,
Cailly
 
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Liebe Cailly,

es tut mir leid zu hören, dass Du bei Dir keine weitere Möglichkeit hast professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen…dachte es wäre vielleicht noch eine Idee.

Zu dem Rest weiß ich ehrlich gesagt gar nicht, was ich momentan sagen soll…man kann ja immer nur aus dem eigenen Potential schöpfen und hat immer seine eigene Sichtweise der Dinge…doch diese ist eben meist subjektiv und jeder empfindet es anders.
Kein Weg erhebt den Anspruch darauf, der einzig wahre zu sein, im Gegenteil, es ist etwas ganz Individuelles und jeder muss seinen eigenen Weg finden und diesen nach bestem Wissen und Gewissen gehen.

Dafür wünsche ich Dir alles Liebe und viel Kraft, :umarmen:

herzliche Grüße
Ceseena
 
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