venus-pluto
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Klassisch vorbei gelesen: ich habe Zeitdruck auf Film als Medium per se bezogen. Man kann Film bis etwa 120 Minuten vertreten, längere Formate funktionieren wegen Aufmerksamkeitsdefiziten beim Publikum nicht oder nur als Serien… Das hat nichts mit Story zu tun, wir wissen, dass die Buddenbrooks auch verfilmt wurden, wie Krieg und Frieden oder das Neue Testament. Aber alle diese Schinken mussten irgendwie in 120 Minuten gepresst werden -- und das nenne ich die Zeitnot des Regisseurs.
Veto, lieber hi2u, ich hab da auch schon anderes erlebt: einen von mir zunächst als völlig beknackten sogenannten vorverurteilten "Echtzeitfilm", der im Programmheft mit unglaublichen DREI Stunden angegeben war. Ich hasse Filme, die so lang sind, hatte aber nix anderes zu tun, also setzte ich mich in das Kino, weil ich ja jederzeit eh hätte rausgegen können. Was da passiert ist, war der Hammer. Und das ging allen im Publikum so: die drei Stunden wurden quasi zu drei Sekunden. Wir waren danach alle wie geflasht. Ein unglaubliches Erlebnis. Doch in dem Fall waren wir die Protagonisten. Wir, die Leute im Publikum, waren es, die plötzlich eine Rolle übernahmen. Die des Voyeurs und quasi auch Kontrolleurs, weil wir den Protagonisten Absichten unterstellten, die ja ansich nur aus uns kommen konnten. Unsere Gedanken steuerten also das Geschehen, weil alles offen blieb, was auf der Leinwand geschehen könnte. Jeder im Publikum hatte seine eigenen Gedanken dazu und die Gespräche nach dem Film waren ausgesprochen fantasievoll. Jeder gebar in diesen drei Stunden seine eigenen drei Helden mit eigenen Charakteren und jeweiligem Background.
Jetzt übersetzen wir das Ganze mal ins Leben: wir sehen doch eh nur das, was wir sehen wollen und was unser Geist zu sehen bereit ist. Oder? Da kann ein Mensch blank und rein vor einem stehen und doch wird er immer wieder gezielt zur Fläche eigener Projektion. In jedem Schmachtschinken der Filmgeschichte wird das genauso der Fall sein: Identifikation findet dort statt, wo es etwas zu indetifizieren gibt und der Mensch neigt eben dazu, nur das entdecken zu können, was sich mit ihm selber deckelt. Wissen und lebenslange Theorie-Studien bringen da einen Scheiss! Wir können ein bisschen rummanipulieren. Im Radius unseres eigenen Ermessens. Doch dann ist auch schon Ende Gelände. Keiner wird mir folgen oder dir, wenn er nicht ansatzweise was mit unseren Äusserungen anfangen kann. Wir können schreiben, was wir wollen, reden, so viel wir wollen...die Tropfen werden nur auf den Stein fallen, der auch dafür die Fläche bietet.
Ob nun Romanheld oder Drehbuchfigur, ob Comicstar oder Pornosternchen...Pol sucht Gegenpol. Wenn ein fiktiver Charakter diesen bildet, isser einfach da und auch ernst zu nehmen, egal wie lächerlich das zunächst erscheinen mag. Es hockt ein komplexes Gebilde am anderen Ende. Und was komplex ist, verfügt auch über eine Radix . Wäre dem nicht so, wäre dort ein undefinierbares Nichts. Und dieses Nichts würde dann irgendwas oder irgendwen bewegen, wie es beispielsweise fiktive Figuren tun können???
LG!