Lotusz schrieb:
Hallo Route666
Ist das jetzt ernst gemeint? Glaubst Du wirklich daran? Dann bist Du allerdings sehr leichtgläubig. Trotzdem wünsche ich dir ewige Jugend. Aber wir sprechen uns in dreissig Jahren wieder. Und dann schauen wir einmal, was von deiner ewigen Jugend übrig geblieben ist. Zuvor kannst Du dir die Menschen ja schon einmal ansehen, die die
5 Tibeter schon seit dreissig jahren praktizieren. Aber wundere dich nicht, wenn Du nur ältere Leute antriffst.
Alles Liebe. Gerrit
Ich halte die 5 Tibeter für einen Witz um ehrlich zu sein, und ich denke die Geschichte ist erstunken und erlogen. Ich finde es erstaunlich, einen völlig unkritischen Hinweis zu diesem Buch auf deiner Homepage zu finden.
Hier ein Artikel von Susanna Schwager aus der Weltwoche Ausgabe Nr. 46/99, 18.11.1999
Eine Gesundheitsfibel verspricht ewige Jugend und verkauft sich mehr als zwei Millionen Mal. Doch sind die östlichen Weisheiten samt und sonders frei erfunden?
Hand aufs Energie-Chakra: Auch in Ihren hoffnungslos alternden Sphären dürfte bereits jemand erfolgreich mit dem Büchlein gewedelt haben. «Alles, was nötig ist, ist, die fünf Riten täglich zu üben. Das ist das wunderbar einfache Geheimnis, das der ganzen Welt nützen könnte, wenn es bekannt wäre», lehrt uns die zu Weltruhm gelangte Fibel «Die Fünf Tibeter oder das Geheimnis der Quelle der Jugend», die in Deutschland vor zehn Jahren beim unbekannten Integral-Verlag herauskam. Seit sieben Jahren auf der Bestsellerliste des «Spiegels», weltweit über zwei Millionen Mal verkauft, in über zwanzig Sprachen übersetzt, verkündet die Schrift das Geheimnis ewigen Jung- und Wohlseins.
In diesem Jahr hat der Scherz-Verlag das Büchlein unter seine Fittiche genommen und nach allen Regeln der Merchandising-Kunst weitere Tibeter-Eier zum Wohle der Menschheit ausgebrütet: acht Folgebände (unter anderem Tibeter für Kinder und Feinschmecker) und Zubehör zum Training und zum Verschenken. Das alles zu sphärischen Preisen, das Glück darf was kosten.
Das Berner Verlagshaus hat mit den Tibetern genau die richtige Screen gefunden, um ausgelaugte westliche Jobverrichter und absturzgefährdete Buchhändler (diese werden angehalten, an ihren besten Adressen «Tibeter-Schnupper-Events» zu organisieren) mit einer höchstprofessionellen Marketing-Maschine anzubaggern und zu fleissig kaufenden, verkaufenden und gratis werbenden Anhängern zu machen. «Das Netzwerk der Tibeter-Familie wächst», verkündet der Katalog. Bereits «öffnen im deutschsprachigen Raum mehr als 1,3 Millionen Tibeter Horizonte». Leise locker, esoterisch ästhetisch: Da bleibt den alternden Oshos und Gurus, den gestrengen Scientologen wohl die Spucke weg.
Was steht denn drin in diesem Buch gewordenen Marketing-Wunder? Vor vielen Jahren, es müssen die dreissiger Jahre gewesen sein, habe sich eines schönen Nachmittags irgendwo in den Vereinigten Staaten ein alter Mann neben einen jüngeren auf eine Parkbank gesetzt und ihm eine verrückte Geschichte erzählt. Der alte Mann war ein ehemaliger Commonwealth-Offizier (gibt es etwas Seriöseres?) mit Namen Colonel Bradford, der jüngere ein Adoptivkind mit nicht lokalisierbarer Herkunft, ein Weltenbummler und Schreiberling namens Peter Kelder.
Der, wie sich zeigen wird, geheimnisvolle Peter Kelder entlockte der alten Konserve (ewig vierzig) nach und nach das Geheimnis des Jungbrunnens, das der Colonel in einem nicht minder geheimnisvollen und ebenso wenig lokalisierbaren Kloster im mystischen Tibet aufgespürt haben soll.
Ein überraschend simples Geheimnis: je nach Bewusstseinsgrad fünf bis sieben Übungen, «Riten», die zu früh Vergreiste mit geringem Zeitaufwand (zehn Minuten) zustande bringen: das Drehen an Ort, die Kerze ohne Hinternstemmen, das ziemlich katholische Knien, die Brücke und eine Liegestütze, wie sie die Kinder machen (nur mit Hintern wippen). Noch viele wunderliche Dinge erzählt der Colonel dem Peter Kelder, etwa, dass die sexuelle Vitalität von Männern, deren Stimme hoch und schrill ist, gering sei. Der Colonel, bei dem das Wunder schon gewirkt hatte (sonore Stimme also, graue Haare wieder dunkel, kein Gehstock mehr), schreibt noch ein paar Briefe, dann verschwindet er spurlos.
Nennen wir Kelder also des Colonels Prophet. Kelder habe so das Büchlein des Colonels Unterweisungen aufgeschrieben und 1939 unter dem Titel «The Eye of Revelation» veröffentlicht bei einem Harry R. Gardener in dessen Verlag The Midday Press, irgendwo im sonnigen Kalifornien. 1947 sei eine Neuausgabe mit einem bis dahin verschollenen Kapitel gefolgt. Diese Ausgabe sei erst kürzlich «in der Privatsammlung des Autors gefunden worden». (Von wem? Ist Kelder, trotz Wissen um ewige Jugend, nun plötzlich doch verstorben?)
So steht das jedenfalls im Büchlein, und so erfährt man es auch aus dem Nachfolge- und Erklärungs-, um nicht zu sagen Rechtfertigungsband, der im Februar beim alteingesessenen US-amerikanischen Verlagsgiganten Doubleday unter dem Titel «Ancient Secret of the Fountain of Youth, Book 2» erschienen ist, natürlich nach dem erfolgsträchtigen Tibeter-Originalband.
In diesem «Book 2» schreibt interessanterweise ein anderer Harry R., ein Harry R. Lynn statt Gardener, dass er das Büchlein zufällig «wiederentdeckt» und 1985 in seinem Verlag Harbor Press bei Washington herausgebracht habe. Auch den mysteriösen Peter Kelder kenne er, er lebe vergnügt und munter (müsste mindestens neunzig sein), wenn auch sehr zurückgezogen. Sowieso, beruhigt Harbor-Harry R. präventiv allzu neugierige Leser: Die Geschichten um den Autor und das Buch seien doch nicht so wichtig. Wichtig sei «der Wert, den das Buch seinen Lesern gibt».
Und wohl auch seinen Verlegern. Womit wir beim deutschen Integral-Verlag und Volker Z. (für Zahedra) Karrer im bayrischen Wessobrunn angelangt sind, der das Wunderbuch 1989 seinerseits entdeckte und herausbrachte. Auch er, wie «Der Spiegel» 1992 berichtete, Ex-Journalist und Weltenbummler. Volker Z. Karrer sei, so «Der Spiegel», vorher so gut wie pleite gewesen und dann Millionär geworden, «eine wunderbare und schicksalhafte Wendung».
Einen Steinwurf neben Hollywood
Gehört man nicht mehr gänzlich zu den locker frohlockenden Krokussen des Lebensfrühlings, macht so viel Heil ein wenig skeptisch. In Zürich steht Geist sei Dank die altehrwürdige und modernst organisierte Zentralbibliothek. Dort ruhen in einem abgelegenen Winkel hinter kecken Computern viele Reihen schwerer Lederbände: die grossen Bibliografie-Werke. Da drin müsste das Original unseres Büchleins 1939 oder 1947 erscheinen.
Wir beginnen mit dem National Union Catalogue der amerikanischen Library of Congress, einer der weltweit genauesten und gewichtigsten Bibliografien. In Band 292 ist zwar ein Kelder zu finden, aber der hiess Jacob Winnfred und veröffentlichte bereits 1881. Erst 1976 erscheint wieder ein Kelder, ein James, mit seinem orakelhaften Ratgeber «How to Open a Swiss Bank Account». Weiter zur British Library und dem General Catalogue of Printed Books to 1975: gar nichts. Auch nicht im Verzeichnis der Pariser Bibliothèque Nationale.
Dann eine Überraschung: 1933, sechs Jahre vor Erscheinen der angeblichen Tibeter-Originalausgabe, erschien «Lost Horizon» von James Hilton, «eine romantische Utopie und der dauerhafteste Bestseller des englischen Sprachraums, u.a. verfilmt von Frank Capra», wie Kindlers Literaturlexikon vermerkt. Dessen Inhalt ähnelt verblüffend unserem Büchlein. Auch in «Lost Horizon» erzählt der Freund eines Freundes die fantastische Geschichte von einer Quelle der Jugend in einem abgelegenen Kloster im fernen Tibet. Rätsel über Rätsel.
Was bedeutet es, wenn ein Buch in allen bibliografischen Werken nicht zu finden ist? Dr. L. Kohler, Chef der Zürcher Zentralbibliothek, zögert keinen Moment: «Es ist ein sehr starkes Indiz dafür, dass das Buch tatsächlich nicht erschienen ist. Natürlich gibt es seltene Fälle, wo eines nicht erfasst wurde, aber irgendwann taucht jedes Buch irgendwo auf. Vor allem auch, wenn es davon später noch eine Neuauflage gab.» Dr. Kohler macht sich nun selber auf die Suche und kapituliert nach zwei Tagen. «Das Buch ist selbst in Esoterik-Sammlungen nicht zu finden, und die sind meist sehr lückenlos.» Ebenso wenig findet man den Originalverlag The Midday Press noch deren Verleger Harry R. Gardener in irgendeinem der Verzeichnisse.
Wenn schon keine Originalausgabe, dann wenigstens ein Autor. Aber jetzt wirds noch komplizierter. Nur so viel ist sicher: 1985 ist das Buch bei Harbor Press in Washington erschienen. In Book 2 der amerikanischen Doubleday-Neuausgabe von 1999 fabuliert der Tibeter-Wiederentdecker und Harbor-Publisher Harry R. Lynn (Harbor-Harry) von seinem persönlichen Freund Kelder und fügt dem Vexierspiel neue Facetten an.
Etwa, dass Kelder den Colonel gar nicht persönlich gekannt, sondern nur aufgeschrieben habe, was ihm ein Dritter (siehe «Lost Horizon»), nämlich Midday-Publisher Harry R. Gardener, 1939 erzählt habe. Busenfreund Kelder möge ihm verzeihen, wenn er, Harbor-Harry, jetzt ein paar Geheimnisse ausplaudere. Zum Beispiel, dass Kelder auch mal Drehbuchautor gewesen sei und einen Steinwurf entfernt von der Hollywood-Legende Errol Flynn gelebt habe.
Man darf sich wundern, dass Harbor-Harry seinen munteren Freund Kelder nicht konsultierte in Sachen Geheimnisverrat, und möchte selber Genaueres erfahren. Die Pressechefin von Scherz ruft an und wimmelt ab: «Das brauchen Sie wirklich gar nicht zu probieren.» Auch die versprochene Anschrift des Originalverlags wird nicht geliefert.
Immerhin findet sich in der Zürcher Zentralbibliothek das lückenlose Verzeichnis der Verlage in der jährlichen Ausgabe von «Books in Print», und da ist tatsächlich Harbor Press in Gig Harbor, Washington, aufgeführt, also der Verlag, der das Büchlein 1985 «wiederentdeckte». An Stelle von Wiederentdecker Harbor-Harry wird allerdings ein anderer Publisher aufgeführt.
E-Mail und Fax bleiben unbeantwortet, und die barsche Stimme am Telefon weist jede Bitte nach Auskunft ab.
So bleiben nur Fragen: Wo und wann erschien die Originalausgabe? Wer ist das Adoptivkind Peter Kelder mit der rätselhaften Herkunft? Welche Verbindung besteht zwischen dem Aufkommen von New-Age- und Esoterik-Boom Mitte der achtziger Jahre, dem Wanken des riesigen Bhagwan-Reiches zur gleichen Zeit und dem «zweiten» Erscheinen der «Tibeter» 1985 bei Harbor Press? Welche Verbindung besteht zwischen den notorischen «Tibeter»-Entdeckern mit Zwischeninitial im Namen: Harry R. Gardener, Harry R. Lynn, Volker Z.(ahedra) Karrer?
Im Ton verblüffend modern
Warum erwähnt das «alte» Büchlein Dinge als Wunschträume der Menschen Gewichtsabnahme, weniger Arbeitsstress, ein tolles Auto etc. , die 1939, nach Weltwirtschaftskrise und kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, selbst in den Vereinigten Staaten kein Thema sein konnten? Und warum vergleicht der alte Colonel schon in den dreissiger Jahren die «Riten» mit «isometrischen Übungen», wenn die doch erst in den Fünfzigern aufkamen?
Warum ist der linguistische Ton der «Urtibeter» so ganz und gar nicht antiquiert wie andere Bücher aus der Zeit? Und woher rührt die Ähnlichkeit mit «Lost Horizon» von James Hilton? Warum ist das Büchlein gespickt mit angeblich tibetischen Fachausdrücken, die gar nicht tibetisch sind, sondern bestenfalls indisch? Und warum steht «Tibeter» in der Neuausgabe in Anführungs-zeichen eine rechtliche Absicherung? Und zu guter Letzt: Gibt es denn «Die Fünf &Mac220;Tibeter&Mac221;» im Tibet?
Unweit von Zürich trifft man in einem Wald auf Europas grösstes Tibet-Zentrum mit an-gegliedertem Lama-Kloster. Geshe Khedup ist Tibeter ohne Anführungsstriche, Kenner und Deuter der Schriften, eine Art Doktor der Theologie. Der Geshe liegt gerade mit einem Walkman auf dem Bett und hört die Weissagungen seines Lehrers, als er hereinbittet. Er trägt eine rostrote Tunika, Birkenstöcke und Wollstrümpfe, hat ziemlich schütteres graues Haar, eine dicke Hornbrille und ein sehr freundliches, um nicht zu sagen: jugendliches Lachen.
Noch nie in den 68 Jahren seines Lebens hat Geshe Khedup von «Den Fünf &Mac220;Tibetern&Mac221;» gehört oder gelesen. Er betrachtet die Farbfotos mit den Turnübungen sichtlich vergnügt. «Wissen Sie, wir turnen nicht. Wir arbeiten und meditieren. Für das Turnen hätten wir keine Zeit. Ich habe solche Übungen bei uns noch nie gesehen. Vielleicht sind sie aus Indien.» Es stimme zwar, dass die tibetischen Mönche sich mit fünf grossen Themen beschäftigen, aber die nennen sie nicht Riten.
Auch sämtliche übrigen Fragen verneint der Geshe heiter und kurz: keine Vegetarier und Trennkostler («Wir essen alles»), kein Wunderglaube («Wunder hat nur Buddha gemacht, seither gibt es keine mehr»), keine Lebensenergie «Prana» und wie die pseudotibetischen Fachausdrücke alle heissen («Was ist das? Das ist nicht Tibetisch»), schon gar kein Streben nach ewiger Jugend («Daran liegt uns nichts, das ist eher ein westlicher Wunsch. Wir glauben an die Wiedergeburt»). Und kichernd macht der Geshe uns Schwarztee mit viel Zucker und Sahne.
Sagte doch schon Voltaire: «Der erste Prophet war der erste Schurke, der einem Dummkopf begegnete