In der christlichen Dichtung ist der Morgenstern ein Symbol für den herannahenden Gottessohn und dessen lichtvolle Erscheinung in der Nacht der Welt (Epiphanie). Der Morgenstern ist aber auch Luzifer, der gefallene Engel (vgl Jesaja 14,12)
Und dabei ist er nicht einmal ein Stern, sondern ein Planet, der die Sonne umkreist. Wir lernen daraus: Was wir von etwas halten, das wir mit unseren Blickwinkeln sehen, hat wenig damit zu tun, was etwas (auch) ist. Es hängt immer von meiner gerade gegebenen Fokussierung ab, was die Venus "ist". Auf einer spirituelleren Ebene halte ich diese Doppelbödigkeit der Licht-Gestalt für äußerst wirklichkeitsbezogen.
Gunther Schmidt, Arzt, systemischer Therapeut und Leiter des Milton-Erickson-Instituts in Heidelberg, sagte mal etwas flapsig: "Ich beneide den Bert Hellinger ... der sieht, was ist. Ich sehe immer nur das, was ich sehe." Damit bringt er einen grundsätzlichen Unterschied zur Sprache, der zwischen den erkenntnistheoretischen Fundamenten der Arbeit nach Hellinger und der konstruktivistisch orientierten Richtung systemischen Arbeitens besteht.
Ich befürchte, meine Freundin ist verloren. Sie lebt nur noch mit ihren Ahnen und ihren Fehlern in der Vergangenheit.....
Als mein Mentaltrainer mich vor kurzem warnte, hat das mich wieder aufs neue beschäftigt. Deshalb hab ich hier ein wenig gewirbelt
Ich kann auf Deine Geschichte über Deine Freundin hier nicht näher eingehen ich sehe allerdings eines auf Anhieb dabei: Die Aufstellungen, die sie wieder und wieder gemacht hat, können wohl kaum Aufstellungen "nach Hellinger" sein. Wenn jemand in dieser Tradition steht, wird er es kaum zulassen, dass jemand immer wieder zur Aufstellung antritt. Womöglich hat sich da jemand auf Hellinger berufen, ihn missverstanden oder ihn als "plakatives Aushängeschild" missbraucht und dann sein eigenes Süppchen gekocht ... es gibt ja auch in den weiten Gefilden der Aufstellerei durchaus solche, die sich ihre Klientel bei der Stange halten und "therapeutische Abhängigkeiten" schaffen. Aufsteller, nach welcher Schule auch immer, sind keine Heiligen, sondern Menschen wie du und ich, und sie haben auch recht unterschiedliche Zugänge zum Berufsethos, verschiedene Ausbildungen, sie arbeiten mit mehr oder weniger Geschick, wie es eben auch mehr oder weniger gute Ärzte gibt zum Beispiel, obwohl die alle eine akademische Ausbildung haben... will sagen: Keine Ahnung, wo Ihr da gelandet seid.
Außerdem sind Aufstellungen keine Pille, die man schluckt, und dann ist wieder gut... du kannst dir auch einen Aufsteller suchen, der sich von dir benutzen lässt, um alles zu tun, was du brauchst, um dort bleiben zu dürfen, wo du steckst. "Helfer" lieben solche "Opfer".
Maritza, ich meine, was hier als Problem anklingt, liegt jenseits der Diskussion, ob Hellinger oder sonst jemand das bessere Aufstellungsverfahren entwickelt hätte oder ob Familienaufstellungen zum Reich des Bösen gehören. Du berichtest von ganz subjektiven Erfahrungen, Du beobachtest mit Sorge die Entwicklung Deiner Freundin und sprichst von Deinen eigenen "bösartigen Ahnen" (auch da ist es wie mit dem Morgenstern ... ein anderer Blick darauf kann die Welt verändern, und genau das ist es, was eine gute Aufstellung bewirken kann), Du hörst auf die wie auch immer entstandene Meinung eines Psychologie-Studenten und bildest Dir daraus Deine eigene Meinung. Das finde ich auch völlig okay, und ich nehme an, dass Du auch weiterhin offen diese und jene Standpunkte hören wirst und Dir unterm Strich dann ein Bild machst.
Wenn Du dann anderen Menschen auch zugestehst, dass sie sich ihre eigenen Bilder machen ... wie groß ist dann noch das Bedürfnis, schimpfend, verurteilend, warnend durch die Lande zu ziehen? Oder ist das einfach Dein Temperament, um Gegenstimmen zu provozieren, die Dich darin unterstützen, Deine Einstellungen zu überdenken und zu modifizieren?
Alles Gute,
Jake