Wahr-nehmung und Interpretation

ChrisTina

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Himmelreich des Ortes, wo die Götter Schach spiele
Eine der ersten *Übungen* in vielen Ausbildungen ist zu üben, worin genau der Unterschied liegt zwischen

Wahr-nehmung
und
Interpretation

Mich erinnert das grad mal wieder an die vielen - nicht nur in esoterischen Foren - zu findenen Menschen, in deren Welt-Bild möglicherweise ein Glaubens-Satz vor-herrscht nach der Art wie zB:

Jeder Mensch meint grundsätzlich was anders, als er sagt / schreibt - also muss ich zwischen den Zeilen lesen, worums dem Anderen geht, damit ich dann darauf so antworten kann, dass mein Gegenüber genau das bekommt, was ich mir vorstelle, dass für ihn und seine Weiterentwicklung förderlich sein könnte.

Aber ich sage euch - euch, die ihr sowas ähnliches wie Vorgenanntes als euer ureigenstes Welt-Bild betrachtet:

Es gibt auch Menschen, die einfach nur Fragen stellen, auf die man ganz einfach einfach antworten könnte.
Und es gibt auch Menschen, die einfach auch einfache Antworten auf einfache Fragen geben.

Und wo genau hört jetzt die Wahr-Nehmung dessen auf, was in Foren geschrieben wird?
Und wo fängt die ureigenste persönliche Interpretation dessen an, was das Gegenüber vielleicht gern - oder eben ganz und gar nicht - gemeint haben könnte - oder vielleicht lesen möchte?
Kann ich überhaupt irgend etwas in meinem Leben vorurteilsfrei wahr-nehmen?
Oder wird jegliche meiner Aktionen immer nur von meinem ureigensten Welt-Bild beeinflusst?
Gibt es überhaupt einen Unterschied zwischen Wahr-Nehmung und Interpretation?

Wozu sollte auch nur irgend wer über irgend etwas von dem nachdenken wollen, was ich so im Laufe des Tages schreibenderweise von mir gebe?
 
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ChrisTina schrieb:
Wozu sollte auch nur irgend wer über irgend etwas von dem nachdenken wollen, was ich so im Laufe des Tages schreibenderweise von mir gebe?

hallo,

das ist m.e. dann der fall, wenn sich zum beispiel auch für den, der deine gedanken liesst, ein nutzen ergibt. denn ist es so, dass wir in der lage sind vor-urteilsfrei sehen zu können ? für interpretationen braucht man immer zeit. und wer hat schon zeit ? es wäre also von vorteil... wenn man sich diese zeit schenken könnte. dafür müsste man dann aber sozusagen im "hier und jetzt" gegründet sein. denn wer im hier und jetzt lebt... der bleibt doch frei von jeglichen vorurteilen oder ? er hat nur noch ur-teile.. und lieber ein urteil... als ein vorurteil.

daher:

Kann ich überhaupt irgend etwas in meinem Leben vorurteilsfrei wahr-nehmen?

wer nimmt wahr ? denn schliesslich, wenn wir es selbst wären, dann hätten wir schon längst auf jede interpretation (von wahrnehmung) verzichtet oder ? also nimmt nicht der wahr... der wahrnimmt. wir haben uns seit menschengedenken geirrt.



cu
 
Hallo liebe Christina!

Ich habe einige Male festgestellt, dass ich in Threads Beiträge schrieb, dessen Status Quo festgelegt schien. Ich schrieb dann etwas, was völlig neu war und es kam überhaupt in den falschen Hals. Ein Missverständnis. (Andere Male liegt es natürlich auch an mir selbst mich unklar auszudrücken). Manchmal kommt mir dann deutlich zum Vorschein, wieviele Schubladen die Leser und Antwortsschreiber für sich aufgestellt haben. Sie lesen dann und bilden sich sehr schnell eine Meinung und glauben, sie wüssten, was in demjenigen DAS Problem ist.
Mag es so sein oder nicht, ich finde es tatsächlich dürftig, wenn man jemanden Worte in den Mund legt. Man schreibt und das gilt - nicht das, was man vielleicht wirklich wollte. Denn man hat etwas geschrieben und hat es hingelegt, - selber denkt man aber noch weiter und hat vielleicht bald einen Level erreicht, der nicht mehr im vorher geschriebenen Beitrag repräsentiert wird. Aber gerade dann, will man nicht von jemanden überinterpretiert werden, weil er die Worte weiter denkt, die geschrieben wurden, als wie man es selbst im Beitrag nieder geschrieben hat.
Weil die angedeutete Richtung sich durchaus ändern kann und der Beitrag nicht immer einem eine sichere Leitung bietet. Weiterdenken gut, aber dann doch in Bezug zu einem Selbst.

Man sollte also auf das achten, was geschrieben ist und unmissverständlich dargelegt ist in den Worten. Darüberhinaus kann es natürlich nicht schaden, jemanden zu verstehen zu versuchen, was er denn genau meint.
Das ergibt dann eine gewisse Gratwanderung. Einerseits nur Worte und andererseits will man sie verstehen. Noble Geister zeichnen sich dann dadurch aus, dass es ihnen gelingt, den anderen nicht so sehr vor die Füße zu treten, indem sie es nicht zu deutlich machen, was sie von demjenigen zu verstehen glauben (was oft nicht an einzelnen Worten abzulesen ist). Ein bisschen Medialität mag hinzu kommen, aber ebenso ein Faktor der Täuschung bedeuten.

Das Problem der WAHRNEHMUNG und INTERPRETATION ist GRUNDSÄTZLICH. Finde ich jedenfalls. Da alles im Fluss ist, scheint es unmöglich eine treffende Interpretation anzustellen. Daher sind wohl die besten Beiträge frei von Interpretationen und sorgen an sich nur für neue Möglichkeiten der Wahrnehmung, innerhalb des gegebenen Themas, das freilich in der Regel keine grossartige Interpretation bedarf.

Vielleicht kann man es so sehen: Wahr-Heit ist sozusagen nur die Fassade. Das, was wahrhaftig geschehen ist. Als unveränderlicher Zustand. Aber das gemeinte, eine Sache, oder Person, Hintergründe sind und bleiben im Fluss. Manchmal sieht man sich ja auch bevorzugt selbst... und nicht so sehr die Sache oder Person...

Liebe Grüße! :)
ad
 
Hi!
Kein Mensch kann etwas vorurteilsfrei wahrnehmen. Das fängt schon bei der Sprache an. Wenn z.b. jemand zu dir sagt: Dieses Mädchen ist sehr schlank. (Soll das jetzt heißen, dass sie einfach nur schlank ist, oder 2. sie ist schlank: ein hübsches Mädchen oder 3. Die ist zu schlank: Hat sie vielleicht Magersucht? Jeder Mensch nimmt das je nach seiner Veranlagung und Erziehung/ Prägung durch Bezugsperson anders auf.= Vorurteile )

Wenig später wirst du ihr vorgestellt und du lernst sie kennen. Egal wie sympathisch oder unsympathisch sie dir erscheint, du wirst dir als Erstes reflexartig ihre Figur anschauen, das Statement überprüfen.

Vielleicht fragt ihr euch jetzt: Aber wie weiß ein Mensch dann, was und wie sein Gegenüber etwas meint? :Durch die Gestig und Mimik, welche also zum Vorurteil was beiträgt.
noch was: Sprache ist auch männlich und weiblich (nicht geschlechtsneutral) . Das heißt, du würdest nie einem Mann sagen, den du nicht kennst: Sie haben heute aber schöne Haare! Waren Sie beim Frisör? Es würde auch in keiner Zeitung stehen: Beim Gerichtsprozess machte er eine gute Figur, eher: ... machte sie eine gute Figur.
Ihr versteht jetzt hoffentlich was ich mit meinem philosophischen Blödsinn erklären wollte: Jeder trifft täglich auf Vorurteile.
lg,
Twilight star
 
Liebe ChrisTina,
ich denke, deine Fragen kann dir das Kommunikationsmodell der "4 Ohren" von Friedrich Schulz von Thun erklären.

Jeder hört/liest mit 4 "Ohren" - und je nachdem, wie wir "drauf sind", empfange ich die Botschaft/Nachricht des anderen auf dem

- Beziehungs-Ohr
- Sach-Ohr
- Appell-Ohr oder dem
- Selbstoffenbarungs-Ohr.

Außerdem spricht/schreibt ein jeder von uns mit 4 "Zungen", was alles noch komplizierter macht.

Vielleicht hilft dir dieser link: http://www.schulz-von-thun.de/mod-komquad.html

Wenn wir nicht sicher sind, wie der andere etwas meint, oder wenn wir uns nicht treffend genug ausdrücken, dann kommt es zu Missverständnissen. Und dann hilft nur REDEN, SCHREIBEN und AUSTAUSCH.
Mit Menschen auf unserer Wellenlänge geht das natürlich viiiiiel leichter. :liebe1:

Ganz liebe Grüße, Romaschka
 
Hab noch was vergessen...

Wenn wir uns vergewissern wollen, ob wir unser Gegenüber richtig verstanden haben, sollten wir das in "ICH"-Sätze kleiden.

z.B. "Habe ich das richtig verstanden, dass du das so und so meinst?"

"Ich höre da jetzt das und das raus. Ist das so? Meintest du das so?"

"Ich spüre, dass du traurig bist. Stimmt das?"

Damit vermeidet man das Reininterpretieren unserer Meinung in das, was der andere gesagt hat. Der andere fühlt sich wahrgenommen und hat aber die Wahl, ob er richtig oder falsch verstanden wurde. Er darf seine Aussagen selbst interpretieren.
 
Hi!

Ich möchte noch ergänzen, dass es wahrscheinlich erheblich darauf ankommt, ob man sich versteht, also "gut versteht":

>> dass man eine Balance findet zwischen Interpretation und dem, was dem anderen auf "der Seele" liegt. Für das, was einer unausgesprochen im Sinn hat, gibt es keine Klimmzüge, keine bereitliegenden Worte, aber ein sanftes Erahnen.
Manchmal funktioniert das, manchmal nicht. Es funktioniert auf keinen Fall, wenn man direkt vorgeht, denke ich - jedenfalls führen mich meine eigenen Erfahrungen bislang in diese Richtung es so anzunehmen.
Eine gute Balance also ist die Kunst der höflichen Rhetorik.
Früher im Barock mag es so gewesen sein, dass eine "höfliche Rhetorik" überflutet war von dem Greifen nach dem Hintergründigen, ohne offen auszusprechen, was man im Hintergrund sieht. Heute dürfte die gute Balance einer höflichen Rhetorik viel geschmeidiger sein, und auf einen echten Dialog abzielen, der berückasichtigt, dass man nicht alles weiss.
Und die Kunst ist es vielleicht, sogar dem Betreffenden in Unklaren darüber zu lassen, was man selber alles weiss. Diese Kunst gelingt aber selten. Das Thema ist: Wieso sollte er wissen, was man selber alles interpretiert? Also genügt es, im Schreiben dann das Offensichtliche zu berücksichtigen, auch wenn man selbst etwas zwischen den Zeilen gelesen hat. Man wende also dieses Erahnen nur an, um ein besseres Verständnis der wirklichen Belange zu bekommen. Und ich meine, dabei kommt es auf die Balance an. Balance zwischen Worten und Erahnen.

Es ist möglich sich gut zu verstehen, indem man Rücksicht auf die unausgesprochenen Belange nimmt (sofern man sie zwischen den Zeilen erahnen kann) und diese Belange nun keineswegs selber ausspricht, sondern nur daran anknüpft, wenn man beginnt eigene Gedanken in Bezug zu den offensichtlichen Worten zu spinnen. Es ist schwer zu beschreiben, hmmm.; es entwickelt sich von selbst, glaube ich.
Jeder Versuch Willkür anzusetzen, scheitert vermutlich dadurch, dass die tiefere Schicht der leisen Ahnung, die, ohne dass wir es wissen, uns die Worte tatsächlich eingibt, überlagert wird durch unsere Interpretationen und Logik.

Wahrnehmung an sich, ist ja auch erst mal frei von Urteil.

Liebe Grüße!
ad
 
ChrisTina schrieb:
...Und wo genau hört jetzt die Wahr-Nehmung dessen auf, was in Foren geschrieben wird?
Und wo fängt die ureigenste persönliche Interpretation dessen an, was das Gegenüber vielleicht gern - oder eben ganz und gar nicht - gemeint haben könnte - oder vielleicht lesen möchte?
Kann ich überhaupt irgend etwas in meinem Leben vorurteilsfrei wahr-nehmen?
Oder wird jegliche meiner Aktionen immer nur von meinem ureigensten Welt-Bild beeinflusst?
Gibt es überhaupt einen Unterschied zwischen Wahr-Nehmung und Interpretation?

Wozu sollte auch nur irgend wer über irgend etwas von dem nachdenken wollen, was ich so im Laufe des Tages schreibenderweise von mir gebe?
Das finde ich sehr interessant. Für mich ist der entscheidende Unterschied darin, daß es für die Wahrnehmung keinen Betrachter braucht. Der Betrachter ist derjenige, der wahrnimmt. Wahrnehmung existiert jedoch dann unabhängig vom Betrachter, wenn der Betrachter und die Wahrnehmung (und das Betrachtete) eins sind. Wenn die Trennung zwischen Dir, Deiner Wahrnehmung und dem Wahrgenommenen wegfällt, ist kein Platz mehr für persönliche Interpretation. Denn würdest Du mit ihr gedanklich beginnen, würde sich der Betrachter vom aktuell Betrachteten lösen und in die Vergangenheit abschweifen.
Insofern ist es interessant, im Internet zu lesen. Nicht für mich, nicht für Dich- es ist einfach nur interessant- unabhängig von uns. In Foren fokussiert sich manchmal der Blick auf das individuell Wesentliche. Deshalb versammeln sich die Geister dort. Durch das Lesen der Texte (im Grunde sprechen da andere lesend Deine Worte wie man auch ein Gebet spricht), verstärkt sich die Energie der Worte auf Dein eigenes Leben und andere nehmen diese Energie auf. Es ist eine etwas unpersönliche Art, sich zu vermischen, finde ich, deshalb schreibe ich oft auch in einem etwas unpersönlichen Stil. Der Computer an sich ist ja nun kein sonderlich anziehender Zeitgenosse und der sitzt mir hier nun einmal als allererster gegenüber (mit seinen Straaaahlen).

Liebe Grüße, RegNiDoen
 
Danke Romaschka, ich kenn die Ohren und ich kenn auch andere Modelle - die haben allerdings alle nicht wirklich was mit der Unterscheidung von

Wahrnehmung und Interpretation

zu tun - sondern eben damit, dass meine heutige Wahrnehmung nicht der von morgen entsprechen muss - und auch von Kontext zu Kontext unterschiedlich sein kann.
 
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