Hallo, July
ich habe 3 schon erwachsene Kinder und ein Nesthäkchen, das ab Herbst aufs Gymnasium geht (endlich!). Die Großen hatten den "traditionellen" Unterricht, ich fand das eigentlich ganz gut. Der älteste war ruhig, sensibel und lernbegierig, machte auch oft mehr, als gefordert. (Abi, Informatiker) Der nächste war und ist der Bequeme, hat sich nicht unnötig engagiert, ist so mitgeschwommen. Nur nicht auffallen! (Hauptschule mit Qualifikation- also gleichwertig mit Realschulabschluß, Handwerkerberuf, glücklich mit seinem Job)
Die Tochter hatte das Handicap Legasthenie, Grundschule war ein Chaos, sie litt vor sich hin. Dann auf der Hauptschule eine alte Lehrerin, die für das gelobt hat, was sie gut konnte. Sie wurde wie ausgewechselt, lebhaft, selbstbewußt, strebsam. Sie wechselte nach der Hauptschule (mit Qualifikation) nach Gastauftritt im Gymnasium (kam mit den anderen Schülern nicht klar) zur Gesamtschule, steckt gerade mitten im Abi-Stress. Läßt sich weder von Lehrern noch Mitschülern unterbuttern.
Du siehst also, ich habe da schon einiges mitgemacht!
Als dann vor 10 Jahren das Nesthäkchen kam, hörte ich mit dem Arbeiten auf, ich war wie ausgebrannt. Hatte einen Job mit schlimmem Mobbing hinter mir, und diesen Job hatte ich erst nach vielen Absagen gefunden! (überqualifiziert, zu alt...) Den Großen ist es auch gut bekommen, zu Hause einen Ansprechpartner anzutreffen und warmes Essen zu haben.
Also behielt ich den Kleinen zu Hause, mit 5 konnte er flüssig lesen (weil er es wollte, ich habe ihn nie zum Üben angehalten), beherrschte den Computer.
Nun wurde es Zeit, ihn für die Schule anzumelden! Ich vermute mal, Du hast dort die selben Leute wie ich kennengelernt! Der (im letzten Jahr leider verstorbene, sehr weise) Schuldirektor sagte, nachdem ihm mein Kleiner die Vorteile von Windows ME als Betriebssystem erläuterte, ich solle noch einmal zu ihm kommen, falls es irgendwelche Probleme geben sollte. Und wie es die gab! Eine Dame forderte in nicht gerade nettem Ton den Kleinen auf, ins Zimmer zu kommen, allein. (Muß nun sagen, er hatte Angst, seine Adresse nicht richtig zu wissen, also habe ich ihm einen Spickzettel gemacht.) Nach einer Weile sollte ich auch rein, sie fuhr mich an, er hätte nur sehr einsilbig geantwortet, wieso könne er lesen und würde nicht in Sätzen antworten. (Logisch für mein Kind: Mit Fremden spricht man nicht!)
Aber der Arzt war die Härte! Zuerst die Aufforderung: Komm mal auf den Hacken auf mich zu! Verständnislosigkeit, der Kleine konnte Amselpapa von Amselmama unterscheiden, aber was sind Hacken? -Minuspunkt Nr. 1 / Antwort auf die Frage, wieviele Geschwister er hätte: eine. Hier steht aber 3! Ja, die anderen sind aber Gebrüder! -Minuspunkt Nr. 2 / Dann las er das Zeug der Dame durch und flippte fast aus! Er schwafelte was von Sozialkompetenz und daß der Kleine sofort in den Kindergarten müsse, wenn er in die Schule solle. Zum Glück war in der Nachbarschaft gerade ein neues Wohngebiet mit Kindergarten gebaut worden, ich bekam einen Platz. Ich frage mich heute noch, was das gebracht hat, daß er nun jeden Tag da ein paar Stunden war. (Integrativer Kindergarten, 2 sehr liebe Erzieherinnen, 1 schwerstbehindertes Kind, mindestens 5 Muttersprachen, Alter bunt gemixt in der Gruppe) Der Kleine war jedesmal fix und fertig, wenn ich ihn abholen kam.
Nun die Schule, irgendwie anders, als ich es von den Großen kannte. Der Lehrer ist sehr engagiert, aber nicht gerade sensibel. Sie haben zügig die Buchstaben gelernt. Aber mit der "Freiarbeit" hatte mein Kind so seine Probleme. Er schaltet ab, wenn ihn was nicht interessiert. Kommt mühelos mit, ohne sich anzustrengen. Hat am Anfang die Religionslehrerin mit Fragen gelöchert, wie: "Wenn Adam und Eva die ersten Menschen waren, wo kamen dann die Frauen für ihre Söhne her?" "Wieso liebt Gott Abel mehr als Kain, ist das nicht ungerecht von ihm?"... Ständig blaue Flecken, Schulsachen, die verschwinden... (Wieso kann im Unterricht ein Papiertiger-Arbeitsheft verschwinden und nie wieder auftauchen?)
Jetzt ist er eine Phase weiter und verweigert manchmal. Ich glaube, er ist unterfordert. Er blüht erst richtig auf, wenn er aus der Schule kommt, tobt am liebsten mit den Kindern aus der Nachbarschaft draußen rum. Deshalb hoffe ich, die neue Schule bringt ihm neue Herausforderungen! Hoffentlich habe ich das richtige Gymnasium ausgesucht! Keiner aus seiner Klasse geht dort hin, es ist im "Nachbarort", aber ohne Umsteigen zu erreichen. Im Internet macht diese Schule einen guten Eindruck. (Unser Großer riet von seinem alten Gymnasium, KTS Kalk ab, es hätte sich nicht zum Besten entwickelt.)
Ja, Schule ist leider nötig, aber nicht immer so eine tolle Erfahrung. Die Brutalität auf dem Schulweg wird immer schlimmer. Sachkundeunterricht kann manchmal seltsame Blüten treiben (Sexualkunde- müssen wirklich schon 9jährige die Funktionsweise von Kondomen erklärt bekommen?). Ich finde, es wird zu wenig gelesen. (Meine Leseratte holt das abends im Bett nach.) Wir Eltern sind gefordert, den Kindern möglichst auch viel Wissen mitzugeben. Ich wüßte jetzt nicht, daß jemals einheimische Pflanzen oder Tiere im Unterricht besprochen wurden. Positiv: Englischunterricht ab 3. Klasse (da macht er mit Feuereifer mit).
Liebe July, ich denke, Dein Kleiner wird seinen Weg finden. Sei froh, daß er sich behauptet! Vielleicht "kann" er mit seiner Lehrerin nicht so gut? Ich hatte z.B. auch mal einen Lehrer, dessen Stimme allein mich fast wahnsinnig gemacht hat. Vielleicht kann er die Klasse noch wechseln, habt Ihr vielleicht einen Lehrer in einer Parallelklasse? Oder die Lehrerin mag Deinen Sohn nicht, er spürt das instinktiv und reagiert darauf (den Fall gab es in einer Parallelklasse). Versuche, den Kleinen bei seinen Interessen zu packen! Was meint die Lehrerin dazu?
Ich wünsche Euch Beiden alles Gute!
Angela