1. - Ist es wichtig, dass ein schamanisch praktizierender Mensch sich in seinem heimischen Umfeld auskennt, beispielsweise Flora und Fauna kennt und intensiven Bezug zum natürlichen Lebensraum pflegt?
"Heimisches Umfeld" würde ich etwas weiter fassen. Nicht nur Pflanzen und Tiere können damit gemeint sein, sondern auch Ortsgeister. Ich denke aber nicht, dass man jedes einzelne Wesen kennen und jede einzelne Art benennen können muss, um schamanisch arbeiten zu können. Man hat doch - als schamanisch Arbeitender - immer die Möglichkeit, diejenigen, mit denen man zu tun bekommt, direkt zu fragen, wer sie sind und was sie machen. Mein Ding ist es z.B. eher nicht, Biologiebücher zu wälzen - oder anders: nachdem mich jemand auf sich aufmerksam gemacht hat, mach ich das schon, aber vorher habe ich keine Lust dazu. Je mehr Begegnungen man in seinem Umfeld hat, desto mehr erschließt sich einem das Umfeld. Für mich gilt: zuerst das Schamanisieren - und durch dieses folgt die Kenntnis über das eigene Umfeld.
In Städten z.B. gibt es ebenfalls Ortsgeister, mit denen man interagieren kann. Viele von denen habe ich noch nicht kennengelernt, weil ich auch eher der "Naturtyp" bin, aber von denen, die ich kennenlernte, habe ich auch einige traurige Wesen getroffen, weil dort, wo heute Häuser stehen, früher ganz andere Bedingungen herrschten. Wer in der Stadt lebt, kann schamanisch also einige Wesen glücklicher machen, indem er sie überhaupt erstmal beachtet und wenn es dann noch zur Zusammenarbeit kommt, sind diese Ortsgeister bestimmt nicht unglücklich. Denk ich zumindest, da ich selbst mich zu dieser Arbeit nicht hingezogen fühle.
Ich denke auch, es ist leichter, in der "Natur" zu schamanisieren, weil dort die Kräfte noch besser "fließen", Beton wirkt - zumindest in meiner Wahrnehmung - stark hemmend, und gerade deswegen sollte es eigentlich auch Menschen geben, die in der Lage sind, die städtischen Ortskräfte zu unterstützen. D.h. für mich persönlich ist es schwieriger in der Stadt mit den Ortsgeistern zu arbeiten, weil mich das, was ich dort erlebe, zu stark "triggert". Wie kann ich mit den Wesen dort zusammenarbeiten, wenn mich die Begegnung mit diesen zu stark an meine eigenen beengenden Erfahrungen in der Stadt erinnert? Ich persönlich kann das nicht, ich kann zwar "Hallo" sagen, aber für die Arbeit mit diesen wäre ich nicht "klar" genug.
Und dann ist (für mich) auch die Frage: Was ist mit "intensivem Bezug" zum Lebensraum gemeint? Heißt das (wenn ich in der Stadt lebe), dass ich intensiv shoppen gehe? Oder dass ich, wenn ich es ländlicher mag, intensiv piknicke? Oder intensiv schwimme? Oder, in den Bergen, intensiv kletter (Klettern kann wirklich sehr intensiv sein
)?
Ich denke, es gibt überall die Möglichkeit, "intensiv" mit den dortigen Ortsgeistern zu interagieren. Und sogar in Städten kann man auf Bäume, "Unkraut" und sonstiges "Natürliches" treffen, wenn man nur die Augen offen hält.
2. - Und was hat das mit schamanischem arbeiten zu tun?
Schamanisch arbeiten bedeutet doch, dass man mit "den Geistern" zusammenarbeitet, mit ihnen kommuniziert, gemeinsam arbeitet usw. . Dafür ist es natürlich hilfreich, wenn man sie mit ihrem Namen ansprechen kann. Aber zur Not kann man doch fragen, das hat mE mehr mit Schamanismus zu tun als wenn man nur in Büchern wühlt.
3. - Und wie begründet ihr eure Einstellung dazu?
Ich bin Praktiker und ich halte die praktische Erfahrung für sehr wichtig - vor allem im Schamanischen. Natürlich kann man Bücher lesen, wenn man sich tiefergehend interessiert. Aber ein Buch wird mir nie verraten können, was mein nebenan lebender Ortsgeist zu sagen hat. Das muss man schon selbst herausfinden, indem man ihn einfach mal fragt.
Und bei all diesen Überlegungen sollte man auch nicht vergessen, dass es ja auch noch persönliche Verbündete gibt, mit denen man - völlig unabhängig vom Aufenthaltsort - zusammenarbeitet. Das geht natürlich sowohl in der Stadt als auch auf dem Land (Wald, Wiese, Feld).