Betrachtungen über die Evolution - Teil 3
Das mystische Bewusstsein bestimmt die Biologie
Dieses würde z.B. bedeuten, daß der übersinnliche Zustand des Bewußtseins, der in der Form von Ekstase von den Propheten und Mystikern erfahren wird, keine spezielle Bevorzugung durch Gott anzeigen, sondern nur eine erhöhtes Fähigkeit der Wahrnehmung, in die Richtung, in die die Menschheit sich unwiderstehlich entwickelt.
Soweit wir wissen, ist dieses das erste mal, dass dieses mystische Bewußtsein oder der organische Vorgang, der dazu führt, nämlich die Kundalini, auf diese Art definiert worden. Eine besondere Anerkennung für diese hervorragende Entdeckung, muß vor allen Dingen den erleuchteten Weisen aus dem altem Indien entgegen gebracht werden. Wir stellen nur ihre Entdeckungen und ihr Wissen in der Sprache der Wissenschaft dar.
Pierre Teilhard de Chardin
Wir sagen nicht, daß der menschliche Verstand sich in Richtung zu unbestimmten Gipfeln entwickelt, wie Teilhard de Chardin und andere dies gesagt haben.
Pierre Teilhard de Chardin war ein französicher Theologe, Philosoph und Professor für Geologie und Paläontologie in Paris. Er nahm an vielen Forschungsreisen nach Burma, Äthiopien, Indien, Java und China teil. Wegen seiner unorthodoxen theologischen Auffassung, bekam er bald Schwierigkeiten mit der katholischen Kirche. Deshalb lebte er hauptsächlich im fernen Osten, größtenteils in China. Er schrieb einige Bücher. Sein Interesse wendetete sich mehr und mehr der Evolution und dem Werden des Menschen zu.
Die Veröffentlichung seines 1940 fertiggestellten Hauptwerkes "Der Mensch im Kosmos" sollte er aber nicht mehr erleben. Hatte er bereits 1926 seinen Lehrstuhl für Geologie, wegen seiner unorthodoxen theologischen Auffassung, am Institut Catholique in Paris verloren, so entzog Rom ihm 1940 die Druckerlaubnis. Ausserdem wurde ihm Ekletizismus vorgeworfen, also der Vorwurf gemacht, sein Wissen aus verschiedenen Theorien und Weltanschauungen anderer, zu einem neuen Werk zusammengefasst zu haben. Er sollte überhaupt keine theologischen und philosophischen Werke mehr veröffentlichen. Er selbst wollte aber seine Bücher nicht als freier Philosoph außerhalb von Kirche und Orden publizieren.
1950 wurde er zum Mitglied der französischen Akademie der Wissenschaften ernannt. 1951 wurde er - infolge der Enzyklika "Humani generis" ("Über einige falsche Ansichten, die die Grundlage der katholischen Lehre zu untergraben drohen") - zum zweiten Mal vom Orden aus Frankreich verbannt. Auch diesmal gehorchte er der Ordensdisziplin. Seine letzten Jahre verbrachte er als Antropologe im amerikanischen Bundesstaat New York. Nach seinem Tod 1955 konnten seine Bücher gedruckt werden, sie erreichten in kurzer Zeit Millionenauflagen.
Die Bedeutung Teilhard de Chardins liegt in seinem Versuch, den christlichen Glauben mit der damals neuen evolutiven Sicht von Kosmos und Leben zusammen zu bringen (Evolutionstheorie und Schöpfungsglaube). Er stieß dabei bis an die Toleranzgrenzen der kirchlichen Lehre vor, wurde jedoch bahnbrechend für das nachfolgende theologische Denken.
Teilhard sieht Leben und Kosmos in einer von Gott bewirkten kreativen Bewegung, die noch nicht an ihr Ziel gelangt ist. Kennzeichen dieser Bewegung ist die ständige Zunahme von Organisiertheit und organischer Einheit. Das Streben in diese Richtung, also der Motor der Evolution, ist für Teilhard die Liebe. Diese Liebe, die das letzte Ziel, die organische Einheit alles Seienden, bereits handelnd und leidend vorwegnimmt, war für Teilhard im Herzen eines Menschen vollkommen verwirklicht: in Jesus Christus. So nennt er Christus als Ziel, Richtung und Motor der Evolution.
Teilhards Schau ist geprägt von großer naturwissenschaftlicher Kenntnis und zugleich von tiefer Frömmigkeit, vor allem von der Herz-Jesu-Spiritualität. Bahnbrechend (und zu seiner Zeit anstößig) ist er darin, die Schöpfung nicht als etwas Abgeschlossenes und seither Fertiges anzusehen, wie es die biblischen Schöpfungserzählungen nahe zu legen scheinen, sondern als einen bis ans Ende der Zeit fortdauernden Prozess mit noch ungeahnten Ergebnissen. Neu gedacht hat er auch das Verhältnis von "notwendiger" Entwicklung und menschlicher Freiheit. Theologischer Anknüpfungspunkt ist ihm dabei die Lehre vom Heiligen Geist, dessen Wirken kein bloß vergangenes ist, sondern der mit der schöpferischen Freiheit zusammenwirkt.
Pierre Teilhard de Chardin
Teil 4 folgt.