Hallo!
Ich bin zwar keine Heilpraktikerin, aber habe dennoch eine persönliche Ansicht dazu, die ich Dir gerne mitteile.
Ich bin der Meinung, dass eine Esssucht verschiedene psychologische Funktionen aufweisen kann. Einerseits halte ich es für möglich, dass Esssucht der Versuch ist, emotionalen Hunger (Liebesbedürftigkeit, Hunger nach Verständnis, Akzeptanz, Anerkennung) auf körperlicher Ebene zu stillen. In diesem Falle würde das exzessive Essverhalten also einen psychologischen Abwehrmechanismus von negativen Emotionen darstellen. Oftmals verleiben sich die Esssüchtigen ja extrem Süßes ein, was die Aufmerksamkeit voll und ganz auf die Mundregion fokussiert und damit vom Schmerzlichen (Trauer, Sehnsucht, Angst etc.) abzieht.
Esssucht hat die schlechte Eigenschaft, zum Übergewicht zu führen und die Gesundheit zu schädigen; auch schwindet im Allgemeinen die äußerliche Attraktivität mit einer enormen Gewichtszunahme. Aufgrund dieser destruktiven Konsequenzen der Esssucht gehe ich davon aus, dass esssüchtiges Verhalten auch eine Form der Autoaggressivität darstellen kann. Wenn ein Mensch mangels sozialer Kompetenzen, aufgrund von fehlendem Durchsetzungs- und Abgrenzungsvermögen usw. nicht in der Lage ist, Enttäuschungen, Kränkungen, Verletztheiten rechtzeitig und angemessen zu verbalisieren, tendiert er vielleicht dazu, die berechtigte Wut und Aggression an sich selber abzureagieren, um sie auf diese Weise abzuwehren. Dies kann im Gewand der schädlichen Esssucht geschehen.
Menschen, denen ein Sinn fürs Leben fehlt, denen Perspektive fehlt, denen einfach ein Lebensinhalt fehlt, haben aus meiner Sicht ebenfalls ein erhöhtes Risiko, einer Esssucht zum Opfer zu fallen, denn der alternative und (geschmacklich) reizvolle Sinn könnte in Zukunft daraus bestehen, bei einer emotionalen, inneren Leere zu den nächsten Süßigkeiten zu greifen, anstatt sein Dasein mit echtem Leben zu füllen. In diesem wäre das Süße Ersatz für ungelebtes Leben.
Wie man sich fühlt und wie man sein Leben aktiv gestaltet, hängt maßgeblich von seiner eigenen Identität und seinem Gefühl zu sich selber ab. Deshalb halte ich die Esssucht ganz allgemein gehalten für eine Identitätsproblematik.
Viele Grüße
Alice