Die meisten Juden würden die Frage nach einer Definition des Judentums mit Schlagworten wie: Volk, Religion oder Schicksalsgemeinschaft beantworten.
Doch bei kritischer Betrachtung dieser Begriffe kann man leicht feststellen, dass sie alle nur sehr bedingt auf das Judentum zutreffen, wie im Folgenden kurz gezeigt werden soll:
Volk: Akzeptiert man die allgemein gültige Definition des Begriffes Volk als dieGesamtheit von Menschen, die sich durch ein Zusammengehörigkeitsgefühl verbunden weiß, das seinerseits durch eine Vielzahl von Faktoren (wie gemeinsame Kultur, Sprache und Geschichte) bestimmt ist, dann kann die Tatsache nicht übersehen werden, dass heutige Juden, global gesehen, weder eine gemeinsame Sprache (die Mehrzahl der Juden außerhalb von Israel verstehen kein hebräisch), noch eine gemeinsame Kultur besitzen.
Religion: Die Mehrzahl der Juden heute sind säkulare Juden, die nicht nach den Regeln der Halacha leben. Trotzdem verstehen sie sich (genauso wie atheistische Juden) als Juden, so dass klar ersichtlich wird, dass Religion alleine Judentum nur bedingt definieren kann.
Schicksalsgemeinschaft: Betrachtet man die eindrucksvollen unterschiedlichen Entwicklungen und Schicksale der Juden in aller Welt (etwa von polnischen, amerikanischen oder jemenitischen Juden), dann wird auch hier klar, dass der Terminus Schicksalsgemeinschaft für das Judentum keine Berechtigung hat.
Noch viel unsinniger wäre der Versuch Judentum - wie es einst geschah - biologisch zu definieren, denn es gibt (und gab nie) so etwas wie eine Jüdische Rasse. Kein Jude kann außerdem ausschließen nichtjüdische Vorfahren (Konvertiten zum Judentum) gehabt zu haben, und gleiches gilt - unter umgekehrten Vorzeichen - für sämtliche Christen.
Da alle oben genannten (traditionellen) Begriffe nur bedingt das Judentum definieren können, meine ich, dass das Wort Traditionsgemeinschaft am ehesten auf das Judentum zutrifft. Denn auch nichtreligiöse, säkulare (und selbst atheistische) Juden bewahren (oft nur aus einem Gefühl der Solidarität heraus) - ähnlich wie gläubige Juden - jüdische Traditionen, feiern mit Familienangehörigen und Freunden jüdische Festivitäten und versuchen ihr Wissen über das Judentum - ganz im Sinne der jüdischen Lerntradition - zu erweitern.
Abschließend kann nur trocken (vielleicht auch resignierend) festgestellt werden, dass gleichgültig wie sehr Juden sich um einheitliche Definitionen zu den Fragen, wer Jude ist" und "was das Judentum ist bemühen, ein diesbezüglicher Konsens in der jüdischen Welt nicht in Sicht ist.