Lotusz
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Hallo
Ich wollte einmal etwas genauer wissen, was es mit der Theorie der Wurzelrassen Rudolf Steiners (Antroposophie) auf sich hat. Sind sie wirklich Ausdruck von Rassismus? Offensichtlich macht man es sich etwas zu einfach, wenn man Steiner's Wurzelrassen-Theorie als Rassismus abtut. Vielmehr spiegelt die Wurzelrassentheorie einerseits die zeitgenössische antizionistische Strömung der 20er Jahre wieder, die offenbar weit verbreitet war. Diese antizionistische Ideologie wurde, wenn ich das richtig verstanden habe, vor allem durch die christlichen Kirchen bereits seit vielen Jahrhunderten aufrecht erhalten, und machte den Juden vor allem wegen der Kreuzigung Christus das Existenzrecht streitig.
Andererseits lehnt sich Steiner's Anthroposophie eng an die Theosophie an, die eine eigene Rassenideologie entwickelt hatte. Nach dieser Rassenideologie war die arische Rasse die am weitesten entwickelte Rasse. War jemand Arier, so hatte er sich diesen Verdienst laut der Reinkarnationstheorie der Theosophen durch ein verdienstvolles Vorleben erworben. Man sah die anderen Rassen offenbar als etwas minderwertiger an, ohne dass dieses Verhalten mit dem Rassenwahn im dritten Reich gleichzusetzen wäre.
Insgesamt scheint Steiner's Wurzelrassentheorie eine eigenartige Mischung aus historischer christlicher Judenfeindlichkeit einerseits, und verschrobener theosophischer Rassenideologien andererseits, zu sein. Dieses aber mit Rassismus gleichzusetzen, wäre etwas vereinfacht. Dass Rudolf Steiner selber neben seiner etwas skuril anmutenden Rassenideologien in seinem Alltag auch ein sehr rassenfreundliches (judenfreundliches) Verhalten zeigte, kann man bei antisemitismus.net nachlesen:
"Ein Mensch", so urteilte Steiner 1917 im Hinblick auf die Ursachen des Ersten Weltkrieges, "der heute von dem Ideal der Rassen und Nationen und Stammeszugehörigkeiten spricht, der spricht von Niedergangsimpulsen der Menschheit. Und wenn er in diesen so genannten Idealen glaubt, fortschrittliche Ideale vor die Menschheit hinzustellen, so ist das die Unwahrheit. Denn durch nichts wird sich die Menschheit mehr in den Niedergang hineinbringen, als wenn sich die Rassen-, Volks- und Blutsideale fortpflanzen." Stattdessen sei es notwendig, dass die anthroposophische Bewegung " gerade im Grundcharakter dieses Abstreifen des Rassencharakters aufnimmt, dass sie nämlich zu vereinigen sucht Menschen aus allen Rassen, aus allen Nationen, und auf diese Weise überbrückt diese Differenzierung, diese Unterschiede, diese Abgründe, die zwischen den einzelnen Menschengruppen vorhanden sind."
Mit diesen Worten ist ein weiteres Unterscheidungskriterium von anthroposophischen und völkischen Lehren benannt, soweit diese sich in institutionalisierten Formen Ausdruck verschafften. Denn während in völkischen Vereinen oder Organisationen der so genannte Arier-Paragraph über die Homogenität der Gemeinschaft wachte, stand die Mitgliedschaft der Anthroposophischen Gesellschaft Juden offen. Zu den Mitarbeitern und Anhängern Steiners jüdischer Abstammung zählten der Philologe Ernst Müller (1880-1954), der Philosoph und Zionist Hugo Bergmann (1883-1974), der Fabrikant Carl Unger (1878-1929), der in Auschwitz ermordete Komponist Viktor Ullmann (1898-1944), aber auch Berta Fanta (1865-1918), die vor dem Ersten Weltkieg in Prag einen einflussreichen philosophisch-literarischen Salon unterhielt. Nicht zuletzt der Umstand, dass in der Anthroposophischen Gesellschaft Juden "überrepräsentiert" waren und darüber hinaus Schlüsselpositionen innehatten, brachte ihrem Begründer die Feindschaft völkischer Kreise bis hin zu einem Attentatsversuch ein.
Als manifesten (Rassen-) Antisemiten könnte man Rudolf Steiner freilich nur dann apostrophieren, wenn sich herausstellte, dass seine wiederholten Distanzierungen vom judenfeindlichen, nationalistischen und rassistischen Diskurs damaliger Zeit nicht ernst gemeint waren und somit lediglich als Vorwand dienten, um unter der Hand eine politische Agitation zu betreiben, die auf eine gesellschaftliche Ausgrenzung bzw. Benachteiligung von Juden abzielte. Eine solche Deutung erscheint jedoch angesichts der Fülle an gegenteiligen Belegen und Zeugnissen als wenig überzeugend.
Die "Protokolle der Weisen von Zion", in denen sich der judeophobe Verschwörungsmythos idealtypisch verdichtete, wies Steiner ausdrücklich als "Fälschung" politisch reaktionärer Kreise zurück. In der Verbreitung der so genannten Dolchstoß-Legende erblickte er den Versuch deutscher Militärs, die Verantwortung für die Niederlage im Ersten Weltkrieg auf politisch missliebige Gruppen abzuwälzen, zu denen vor allem Juden und Kommunisten gehörten.
Ich möchte das Thema noch ein klein wenig im Auge behalten.
Alles Liebe. Gerrit
Ich wollte einmal etwas genauer wissen, was es mit der Theorie der Wurzelrassen Rudolf Steiners (Antroposophie) auf sich hat. Sind sie wirklich Ausdruck von Rassismus? Offensichtlich macht man es sich etwas zu einfach, wenn man Steiner's Wurzelrassen-Theorie als Rassismus abtut. Vielmehr spiegelt die Wurzelrassentheorie einerseits die zeitgenössische antizionistische Strömung der 20er Jahre wieder, die offenbar weit verbreitet war. Diese antizionistische Ideologie wurde, wenn ich das richtig verstanden habe, vor allem durch die christlichen Kirchen bereits seit vielen Jahrhunderten aufrecht erhalten, und machte den Juden vor allem wegen der Kreuzigung Christus das Existenzrecht streitig.
Andererseits lehnt sich Steiner's Anthroposophie eng an die Theosophie an, die eine eigene Rassenideologie entwickelt hatte. Nach dieser Rassenideologie war die arische Rasse die am weitesten entwickelte Rasse. War jemand Arier, so hatte er sich diesen Verdienst laut der Reinkarnationstheorie der Theosophen durch ein verdienstvolles Vorleben erworben. Man sah die anderen Rassen offenbar als etwas minderwertiger an, ohne dass dieses Verhalten mit dem Rassenwahn im dritten Reich gleichzusetzen wäre.
Insgesamt scheint Steiner's Wurzelrassentheorie eine eigenartige Mischung aus historischer christlicher Judenfeindlichkeit einerseits, und verschrobener theosophischer Rassenideologien andererseits, zu sein. Dieses aber mit Rassismus gleichzusetzen, wäre etwas vereinfacht. Dass Rudolf Steiner selber neben seiner etwas skuril anmutenden Rassenideologien in seinem Alltag auch ein sehr rassenfreundliches (judenfreundliches) Verhalten zeigte, kann man bei antisemitismus.net nachlesen:
"Ein Mensch", so urteilte Steiner 1917 im Hinblick auf die Ursachen des Ersten Weltkrieges, "der heute von dem Ideal der Rassen und Nationen und Stammeszugehörigkeiten spricht, der spricht von Niedergangsimpulsen der Menschheit. Und wenn er in diesen so genannten Idealen glaubt, fortschrittliche Ideale vor die Menschheit hinzustellen, so ist das die Unwahrheit. Denn durch nichts wird sich die Menschheit mehr in den Niedergang hineinbringen, als wenn sich die Rassen-, Volks- und Blutsideale fortpflanzen." Stattdessen sei es notwendig, dass die anthroposophische Bewegung " gerade im Grundcharakter dieses Abstreifen des Rassencharakters aufnimmt, dass sie nämlich zu vereinigen sucht Menschen aus allen Rassen, aus allen Nationen, und auf diese Weise überbrückt diese Differenzierung, diese Unterschiede, diese Abgründe, die zwischen den einzelnen Menschengruppen vorhanden sind."
Mit diesen Worten ist ein weiteres Unterscheidungskriterium von anthroposophischen und völkischen Lehren benannt, soweit diese sich in institutionalisierten Formen Ausdruck verschafften. Denn während in völkischen Vereinen oder Organisationen der so genannte Arier-Paragraph über die Homogenität der Gemeinschaft wachte, stand die Mitgliedschaft der Anthroposophischen Gesellschaft Juden offen. Zu den Mitarbeitern und Anhängern Steiners jüdischer Abstammung zählten der Philologe Ernst Müller (1880-1954), der Philosoph und Zionist Hugo Bergmann (1883-1974), der Fabrikant Carl Unger (1878-1929), der in Auschwitz ermordete Komponist Viktor Ullmann (1898-1944), aber auch Berta Fanta (1865-1918), die vor dem Ersten Weltkieg in Prag einen einflussreichen philosophisch-literarischen Salon unterhielt. Nicht zuletzt der Umstand, dass in der Anthroposophischen Gesellschaft Juden "überrepräsentiert" waren und darüber hinaus Schlüsselpositionen innehatten, brachte ihrem Begründer die Feindschaft völkischer Kreise bis hin zu einem Attentatsversuch ein.
Als manifesten (Rassen-) Antisemiten könnte man Rudolf Steiner freilich nur dann apostrophieren, wenn sich herausstellte, dass seine wiederholten Distanzierungen vom judenfeindlichen, nationalistischen und rassistischen Diskurs damaliger Zeit nicht ernst gemeint waren und somit lediglich als Vorwand dienten, um unter der Hand eine politische Agitation zu betreiben, die auf eine gesellschaftliche Ausgrenzung bzw. Benachteiligung von Juden abzielte. Eine solche Deutung erscheint jedoch angesichts der Fülle an gegenteiligen Belegen und Zeugnissen als wenig überzeugend.
Die "Protokolle der Weisen von Zion", in denen sich der judeophobe Verschwörungsmythos idealtypisch verdichtete, wies Steiner ausdrücklich als "Fälschung" politisch reaktionärer Kreise zurück. In der Verbreitung der so genannten Dolchstoß-Legende erblickte er den Versuch deutscher Militärs, die Verantwortung für die Niederlage im Ersten Weltkrieg auf politisch missliebige Gruppen abzuwälzen, zu denen vor allem Juden und Kommunisten gehörten.
Ich möchte das Thema noch ein klein wenig im Auge behalten.
Alles Liebe. Gerrit