Mit den Protokollen der Weisen von Zion habe ich mich ausführlich beschäftigt. Hier das Ergebnis meiner Rechsrchen:
Historische Entstehung der Protokolle
Die Protokolle der Weisen von Zion sollen angeblich auf ein geheimes Treffen von 12 wohlhabenden und einflussreichen jüdischen Finanziers zurückgehen (den 12 Weisen von Zion), die sich 1773 im Hause Rothschilds in der Judengasse in Frankfurt getroffen haben, um einen Plan für eine Weltverschwörung auszuarbeiten. Mit dieser Weltverschwörung wollen sie die Weltherrschaft und das gesamte Vermögen der Welt an sich bringen. Andere wiederum, vor allem rechtsorientierte Kreise, behaupten, dass es so etwas wie Pläne für eine jüdische Weltverschwörung bereits schon lange vor dem Treffen von 1773 gegeben habe, sie sollen nur 1773 von den Rothschilds neu ausgearbeitet worden sein und dadurch ihre aktuelle Bedeutung erlangt haben. [
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Ich frage mich allerdings, wie man 1773 an eine Weltverschwörung denken konnte, in einem Zeitalter, in dem man noch mit der Pferdekutsche reiste, da die erste deutsche Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth erst 1835 ihren Betrieb aufnahm, in einem Zeitalter, in dem man noch mit Kanonen und Vorderladern schoss, in einem Zeit in der es weder Telefone, Fabriken, Elektrizität, Autos noch U-Bahnen gab, ja, nicht einmal Fahrräder, denn die wurden erst 1817 erfunden, in einer Zeit also, in der man noch mit Heißluftballons statt mit Überschallflugzeugen flog. Wenn diese 12 Herren also bereits 1773 die Weltverschwörung geplant haben sollen, so müssen sie wahrlich die Fähigkeit besessen haben, in die Zukunft zu blicken und bereits 1773 Kenntnisse von der industriellen Revolution besessen haben. Mit anderen Worten, es muss sich um ein Treffen von Hellsehern gehandelt haben.
In Wirklichkeit handelt es sich bei dem "Protokoll der Weisen von Zion", um einem fiktiven Text, der 80 Seiten und 24 Kapitel umfasst, der wahrscheinlich einer französischen Satire entspringt, und später, während der französischen Revolution, gegen die Aufklärer, die sich gegen die Vorherrschaft von Adel und Kirche auflehnten, eingesetzt wurde. Man hatte keine Erklärungen für die Vorgänge während der französischen Revolution, bzw. die Herrschenden bemühten sich gar nicht erst darum, eine Erklärung für die Revolution zu finden, sondern sie suchten schlicht nach einem Schuldigen, dem sie die Verantwortung für den revolutionären Umsturz in die Schuhe schieben konnten. Diese Verantwortlichen fand man in dem geheimen Illuminatenorden und in den Freimaurerlogen, die sich im Rahmen der Aufklärung gegründet hatten. Diesen Geheimbünden und Logen unterstellte man eine jüdische Weltverschwörung, obwohl diese Logen bzw. Geheimbünde zu jener Zeit gar keine Juden aufnahmen.
Mit der Aufklärung während der französischen Revolution, setzte eine liberale und demokratische Strömung ein, die auch bald Russland erfasste und die zaristische Macht in ihren Grundfesten zu erschüttern drohte. Die russischen Juden, die mehrheitlich in armseligen Verhältnissen lebten und in vielfältiger Weise in ihren Rechten eingeschränkt wurden, nahmen die Ideen von Freiheit und Gleichheit mit Begeisterung auf, da sie hofften, durch diese Veränderungen ihre Emanzipation weiter vorantreiben zu können. Die Juden, die seit jeher städtisch orientiert und mit Geldgeschäften vertraut waren, galten als Repräsentanten der neuen Zeit.
Dies führte bei Teilen der russischen Bevölkerung zu Neid und Missgunst. Besonders russische Rechtsradikale tobten ihre Wut über die befürchteten Veränderungen, die die neue Zeit mit sich brachte, vorzugsweise an den Juden aus. Pogrome gegen die Juden waren an der Tagesordnung und wurden von den Behörden stillschweigend toleriert, da man befürchtete, dass die Unzufriedenheit sich sonst leicht gegen den Zaren richten könnte. Da lieferten die Protokolle natürlich genau die richtige Rechtfertigung für den Mob, ihre ganze Wut an den Juden auszulassen. [
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Über rechtsradikale Emigranten, die 1917 vor der russischen Revolution und dem anschließenden Bürgerkrieg in den Westen flohen, kamen die Protokolle schließlich nach Deutschland. In diesem Zusammenhang ist unter anderem Alfred Rosenberg zu nennen, der 1917 vor der Oktoberrevolution zunächst nach Paris und später nach München floh. Er bewegte sich in radikal antikommunistischen Kreisen russischer Emigranten und trat schon sehr bald der rassistischen Thule-Gesellschaft bei, einem völkisch-okkultem Geheimbund. 1919 lernte er über den völkischen Schriftsteller Dietrich Eckart auch Adolf Hitler kennen. Kurz darauf trat Rosenberg der NSDAP bei. [
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Seit dem Beginn der Verbreitung der Protokolle, gehören sie zu den Standardwerken des Antisemitismus. Hitler berief sich in seinem Buch "Mein Kampf" auf sie und Julius Streicher pries sie in seiner antisemitischen Wochenzeitung "Der Stürmer". Die Protokolle wurden zum Basistext des Nationalsozialismus und galten als Rechtfertigung für den Völkermord an 6 Millionen Juden im Dritten Reich. In Amerika tat sich vor allem der Gründer der Ford-Automobilwerke, Henry Ford, hervor, der die Protokolle in viele Sprachen übersetzen ließ und sie massenhaft verbreitete. Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges sind die Protokolle in West- und Mitteleuropa aus dem öffentlichen Blickfeld verschwunden. In Deutschland wird die Verbreitung der Protokolle als Volksverhetzung strafrechtlich verfolgt. Auch in radikalen arabischen und islamischen Kreisen erfreuen sich die Protokolle wegen ihrer antiisraelischen Stimmung großer Beliebtheit. [
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Eine französische Satire ist der Auslöser der Protokolle
Offensichtlich war die 1864 vom französischen Schriftsteller Maurice Joly in Brüssel erschienene Satire gegen Napoleon III, die Grundlage für die "Protokolle der Weisen von Zion". In dieser Satire schildert der Autor einen Dialog zwischen Montesquieu und Machiavelli in der Hölle. Dabei ist Montesquieu ein französischer Adliger, der allerdings mit der französischen Aufklärung sympathisierte. 1748 schrieb er ein sehr bedeutendes Buch über den französischen Absolutismus (De l'esprit des lois/Vom Geist der Gesetze), das einerseits große Beachtung fand, andererseits aber auch heftige Attacken auslöste und später von der katholischen Kirche auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt wurde. Baron Montesquieu wurde 1730 Mitglied in einer englischen Freimaurerloge. [
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Niccolo Machiavelli war ein italienischer Politiker, Philosoph und Literat, der von 1469 bis 1527 in Florenz lebte. Literarisch bekannt wurde er vor allen Dingen durch sein Buch "Der Fürst", in dem er das politische System der Alleinherrschaft analysierte. Die Hauptaussage seines Werkes "Der Fürst" lautet verkürzt: Der Zweck heiligt die politischen Mittel. Dabei knüpft er an die politische Geschichte der Antike an und zieht Vergleiche zu seiner Zeit. Damit wird er zu einem der Begründer der Staatsräson. Sein Fazit lautete: Der Staat solle das tun, was machbar ist. Notfalls muss er dabei auch Gewalt anwenden. Ausgehend von einem pessimistischen Menschenbild, ordnete er die menschliche Bosheit den Erfordernissen der Macht unter. Schon bald entwickelten sich gegen Machiavellis Anschauungen Strömungen, der in erster Linie Kleriker (Priester), Adlige, humane Philosophen, Freigeister, Aufklärer und Ethiker anhingen, die Machiavelli als Menschenfeind brandmarkten [
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Diese Satire verbreitete sich zunächst in Russland. Der Satire zufolge, untergraben die Juden die europäische Gesellschaft, in dem sie die französische Revolution, den Liberalismus, den Sozialismus, den Kommunismus und den Anarchismus heraufbeschworen hätten. Gleichzeitig würden sie den Goldpreis manipulieren und eine Finanzkrise schüren, die Kontrolle über die Medien erwerben und religiöse und rassistische Vorurteile nähren. Nach der Übernahme der Weltherrschaft planten sie ein monarchistisches Regime. Bei den Plänen würden die Juden von den Freimaurern unterstützt.
Kirche und Adel suchen einen Schuldigen für die französische Revolution
Die Protokolle waren ursprünglich reaktionäre Propaganda, die die Französische Revolution, die von 1789 bis 1799 währte, als freimaurerische Verschwörung darzustellen versuchte. Die französische Revolution veränderte die Gesellschaft Frankreichs grundlegend. Zum ersten mal gab es Meinungs- und Pressefreiheit, Gleichheit für alle Bürger vor dem Gesetz, eine unabhängige Justiz, das allgemeine Wahlrecht, eine gleiche Besteuerung für alle, sowie Berufs- und Gewerbefreiheit. Die Französische Revolution hatte also den Absolutismus hinweggefegt, in dem Adel und Kirche die Macht hatten, und auf Kosten der Bürger ein feudales Leben führten.
Offenbar konnte man es sich in einigen Kreisen nicht vorstellen, dass eine falsche Haushalts- und Innenpolitik, sowie eine Industrie und Agrarkrise, eine wirtschaftliche Rezession herbeigeführt hatten. Einerseits hatte man die amerikanischen Siedler im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg mit riesigen Krediten gegen den Erzfeind England unterstützt. Andererseits wurde Frankreich, aufgrund einer falschen Industriepolitik, durch das industriell weiter entwickelte England mit billigen Textilien, Industriewaren und landwirtschaftlichen Gütern überschwemmt, während die heimische Wirtschaft unter Missernten litt. Eine Missernte 1788, gefolgt von einem strengen Winter, führte dazu, dass die Brotpreise deutlich anstiegen. Das Haushaltsdefizit des französischen Staates nahm zwischen 1736 und 1789 rapide zu, so dass schließlich sogar ein Staatsbankrott drohte.
Die Brotpreise stiegen immer stärker an und die Armut unter den Bürgern breitete sich immer mehr aus. Der Unmut gegenüber dem Adel und der Kirche, die von den wichtigsten Steuern befreit waren, nahm immer mehr zu, so dass sich allmählich eine revolutionäre Stimmung gegenüber der Obrigkeit entwickelte. Der Grund für die Französische Revolution ist also nicht in einer Aufwiegelung durch Freimaurer zu suchen, sondern in der bitteren Armut und der gnadenlosen Ausbeutung durch die römisch-katholische Kirche und den Adel. Man fragte also in klerikal-konservativen Kreisen nicht nach der Ursache der Französischen Revolution, sondern suchte nach einem Schuldigen. Und den fand man offenbar in den Juden und Freimaurern. Später, rückten die "Illuminaten" (die Erleuchteten), ein deutscher Geheimbund, der 1776 gegründet wurde, und sich die Ziele der Aufklärung auf die Fahnen geschrieben hatte, ins Zentrum der Kritik. [
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In der Mitte des 19. Jahrhunderts tauchten die Behauptungen, dass die Juden und Freimaurer für die Französische Revolution verantwortlich sind, auch in der deutschen Presse auf. Prominentestes Opfer der Französischen Revolution wurde übrigens der Französische König Ludwig XVI, der am 1. Januar 1793 vor den Augen des Volkes auf der Place de la Revolution, dem heutigen Place de la Concorde, öffentlich hingerichtet wurde.
Bald darauf schrieb der konservative deutsche Schriftsteller, Hermann Ottomar Friedrich Goedsche unter dem Pseudonym Sir John Retcliffe (später verändert in Readclif) 1868 den Roman "Biarritz". Darin beschreibt er in dem Kapitel "Auf dem jüdischen Friedhof in Prag" wie sich die Vertreter der zwölf Stämme Israels, bei ihrer jährlich stattfindenden Zusammenkunft, über den Fortschritt des Plans, die Weltherrschaft zu erlangen, beraten. Am Ende der Sitzung, drückt der Vorsitzende Levit, (ein Levit ist einer der Stammväter der zwölf Stämme Israels), die Hoffnung aus, dass die Juden in 100 Jahren die "Könige der Welt" sein werden. Diese Rede, bekannt geworden als die "Rede des Rabbiners", bildete ein Grundelement der "Protokolle der Weisen von Zion", die von breiten Kreisen übernommen wurde. [
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Teil II folgt.