Die Pharmaindustrie

Hallo Loop,

eine ausgezeichnete und berechtigte Frage stellst du.
Prinzipiell ist es so, dass die Pharmaindustrie eine der umsatzstärksten Industriezweige überhaupt ist - das macht Menschen schon mal stirnrunzeln. Genauso wie bei der Lebensmittelindustrie, der Energie- und insbesondere Ölindustrie gibt es also wieder mal sehr viele Verschwörungstheorien.

Nicht ganz unberechtigt - wegen zunehmend schärferer Überwachung der Arzneimittelzulassungen wird es für Pharmaunternehmen immer schwerer, allein durch "ehrliches" R&D (research and development, also die Entwicklung neuer und besserer Medikamente) wettbewerbsfähig zu bleiben. Deswegen werden immer mehr fragwürdige bis schmutzige Tricks verwendet - das fängt bei "me-too"-drugs an (also ein "neues" Medikament, das patentiert werden kann, ohne dass es zum bisherigen Wirkstoff signifikante Verbesserungen gibt), geht über "pay for delay" deals (große Firmen zahlen Generikafirmen, damit die die nicht mehr patentierten Wirkstoffe nicht kopieren) und off-label-marketing (also die Vermarktung von Medikamenten für Krankheiten, für die sie nicht zugelassen sind) bishin zu Kartellabsprachen, Schönschreiben von Studienergebnissen und so weiter.

Wenn dich das Thema wirklich interessiert, empfehle ich dir das Buch "Corporate Crime in the Pharmaceutical Industry" von John Braithwaite, einem renommierten Kriminologen. Das Buch ist (leider) schon um die 30 Jahre alt, aber bis heute einer der wenigen wirklich guten Analysen von Wirtschaftskriminalität in der Pharmabranche, der hunderte Interviews mit hochrangigen Angestellten geführt und die kriminologischen (warum tun die das?) Hintergründe beleuchtet. Nichts reißerisches, kein populistischer Bullshit, sondern eine tatsächliche, kriminologisch-soziologische Einsicht in die Psyche von Wirtschaftskriminellen. Das Buch ist übrigens schon längst ausverkauft und nirgends mehr zu haben, wurde auch nicht mehr nachgedruckt (VTler würden behaupten, die böse Pharmaindustrie hat Lobbying betrieben :D), zum Glück findet man das Buch als pdf online.

Was ich sagen muss: sich über Youtube über solche hochkomplexen Themen zu informieren ist grober Unfug. Denn eines wird man dort mit Sicherheit nicht bekommen - objektive Information. Eher ein Mischmasch aus populistischem Gesülze und kruden Verschwörungstheorien. Wenn du dich ernsthaft informieren willst, ist das keine gute Grundlage - sogar "renommierte" Medien wie BBC haben Dokus zu dem Thema rausgebracht, die so dümmlich-populistisch und einseitig sind, dass sich mir die Zehennägel kräuseln, sage ich jetzt mal als jemand, der selbst ein wenig Arbeitserfahrung in diversen Pharmafirmen sammeln durfte.


Denn wenn man schon eine Seite ansieht, muss man sich auch die andere angucken: dass so viele Krankheiten heutzutage so gut behandeln werden können, das liegt an der Pharmaindustrie. Dass wir heute drei- bis viermal so lange leben können wie unsere Vorfahren, das ist zu einem signifikanten Teil dem Fortschritt der Pharmaindustrie zuzurechnen. Das Problem ist nämlich: über etwas wettern, und gegen etwas Stimmung machen ist einfach.
Was aber die Pharmaindustrie auch heutzutage noch leistet, das ist teilweise unglaublich.
Beispiele:
Im May 2012 wurde das erste Medikament auf Basis von Stammzellentechnologie freigegeben, das die sog. Graft-versus-Host-Reaktionen nach Transplantationen verhindern soll, etwas, woran bis heute Dutzende Medikamente gescheitert sind und das man normal nur durch Immunsuppressive mit starken Nebenwirkungen bekämpfen konnte.
Im Juni 2012 wurde ein Virus entdeckt, der gezielt Krebsgewebe befällt und gesundes Gewebe großteils ignoriert. Im gleichen Monat wurde ein neues Kombinationspräparat für HIV-Infizierte auf den Markt gebracht, das die Lebensqualität der Betroffenen immens steigert (weil man nur noch 1 Tablette am Tag nehmen braucht, und das bei einer Krankheit, die bis vor kurzem noch ein Todesurteil war).
Im Juli wurde das erste Medikament gegen multiresistente Tuberkulose zugelassen und eine Möglichkeit gefunden, vererbtes Alzheimer frühzeitig zu behandeln.
Im November kam die erste präventative HIV-Impfung in die Phase-II-Tests.
Im Dezember wurde ein Antikörperwirkstoff gefunden, der das Überlebensrisiko für Frauen mit Brustkrebs signifikant erhöht.

Das warn nur ein paar wenige Ausschnitte von dem, was in der Pharmaindustrie 2012 passiert ist. Ich könnte noch zwanzig Sachen aufzählen. Aber solche Sachen hörst du nicht, und wirst du nicht in Youtube-Videos finden, solche Sachen werden in Fachzeitschriften publiziert. Und solang man die Erfolge ausblendet und sich nur auf die negativen Ereignisse konzentriert, macht man es sich ein bisschen zu leicht, denke ich.

:thumbup::thumbup::thumbup:dem ist nix hinzufügen mE. !
 
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man sollte aber ehrlich dazusagen, dass es einem weitgehend egal ist oder man es zumindest billigend in kauf nimmt, dass pharmakonzerne nach wie vor massenhaft - zum teil äußerst schmerzhafte - tierversuche durchführen. wir profitieren ja davon (und ich bin da keineswegs ausgenommen).

aber sonst ist alles super.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hrm. Pharmaindustrie.... Ein zweischneidiges Schwert mit verdammt scharfen Klingen.

Einerseits ist es gut, dass sie da ist und immer weiter forscht. Wir haben ihr wirklich viel zu verdanken. Und das muss ich ja hier nicht wieder wiederholen, da es oben ja schon oft genug erwähnt wurde.

Die Kehrseite scheint aber auch immer mehr Macht zu bekommen. Es werden teilweise Medikamente auf den Markt geworfen, die nicht ausreichend getestet wurden. So kenne ich einen Fall einer jungen Frau, die wegen der Pille (eine von den neueren) eine Lungenembolie bekam, fast daran starb und nun schwere Spätfolgen hat. Sie hat Bayer verklagt und gewonnen. Die Pille war nicht hinreichend auf ihre Langzeit(neben)wirkungen getestet. Dennoch wird sie weiter verkauft.

Und dann gibt es da noch die ganzen Psychopharmaka. Vor allem bei Antidepressiva ist die Wirkung nicht hinreichend bekannt oft und das führt dazu, dass sie bei jedem Patienten anders wirkt und man quasi russisches Roulette spielt auf der Suche nach dem passenden Antidepressivum. Bei jemandem mit akuter Depression fatal. Von den teils schweren Nebenwirkungen einmal ganz zu schweigen, die bei dem ein oder anderen da auftreten.
Und sie machen abhängig, die meisten Psychopharmaka. Ja, auch Antidepressiva. Ich habe es am eigenen Leib erlebt. Ich muss seit Jahren eines nehmen und hatte schwere Entzugserscheinungen, als versucht wurde, es langsam auszuschleichen. Dennoch werden diese Drogen als "Arznei" weiter verkauft und es werden immer neue Präparate "erfunden". Teilweise auch schon für Sachen, die früher gar nicht als Krankheit galten.

Es ist wahnwitzig, wie profitgeil die Pharmaindustrie an manchen Stellen ist. So sagte einmal ein amerikanischer Vertreter: "Es gibt keinen Menschen, der nicht krank ist. Jeder hat mindestens eine psychische Störung und wir haben für alles das passende Medikament."
Totaler Irrsinn.

Aber soviel erstmal, sonst schweife ich völlig ab. :D

LG
federschnee
 
Tabargan
Denn wenn man schon eine Seite ansieht, muss man sich auch die andere angucken: dass so viele Krankheiten heutzutage so gut behandeln werden können, das liegt an der Pharmaindustrie

Das liegt am Wohlstand.
Ohne Geld keine Behandlung.


Herz, Hüfte und Knie....in Deutschland die meisten OPs.
Damit wird Geld gemacht.

Und ich behaupte ganz frech, der Pharmaindustrie gehts NUR ums Geld
 
Tabargan


Das liegt am Wohlstand.
Ohne Geld keine Behandlung.


Herz, Hüfte und Knie....in Deutschland die meisten OPs.
Damit wird Geld gemacht.

Und ich behaupte ganz frech, der Pharmaindustrie gehts NUR ums Geld

Bereits in der Episode "Blutige Geschäfte" aus der Krimireihe "Quincy" wurde dieses Thema aufgegriffen und das schon 1979. Wirtschaftsunternehmen. Diese Form wurde immer weiter ausgebaut und erreicht in unserer Gegenwart bald ihren Zenit. Und exakt ist die Pharmaindustrie daran maßgeblich beteiligt.

In der Folge ging es auch darum, dass hauptsächlich jene behandelt werden, die es sich leisten können, die versichert sind und bei der Auswahl der Patienten, wurde aufs Geld geschaut. Diese Episode ist heute aktueller denn je.

Krankheit ist längst nicht mehr das Hauptmerkmal zur Aufnahme in ein Krankenhaus. Ohne Versicherung keine Aufnahme. Und Leute, die zahlen können, werden zuzüglich länger als nötig dabehalten, um den "Gewinn" zu maximieren.

Hauptschuld haben zwei Felder: Desinformation auf der einen Seite und Unwissenheit auf der anderen.

Das alte Lied: Du gehst doch nicht ins Krankenhaus oder zum Arzt, damit du gesund wirst sondern um dich trösten zu lassen und deren Taschen zu füllen.
 
Und ich behaupte ganz frech, der Pharmaindustrie gehts NUR ums Geld

>> Es wird angenommen, dass einige Pharmakonzerne mehr Geld in die Werbung neuer Produkte investieren, als in die Erforschung neuer Medikamente. Zu Lasten von Patienten werden die eigenen Profitinteressen in den Vordergrund gestellt, teilweise werden Nebenwirkungen von Medikamenten verschwiegen oder Medikamente kommen auf den Markt, die noch nicht wirklich ausgetestet sind. Von der EU Kommission wird der Pharmaindustrie vorgeworfen, die Einführung von kostengünstigerer Generika in der Europäischen Union zu verzögern und sogar zu blockieren. Interessenkonflikte der Pharmakonzerne untereinander sind keine Seltenheit und stellen so die Integrität der akademischen Forschung in Frage. <<
 
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