Hallo
Ich bin da gerade auf etwas gestossen, was bei mit tiefstes Unbehagen auslöst. Und zwar dreht es sich um das Samaya, die Ermächtigung, eine bestimmte Art von Diamantpraxis (Tantrapraxis) auszuführen.
Dort wird gesagt: "Schüler der mittlerer Kapazität sind während der Ermächtigung fähig, die ihrem Geist innewohnende Weisheit zu entdecken und erreichen dadurch mindestens die erste Bodhisattvastufe." Mit solch einer Praxis kann ich nicht viel anfangen. Was mir nicht gefällt, ist zum einen die Vermutung, dass der Schüler den Lehrer vielleicht nicht einmal kennt, vielleicht nur oberflächlich kennt und hinterher damit prahlt: "Ich habe meine Ermächtigung bei Ringpoche xyz oder vielleicht sogar beim Dalai Lama erhalten." Ausserdem sehe ich die Ermächtigung als eine psychologisch sehr fragwürdige Methode an, weil dem Schüler, bzw. der Schülerin, durch die Ermächtigung, mit dem Erreichen der ersten Bodhisattvastufe, der Mund wässerig gemacht wird.
Dieses erinnert mich an wenig an die Methoden, die
Maharishi Yogi von der Transzendentalen Meditation gekonnt anwendet, indem er gegen meistens recht hohe Kursgebühren, den Leuten nach dem Kurs einen Titel verleiht. So verleiht Maharishi massenhaft Titel und Ehrenzeichen, wie Minister, Gouverneur oder sogar Exeoutiv-Gouverneur. Damit fühlen sich die Leute geschmeichelt und glauben, sie seien etwas besonderes.
Bei der Ermächtigung im Tantra ist zwar kein Geld im Spiel, aber das Spiel mit der Eitelkeit der Menschen ist vergleichbar, mit dem, was Maharishi betreibt. Eventuell sind sie nach der Ermächtigung vielleicht sogar davon überzeugt, wenigstens Bodhisattvas der ersten Stufe zu sein. Spielt diese Eitelkeit bei der Kalachakra-Einweihung nicht vielleicht auch eine grosse Rolle, wenn die Menschen beim Dalai Lama an einer Kalachakra-Einweihung teilnehmen ohne das Kalachakra und den Dalai Lama wirklich zu kennen?
Weiter wird behauptet: "Was durch eine Ermächtigung gereinigt wird, sind die fünf Verdunkelungen und das negative Karma, das auf Körper-Ebene angesammelt wurde." Man bemüht sich also eventuell gar nicht mehr selber um sein negatives "Karma", sondern glaubt daran, dass sich dieses durch die Einweihung von selber auflöst. Das "Karma" wird einem natürlich etwas husten. Was hier stattfindet, ist nicht mehr die innere Auseinandersetzung, sondern die Verlagerung auf irgendwelche äusseren Rituale, vielleicht sogar in der stillen Hoffnung, damit wirklich etwas für den spirituellen Fortschritt getan zu haben. Ich will nicht verhehlen, dass die Gefahr, die ich sehe, nicht in jedem Fall gegeben ist, aber ich würde zumindest annehmen, dass sie besteht.
Und wenn ich mir dann noch ansehe, wie die sieben Punkte des Gelübtes aussehen, die ein/e Tantra-Schüler/in ablegen muss, dann empfinde ich das persönlich als eine Bedrohung. Und werden alle sieben Punkte des Gelübtes gebrochen, so wird davon gesprochen, dass die strafende Wirkung dann extrem negativ und leidvoll ist und eine Geburt in den Paranoia-Bereichen unausweichlich ist. Diese Aussage empfinde ich als eine weitere Bedrohung.
Verhält der Lehrer sich dagegen in einer Weise, dass er dem Dharma entgegensteht, dann soll der Schüler den Kontakt mit dem Lehrer abbrechen. Benimmt ein Lehrer sich also in einer Weise, die nicht dem Geist Buddhas entspricht, so hat der Schüler nicht das Recht, dagegen in irgendeiner Weise vorzugehen. Das halte ich für sehr bedenklich. Im Gegenteil, es wird dann sogar noch gesagt, dass der Meister, der befähigt ist, Diamantbelehrungen voll zugeben, gar nicht der Lehre Buddhas zuwider handeln kann. Eine sehr fragwürdige Einstellung, die die menschlichen Schwächen nicht zur Kenntnis nimmt.
aus:
Der mittlere Weg
Alles Liebe. Gerrit