Vorwort III
Was ich wirklich sage, ist, daß jedes menschliche Wesen, verheiratet oder nicht, die Wahl haben sollte, ob sie Sexualität praktizieren möchte oder nicht. Wir sollten niemals zur Sexualität gezwungen werden, weder durch Gesetze, noch durch eine andere Person oder durch Gewohnheit, denn sonst fühlt man sich unglücklich, verärgert oder verletzt. Ich glaube, wir alle wissen in unserem Herzen, dass Sex nicht glücklich macht. Wenn Sex das könnte, wären wir alle glücklich, weil die meisten von uns Sex haben. Dennoch haben wir, gegen alle Beweise, eine Gehirnwäsche vorgenommen, und glauben, dass Sex unentbehrlich für die persönliche und eheliche Zufriedenheit ist. In meinem Buch habe ich eine einfache und vernünftige Lösung, für die Probleme, die im nationalen Eheberatungsgremium in einem kürzlich erschienem Beitrag als Katastrophengebiet der Ehe bezeichnet wurde, d.h. den Sex, zur Verfügung gestellt. Ich sage, wenn du den Ursprung des Problems entfernst, wirst du entdecken, dass das Problem selber verschwindet. Wenn dir eine bestimmte Nahrung nicht schmeckt, würdest du aufhören, mehr davon zu essen. Aber diese Aussage wurde als gefährlich häretisch angesehen (Häresie = Irrglauben) und hat den Zorn derSexexperten auf mich gerichtet. Sie haben mich als frigide, sexuell kalt, als lesbisch beschimpft und bemerkt, dass sie Mitleid mit meinem Ehemann hätten. Die vernünftigere Öffentlichkeit jedoch hat mein Lösungskonzept nicht als so seltsam empfunden.
Ganz das Gegenteil war der Fall. Zeitungen, die Leserbriefe zu dem Thema veröffentlichten, zeigten, dass die Mehrheit der Zuschriften, mit meiner Meinung übereinstimmten. Die Zeitschrift People sagte, dass etwa 70 Prozent ihrer Leser meiner Meinung waren. Der Daily Express schrieb dasselbe. Es gibt vermutlich mehr zölibatäre Ehen, als die Leute sich eingestehen, schrieb ein Korrespondent. Es scheint, dass ich ein Thema ins öffentliche Bewusstsein brachte, das viele Leute betraf, die sich aber nicht dazu bekannten. Wir alle wissen, dass Sex schnell zu einer Pflicht werden kann, die Abneigung, Zorn, Eifersucht, Leid und Schuldgefühle verursachen kann. Es gibt ein großes suchterzeugendes Moment im Sex, das nichts mit Liebe und Hingabe oder irgendeiner biologischen Notwendigkeit zu tun hat. Meistens, wenn Menschen Sex haben, beabsichtigen sie nicht, ein Kind zu zeugen. Tatsächlich tun sie alles, um dies zu verhindern. Viele Männer gehen zu Prostituierten und selbst der Inzest (Inzest = Geschlechtsverkehr zwischen nahen Verwandten) hat zugenommen. Wo bleibt die Liebe und Hingabe, die erfüllte Intimität bei solcher tristen sexuellen Befriedigung? Wir alle wissen dies und ich habe nichts anderes getan, als den Mythos, dass Sex reines Glück erzeugt, zerbrochen.
Das Lieblingsargument gegen meine Vorschläge war, dass dann, wenn alle zölibatär leben würden, die Menschheit aussterben würde. Dies ist nichts als ein Ablenkungsmanöver. Einerseits wird nicht jeder im Zölibat leben und andererseits spreche ich über Sex, der aus rein sexueller Befriedigung praktiziert wird und nicht über Sex, der der Kinderzeugung dient. Wir, als Menschen, praktizieren viel häufiger Sex, als es zur Arterhaltung der Menschheit notwendig ist. Aber ich empfehle das Zölibat nur als eine Möglichkeit. Es sollte nicht zur Pflicht werden, wie auch der Sex nicht zur Pflicht werden sollte. Alles was ich sage, ist, dass das Zölibat einen großen Nutzen haben kann, den wir in unserer verzweifelten Suche, nach immer exotischeren Sexualpraktiken, vollkommen vermisst oder übersehen haben. Ich habe öffentlich gesagt, dass ich in Bezug auf das Zölibat keine Nachteile fand. Ich habe mehr Energie, mehr Unabhängigkeit, eine bessere Gesundheit, ich bin ruhiger und gelassener, als zu der Zeit, in der ich sexuelle Zufriedenheit suchte, aber niemals fand. Die Sexexperten können dies befremdend finden, aber der Beweis, ob der Pudding gelungen ist, liegt im Probieren des Puddings. Keiner von uns hat, seitdem wir das Zölibat praktizieren, an einen Seitensprung gedacht. Die häufig gestellte Frage, wie wir mit dem sexuellen Drängen umgegangen sind, ist leicht zu beantworten. Es ist einfach verschwunden. Dies mag für die Leute seltsam klingen, die davon überzeugt sind, dass wir den Sex genau so brauchen, wie die Nahrung, den Schutz und die Kleidung. Aber es entspricht nicht der Wahrheit.
Wenn ich die Menschen bitte, die sich sexuell betätigen, die guten Dinge aufzuzählen, die sich seit der sexuellen Revolution entwickelt haben, können sie keine nennen. Einige sagen: Die Leute sind heute offener gegenüber der Sexualität. Dieses ist vermutlich der Fall, aber es ist hart, das Ergebnis dieser Offenheit zu sehen. Es hat die Geschlechter zweifellos nicht zu einer größeren Harmonie verholfen, und auch nicht dazu geführt, dass Männer und Frauen sich heute besser verstehen. Genau das Gegenteil davon ist eingetreten. In den Romanen der Bestsellerautorin Jackie Collins, die das glamoröse Holywoodleben beschreibt, in der die Menschen jederzeit Sex haben, liest man, dass die stärksten Gefühle Hass und Rache sind, aber niemals Liebe. Ich entschied mich, dieses Buch zu schreiben, weil der Beweis, dass Sex die Probleme der Welt vergrößert, anstatt sie zu verkleinern, mir zunehmend ins Auge springt. Wenn ich auch sonst nichts erreicht habe, so kann ich mir sicher sein, dass dieses Buch eine Diskussion über das Tabu des Zölibats ermöglicht und das Zölibat als eine positive Möglichkeit in Betracht zieht. Möge die Diskussion lange anhalten.
Sex ist keine Pflicht I - Vorwort I
Sex ist keine Pflicht II - Vorwort II
Auszüge aus dem Buch "Sex is not compulsory" von
Liz Hodgkinson