Vorwort II
Wir haben alle, in den letzten zwanzig Jahren, seitdem die sexuelle Revolution begann, einen falschen Gott angebetet und instinktiv wussten wir es. Man hatte meiner Generation beigebracht, zu glauben, dass Sex ein elementares und natürliches Verlangen ist, dass häufig befriedigt werden muss, andernfalls würden entsetzliche körperliche und geistige Konsequenzen folgen. Meine eigene Erfahrung und die meines Ehemannes, haben uns gezeigt, dass dieser Glaube eine Lüge ist. Seitdem wir enthaltsam leben, sind wir vollkommen glücklich und gesund. Wir leiden weder unter Krankheiten, noch an Qualen oder sexuellen Frustrationen. Wir sind sehr erfreut darüber, uns vom steten Drängen des Körpers befreit zu haben. Es ist eine wundervolle Freiheit, eine lebensbereichernde Befreiung.
Als die Ehe geschlossen wurde, haben wir uns zu verstehen gegeben, dass eine Ehe ohne Sex keine Ehe ist. Juristisch gesehen, kann die Ehe annuliert werden, wenn ein Partner dem anderen dauernd den Sex verweigert. Die Idee, dass Sex in der Ehe eine Pflicht ist, wird in der anglikanischen Hochzeitszeremonie mit den Worten "mit meinem Körper bete ich dich an" verehrt. Tatsächlich wurde bis vor kurzem darauf hingewiesen, dass Sex in der Ehe eine eheliche Pflicht ist. Wir sollten uns selber fragen, was ist die Ehe? Ist sie hauptsächlich eine Vereinigung zwischen zwei Menschen, die eine permanente Bindung eingehen möchten oder ist sie ein bequemes Mittel für das Fortbestehen der menschlichen Rasse? Wir wussten nicht wirklich, was die Ehe für uns bedeutete, ausser dass es ein lebenslanges Abkommen ist, bei dem Sex, der der Entspannung dient, garantiert ist, beinahe eine Pflicht. Es fragt aber niemand, ob die Mehrheit der Ehen glücklich sind. Sie sind es vielfach nicht, selbst die Ehepaare nicht, die momentan nicht an Scheidung denken. Einer der Gründe, warum so viele Ehen unglücklich sind, liegt meiner Meinung nach darin, dass wir vom anderen Partner erwarten, dass er uns sexuell zufrieden stellt. Wenn er nicht imstande ist, dies zu tun, oder wir dieses Verlangen nicht erwidern können, folgen Verletzungen, Zorn und Gefühle der tiefen Ablehnung.
Diese Haltung hat uns in eine Verwirrung gestürzt. Obwohl jedes Paar in der Welt, Ausnahmen bestätigen die Regel, im Laufe der Jahre eine Verminderung der sexuellen Anziehung füreinander erfährt, sind wir nicht mehr bereit, die Wünsche des Partners als normal und natürlich hinzunehmen. Stattdessen betrachten wir den Mangel an Libido als medizinisches Problem, das dringende Aufmerksamkeit erfordert. Wir würden gerne wieder Sex haben, Doktor, sagen die besorgten Patienten, aber im Moment fehlt uns ein wenig die Lust. Stimmt etwas nicht mit uns? Der Arzt könnte dies als sexuelle Funktionsstörung deuten und das Paar in eine Spezialklinik schicken, in der sie auf die beste Weise beraten werden, wie sie sich wieder begehrenswert finden. Heutzutage wird es einfach nicht erlaubt, enthaltsam zu leben. Wenn wir sagen, dass wir nicht mehr so große Lust am Sex haben, werden wir angesehen, als ob etwas nicht in Ordnung mit uns ist. Wir haben womöglich einen unterentwickelten Sexualtrieb oder unterdrücken unseren sexuellen Trieb wegen langanhaltender Hemmungen.
Es wird uns erlaubt, jede andere Tätigkeit im Leben abzulehnen. Niemand würde vorschlagen, dass jeder auf der Welt sich an Fussball, Rum oder Sahnekuchen erfreuen sollte. Aber wenn wir bekennen, dass wir keine größere Begeisterung für den Sex empfinden, meint man, wir müssten ausgetrocknete, verschrumpelte Puritaner oder kaltherzige Menschen sein. Sex, insbesondere Sex in der Ehe, wird als eine Pflicht betrachtet. Es wird uns nicht erlaubt, keinen Sex zu haben. In meinem Buch mache ich keinen Unterschied zwischen Sex in der Ehe und Sex außerhalb der Ehe. Die Tätigkeit ist dieselbe, egal ob du vor den Altar trittst oder nicht. Es ist vielleicht die radikalste Aussage, die ich mache, wenn ich sage, dass jeder Sex schädlich für die Emotionen sein kann. Dies ist der Standpunkt, den die Menschen am wenigsten akzeptieren. Die Leute haben mir vorgeworfen, dass ich mich gegen jeden Sex ausspreche und nicht nur gegen Sex mit häufigem Partnerwechsel. Wie ist es, wenn Sex der Ausdruck einer festen und liebevollen Verbindung ist, frage ich. Ist dann etwas falsch daran? Kann Sex eine Beziehung bereichern, sie intimer und sinnvoller gestalten? Gibt es außerdem nicht einen großen Unterschied, zwischen der körperlichen Liebe und dem blossen Gebumse?
Sex ist keine Pflicht I - Vorwort I
Auszüge aus dem Buch "Sex is not compulsory" von
Liz Hodgkinson[/QUOTE]