Will man das System Hellingers verstehen, muß man seine konservativ-katholische Weltanschauung als Grundlage seines therapeutischen Handelns betrachten. Empirische Fakten und wissenschaftliche Ergebnisse spielen im Erkenntnisprozess des Familienstellens nach Hellinger keine Rolle, werden z.T. sogar als schädlich und unnütz dargestellt ("Das nimmt nur Kraft weg."). Hellinger setzt ganz auf seine Intuition. Daher gibt es auch weder eine Ausbildungen noch eine differenzierte Krankheitslehre noch objektiv überprüfbare Wirksamkeitsstudien. Das Familienstellen nach Hellinger ist ein quasi-religiöses System, bestehend aus Werturteilen, Schwarz-Weiß-Kategorisierungen und Normen, die der Klient annehmen muß - ansonsten bricht Hellinger die Aufstellung ab. Hellinger irrt sich nie. Wenn jemand zweifelt oder sich Widerstand regt, macht er daraus ein Problem des Klienten ("Manchmal ist es aber auch notwendig, eine Aufstellung vorher abzubrechen. So gibt es Klienten, die die Zusammenarbeit mit dem Therapeuten verweigern und die Lösung nicht anerkennen wollen." Fragen und Antworten,
www.hellinger.com).
Vor allem aber geht es inhaltlich um eins: die Macht der Ordnungen. Ordnungen der Liebe, Ordnungen der Geschwister, Ordnungen der Geschlechter, etc., etc.. Hellinger geht von einer Urordnung aus, die er bestimmt und einem extrem konservativem, ja schon bald überwunden geglaubtem, anachronistischem Weltbild gleicht. Sein Ansatz lässt sich auf 2 Komponenten reduzieren:
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"Es gibt eine Ordnung im Leben in jeder Familie". Z.B. habe jeder Erstgeborene seinen Platz vor dem Zweitgeborenen. Diese Ordnung sei ein Naturgesetz, egal ob sie uns gefällt oder nicht. Jede Störung der Ordnung mache krank. Diese Ordnungen seien anzuerkennen und gut. Der Versuch, diese Ordnung zu durchbrechen ist böse, scheitere in jedem Fall und führe zu schweren psychischen, psychosomatischen und auch körperlichen Erkrankungen (Krebs, Behinderungen, AIDS, etc.).
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"Kinder wollen ihre Eltern lieben". Wird dieser "Fluss der Liebe" unterbrochen, schlage er in Schmerz, Verzweiflung oder ebenfalls in Krankheit um. So entstünden Neurosen durch "unterbrochene Hinbewegung zu den Eltern". Wenn man den Eltern Ehre erweise - ganz gleich, was sie einem angetan hätten - komme etwas tief in der Seele in Ordnung. (vgl. Fincke, 1998, S.16)
In der Regel wird die "Ordnung" dadurch wiederhergestellt, dass Kinder sich vor den Elternstellvertretern verbeugen und diesen damit die Ehre erweisen ("Und wenn einer den Kopf leicht nach vorne neigt, fließt Energie. Er kommt viel mehr in Kontakt mit der Erde. Und wenn jetzt das einer vor seinen Eltern macht und macht das noch tiefer, dann bringt er die ursprüngliche Ordnung zur Geltung, nämlich dass die Eltern groß sind, und er ist klein.", Interview mit Hellinger anlässlich einer Veranstaltung des Erickson-Institutes Berlin 1995,
www.erickson-institut-berlin.de/frames/community/whc/texte/i-hellinger.htm
). Dies geschieht mit antiquiert und religiös anmutenden Sätzen, die Hellinger ritualgleich vorspricht, wie "Ich gebe Dir die Ehre" oder "Bitte segne mich". Abgesehen vom Fehlen jeglicher theoretischer Grundlage muß man sich die Frage stellen, wie diese Sätze in einem solchen Rahmen, wie ihn Hellinger anbietet, auf jemanden wirken, der in seinem Elternhaus schwerste Traumatisierungen erfahren hat!
Hellingers Weltbild ist eine Simplifizierung erzkonservativer Wertesysteme, die sich v.a. in der Sichtweise von Partnerschaft und Familie äußern ("Wenn der Mann der Frau folgt, hat das immer schlimme Auswirkungen", "Ich habe beobachtet, dass es der Frau und den Kindern besser geht, wenn sie dem Mann folgt, in seine Familie, in seine Sprache, in seine Kultur ..., dann ist der Ausgleich geschaffen.", "...Übrigens: Kinder, die ungeplant auf die Welt kommen, sind glücklicher als Wunschkinder.", "Wenn eine Frau arbeitet...verliert die Frau.", etc.; Ein Sioux sagt nie danke, couch-gespräch: Gabriela Herpel und Ingolf Gillman im Gespräch mit Bert Hellinger, SZ-Magazin, 21.11.1997). Sie sind Ausdruck einer Ordnungstheologie - oft ein Schritt zurück in vergangene Zeiten. So haucht er ausgedienten Pathologisierungen neues Leben ein ("Ich habe den homosexuellen Sohn vor dem Vater niederknien und sagen lassen: ´Ich gebe dir die Ehre´, und zwei Monate später hat er geheiratet und hat jetzt ein Kind.").
Darüber könnte man diskutieren, wenn er dieses als seine persönliche Überzeugung darstellen würde. Aber er macht - und das ist das eigentlich bedenkliche - aus seiner persönlichen Überzeugung ein quasitherapeutisches System, dem man unbeirrbar folgen muss, wenn man nicht untergehen will.