Passauer Neue Presse 13.3.04
MOMENT MAL,
als wir den Titel des Vortrags gelesen haben, dachten wir an Farbe, an Stoffe, an Jeans: "Indigo-Kinder" ist der Vortrag überschrieben, den es in der kommenden Woche bei der Volkshochschule in Regen zu hören gibt. Es geht aber nicht um Farbe oder Stoffe. Indigo-Kinder - Achtung, wir zitieren jetzt verschwurbelte Esoterik-Sprache - repräsentieren einen "Evolutionssprung", haben ein "vier- oder fünfdimensionales Bewusstsein", haben Probleme mit absoluter Autorität; die Indigo-Kinder haben eine "Aura, die verstärkt die Farbe Indigoblau enthält"; und die Indigo-Kinder haben Eigenschaften, die ihnen (und der Gesellschaft) Schwierigkeiten bereiten: Sie sind zappelig und unruhig, sprunghaft - kurz - und jetzt verlassen wir die Esoterik: sie leiden an ADHS, der Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung. Ein Störungsbild, das seit rund 20 Jahren vermehrt bei Kindern und Jugendlichen festgestellt wird.
Störungsbild? Neineinnein, sagen da die Esoteriker, so drückt sich eben die erhöhte Bewusstseinsstufe aus. Unserer Meinung nach drückt sich in dieser Beurteilung eher die Findigkeit der Esoterik-Szene aus. Oder wie es Matthias Pöhlmann von der Evangelischen Zentrale für Weltanschauungsfragen ausdrückt: "Seit Ende der 90er Jahre entdeckt die Esoterik die Kinder." Sie entdeckt einen Markt und bedient ihn. Mit Ratgebern, Seminaren, mit einem "Indigo-Spray (15 Euro) für die Kinder des Lichts". Gesprüht über die Köpfe des Kindes und der Erwachsenen soll es für bessere Energieübertragung sorgen. Vor allem sorgt es für eine gute Geldübertragung zwischen Käufer und Verkäufer. Wenn das Spray versagt, kann man vielleicht ja an einem Seminar "Indigo-Kinder-Lichtring" teilnehmen: für 2850 Euro.
Interessant, wie ein Krankheitsbild esoterisch uminterpretiert werden kann. Und schlimm für die Kinder, wenn dadurch vielleicht verhindert wird, dass sie entsprechend behandelt werden.
Bei der Volkshochschule, die ja den Vortrag anbietet, wusste man übrigens mit dem Begriff der Indigo-Kinder nichts anzufangen. Den Vortrag hätte man auf Anregung des Referenten ins Programm genommen. Eine Spur kritische Distanz zu esoterischen Angeboten und etwas weniger Indigo-Blauäugigkeit wünschen wir uns von einer Einrichtung, die den Namen Volkshochschule führt.