Da sah sie eine Besucherin in die Bibliothek des Lebens kommen. Das war besonders, denn normale Besucher gibt es hier eigentlich nicht. Diese Besucherin mußte aber von irgendjemandem ganz ganz dolle geliebt werden, daß diese Ausnahme möglich war. Als sie sich dem Schreibtisch des Bibliothekars näherte, erkannte sie Tante Tulipan wieder. Sie strahlte über das ganze Gesicht. Tante Tulipan, sagte eva, welch eine Überraschung. Sag bloß, du hast noch ein paar Fragen.
Tante Tulipan (die so wunderschöne Tulpenlippen hatte) öffnete dieselben und sagte leise:
"Ähm.... mein Widerstand gegen die Wahrheit ist inzwischen dahingeschmolzen."
Eva hüpfte das Herz vor Freude. Oh wie wunderschön. Heißt das, daß du deine inneren Begriffe wie diesen der Wahrheit (der da scheinbar so tot rumlag), deine Spielsachen des Verstandes, auch mal mit dem lebendig machenden Wasser besprüht hast? Ist das nicht toll, wie die alle auf einmal lebendig werden und neue Tänze machen?
Doch Tante Tulipan teilte die Freude der eva noch nicht völlig. Sie runzelte die Stirn und dachte nach. Schließlich fragte sie:
Wie findest du die Verbindung zu den Gesetzen, nach denen unser Universum geschaffen geschaffen wurde? Die Gesetze, die in unserer Welt gelten? Und von denen du redest, dass es nicht schaden kann, sie zu kennen? Die könnte man doch als die absolute Wahrheit betiteln, oder?
Oh ja, antwortete eva, das könnte man wohl. Weißt du, da habe ich meinen großen Bruder Menno für. Der hat das schließlich alles gebaut. Und wenn ich ihn frage, dann erklärt er mir alles. Neulich, da hat er mir mal seine Kiste mit den LEGOs gezeigt. Vorne auf der Kiste stand groß drauf: Uni-versum. Und er hat mir gezeigt, wie es da - wenn man etwas stabiles bauen will, eigentlich nur neun Förmchen gibt. Diese neun Förmchen werden mit sich selber kombiniert in allen möglichen Weisen. Das sind dann 9x9, also 81 Bausteine. Er nannte diese Bausteine Elemente, chamische Elemente. Das habe ich nicht verstanden. Er sagte, daß es auch noch weitere Elemente gibt, aber die gehen immer so schnell kaputt. radioaktiv nennen die Menschen das in der Welt.
Und chamisch, erklärte er, das kennen die Menschen in der Welt als chemisch oder früher chymisch. Er zeigte mir ein wunderbares Kinderbuch damit. Das heißt Die chymische Hochzeit des Christian Rosenkreuz. Das habe ich sofort durchgelesen. Früher hieß das auch nicht chemisch, erklärte er mir, sondern All-chemie oder Alchymie. Manche von denen hätten dann sogar auch die Bibliothekarslehre begonnen und seien zu richtigen Bibliothekaren geworden.
Er hat auch noch eine größere Kiste, da steht Schöpfung drauf. Da sind - hat er mir auch gezeigt - 231 verschiedene Elemente drinne. Daraus kann man wirklich ALLES bauen, und das geht auch nicht kaputt. Unsere Bibliothek hier ist schließlich auch daraus gebaut. Für die Ewigkeit gebaut, sagte er lächelnd. Das ist ein Schlitzohr. Manchmal weiß ich nicht genau, was er meint. Aber ich lerne ja gerne und weil er es mir immer so lieb erklärt, ist es auch einfach.
Aber bei dem chamischen kam ihr eine Erinnerung an Cham, den einen Sohn von Noah. Und sie nahm sich vor, einmal dieser Assoziation nachzugehen. Ja, Cham, der körperliche Aspekt, so wie die chemischen Elemente den Körper der Schöpfung bilden. Doch bevor sie noch weiter an seine Brüde Schem und Japhet denken konnte, kam Tante Tulipan eine Idee:
"Vielleicht entspricht das Leben, Sterben und Auferstehen Jesu aber auch nur den universalen Gesetzen und ist deshalb ein lebendiges Zeugnis davon?"
oh, Tante Tulipan, du und deine Ahnungen. Willst du etwa auch jünger werden, immer Jünger und dich als Aushilfe hier in Bibliothek des Lebens bewerben? Das fände ich ja toll. Noch jemand zum spielen. Aber Tante Tulipan hatte noch eine Frage:
"Die Menschen am Rande des Universums, von denen du gesprochen hast, befinden sich nur deshalb dort, weil sie ihre Augen verschlossen haben. Sie wissen also überhaupt nicht, gegen was sie sich entschieden haben.
Wenn sie glaubten, dass sie Glück und Liebe haben könnten, würden sie nicht Finsternis, Dummheit, Leid, Unwissenheit und Verirren wählen, oder?"
Eva antwortete: na, guck mal, süße Tante Tulipan (ich hab dich immer lieber, je mehr ich mit dir spreche), hier bei uns ist das einfach so: alles, was der Bibliothekar hat, hat er nicht für sich, sondern verwaltet er nur. Er darf der Bibliothek des Lebens dienen. Natürlich macht das auch Freude. Aber es gibt nichts, was er sagen würde: das ist meins, das kriegst du nicht. Er gibt mir wirklich alles. Und Menno auch. Und ich gebe ihnen auch alles und der Bibliothek alles. Du kennst bestimmt den Begriff von Kommunismus oder wie das heißt. Und wenn jemand kommt, der auch nichts für sich möchte, sondern einfach sich freut an dem Ganzen, das Ganze liebt und dem Ganzen dient, dann ist auch alles für ihn da. So ist das Gesetz der Bibliothek.
Doch die Menschen, die in der Welt herumlaufen und gar nichts von der Bibliothek des Lebens wissen, die suchen nur etwas für sich. Meine Frau, mein Auto, mein Fernseher. Mein Geld. Mein Körper. Meine Gedanken, meine Gefühle, mein Leben. Alles nur für sich.
Das Problem bestand von Anfang an. Da haben sie genau das gedacht, was du gesagt hast. Sie wollten Glück und Liebe HABEN. Dabei geht das doch gar nicht. Man kann nur selber Glück und Liebe SEIN. Aber mit diesem Gedanken, eigene Liebe und eigenes Glück haben zu wollen, haben sie eine Trennung zu der ALL-EINEN Liebe und der ALL-EINEN Freude, die wie ein unendliches Meer ist, aufgebaut. Sie suchten also eigenes und fanden nur Begrenztheit. Sie kannten nicht mehr das Glück ohne Ursache, und nicht mehr die Liebe ohne Bedingung.
Das war also die erste Enttäuschung. Die zweite folgte dann. Begrenztes Glück ist nur begrenzt haltbar. Begrenzte Liebe stirbt irgendwann. Der Teil der Schöpfung, in dem die Menschen dann waren, erkaltete irgendwann, weil der Nachschub ausblieb. Ewiges Leben, ewige Liebe und ewiges Glück erzeugen die höchsten Schwingungen, die größte Wärme. Wenn keiner mehr dazu fähig ist, diese zu empfangen, ist das wie ein Auto, das einfach irgendwann kein Benzin mehr hat. Dann muß man zu Fuß weitergehen.
Gott in seiner großen Liebe hat dann dem Menschen einen neuen Teil der Schöpfung bereitgestellt, den Teil, den die Bibel mit Garten Eden, der Garten Wonne, bezeichnet. Dort wurde aus der Not eine Tugend gemacht. Der Mensch, der vorher androgyn gewesen war, also männlich-weiblich in einem, wurde in zwei Pole geteilt. Mann und Frau.
Die Menschen bekamen das erste Mal eine Aufgabe. Sie sollten den Garten Eden bebauen und bewahren. Wenn sie dies einfach getan hätten, in vollkommener Hingabe, sich dem Garten hingegeben, dann hätten sie durch die vollkommene Hingabe ihre eigenen Grenzen überwunden und sich wieder mit der Quelle verbinden können. Ein Teil der Menschen tat dies auch. Ein anderer Teil suchte wieder nach eigenem, diesmal nach eigener Klugheit und eigener Gottähnlichkeit.
Hätte Adam seine Frau Eva geliebt und nichts für sich behalten, sich ihr vollkommen hingegeben, dann hätte er ihr auch gesagt, daß sie von dem Baum nicht essen soll. So aber behielt er einiges für sich, was Gott ihm gesagt hatte, bevor er Eva schuf. Denn das Verbot, vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen, wurde vorher gegeben. Eva hatte damit keine Chance.
Hätte Eva Gott vertraut, daß alles schon so in Ordnung ist wie es ist, hätte sie keine Ambitionen entwickelt zu sein wie Gott. In dem Gespräch mit der Schlange witterte sie aber die Chance, durch EIGENES Tun sich und Adam göttliches Wissen wiederzugeben. Eva wiederum erzählte Adam allerdings nicht, von welchem Baum sie die Frucht genommen hatte. Dadurch hatte Adam keine Chance.
Dadurch, daß beide wesentliche Informationen für sich behielten, sie also nicht mehr danach strebten, einfach zusammen wissend zu SEIN, und selber mehr sein wollten als andere, entstand die nächste Enttäuschung. In diesem Fall war also das Bestreben nicht mehr danach, eigene Liebe und eigenes Glück zu besitzen, sondern eigenes Wissen zu HABEN.
So wählten die meisten Menschen heute, in begrenzter Liebe, begrenztem Glück und begrenztem Wissen zu leben, durch das Streben nach EIGNEM. Begrenzte Liebe erzeugt Finsternis, begrenztes Glück erzeugt Leid, begrenztes Wissen erzeugt Unwissen.
Oh, liebe Tante Tulipan, was du aber auch alles aus der Bibliothek hervorbringst. Echt klasse! und sie fiel ihr in einer stürmischen Umarmung um den Hals. Dann verabschiedeten sie sich voneinander, und eva wünschte Tante Tulipan ein baldiges Wiedersehen.