Wut, Aggressivität

Bibo

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Das Gefühl der Wut und Aggressivität möchte ich besser verstehen und die Ursachen ergründen, für mich, für andere.

Ich hatte eine sehr wütende Woche. Es kommt gelegentlich vor, daß ich extrem mit Wut aufgeladen bin, aber diese Woche war doch ungewöhnlich. Aus meiner Wut folgt zumeist verbale Aggression, verletztende, erniedrigende Worte gegenüber meinen Nächsten, d.h. Familie, Frau, Kinder. Wie gesagt, es passiert eher selten, im Grund bin ich eher ruhig, aber ich will mir nichts vormachen, ja, da ist ein ganz schönes Aggressionspotential in mir.

Es kann aus heiterem Himmel kommen, hat aber soweit ich es sehen kann meist entweder einen unmittelbaren Sachgrund, daß irgendwas grad nicht so läuft, wie ich es mir vorstelle, oder ich empfinde mich grade als Person nicht ernst genommen oder angegriffen und dann platzt mir halt der Kragen - auch bei Kleingikeiten.

Während dessen schau ich mir selbst zu, wie ich spreche, was ich tue, - ich will es beenden, aber ich komme nicht raus. Keine bzw. geringe Kontrolle. Ein wenig hilft Aufmerksamkeit auf den Atem, Atemzüge zählen, weggehen. Es gelingt mir jedenfalls grad noch so, das Äusserste zu verhindern, aber manchmal stand ich schon kurz vor auch körperlich aggressivem Handeln und das war schimm - aber gleichzeitig, im Nachhinein interessant zu beobachten, was da in einem abgeht, wenn die Kontrolle weg ist und nur noch Automatikprogramme laufen.

Nagut, einen Wutausbruch das gibts ja immer mal, aber warum wird man einmal wütend und ein ander Mal kann man mit den widrigsten Gegebenheiten gut leben?

Was mich stört istzum einen das Fehlen von Kontrolle, der Drang in die Aggression ganz reinzugehen, so ein Zwang sich irgendwie von einer Last zu erleichtern und hinterher das schlechte Gewissen, das Gefühl, Unrecht getan, alles falsch gemacht, vielleicht beim anderen oder in der Beziehung etwas kapputt gemacht zu haben.

Fast immer gelingt es aber nach einer Zeit zu einer Haltung zu kommen, die ehrliche Entschuldigung erlaubt - selbst wenn es wirklich mal arg war. Ich habe eine sehr verständnisvolle Familie und wir können über das Thema reden - weil es nicht nur mir so geht. Ist klar, in einer Familie hängen alle zusammen, genau wie in der Gesellschaft oder wie in den Beziehungen zwischen Nationen.

In den Medien -scheint mir -nimmt die Berichterstattung über Aggression zu, sowohl lokal hier in unserer kleinen Heimatstadt, wo keine Woche vergeht ohne daß üble Sachen in der Zeitung stehn, meist in Zusammenhang mit Sexualdelikten oder/und mit Alkohol, als auch weltweit eine Zunahme von Aggression. Es kann auch ein Medienhype sein, daß man das so rausstellt, vielleicht ein neuer Nervenkitzel für die Medien und in Wahrheit ist es auch nicht mehr als früher. Aber ich denke, die Medien spiegeln schon ganz gut, was los ist. Ich kann mich ja selber da nicht als Maßstab nehmen, aber irgendwie merke ich in den letzten Jahren auch in mir eine Zunahme von Aggression, wobei es so ist, daß es zwar insgesamt seltener vorkommt, dafür aber um so heftiger. Auch bei meiner Frau beobachte ich es, im Freundeskreis, in der unmittelbaren Nachbarschaft, in der Schule usw. Einerseits eine Zunahme der Intensität von Aggression, andererseits aber auch das Gegenteil... totale Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung überall.

So ungefähr siehts aus, hab wohl ziemlich wirr drauflosgeschrieben, aber ich denke, es wird bei anderen nicht ganz unähnlich sein.

Mich interressieren nun Eure Gedanken zu Aggression, Wut - wie ist es bei Euch, wie erlebt ihr das, welchen Umgang habt ihr damit gefunden? Gibt es einen einzigen nicht-aggressiven Menschen? Blöd gefragt: Ist das dann noch ein Mensch?

Wie kommt es überhaupt zu Wut,wenn man mal ganz, ganz weit zurückgeht - falls das möglich ist. Gesteigerte Wut bis hin zum Hass und zur Mordlust, wie kommt das, wie kann das überhaupt erst entstehen. Vielleicht, wenn man es bis zur Ursache ergründet, vielleicht kriegt mans dann besser in Griff - so meine Hoffnung.

Lieben Gruß in die Runde,
Bibo
 
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Du hast sehr klar und eingängig geschrieben, Bibo.

Wut beruht auf Verdichtung von emotionalem Stress und Anwachsen des inneren Drucks vergleichbar bei einem Vulkan. Und, dass Du manchmal Situationen ohne grössere Probleme bewältigen kannst und dann wieder bei Kleinigkeiten ausrastest, bedeutet einfach, dass Dich dann - wie Du selber geschrieben hast- Deine unbewussten, unreflektieren Verhaltensmuster geistig im Griff haben und Dich sozusagen nach ihrer Pfeife wie eine Marionette tanzen lassen. Diese Mächte dominieren Dich so lange und machen Dich besessen, bis Du Dir erlaubst, genauer in Dich zu spüren und darauf zu achten, was genau in Dir VOR dem Exzess im Schwange gewesen ist - vor allem auch, wie Du Dich mit Gedanken selber hochpeitschst.

Anstatt in einem destruktiven Sinne zuzuschlagen und anderen Personen damit zu quälen, kannst Du auch in einem konstruktiven Sinne zuschlagen und z.B. einen Sandsack traktieren, Holz hacken, Kampf- oder irgendeinen anderen Sport betreiben, in dem Du Deine VITALEN Energien gesund zum Ausdruck bringen und auspowern kannst anstatt unterdrücken mußt, bis wieder die Hitzigkeit gar zu sehr gestiegen ist - manchmal sehr schnell und manchmal dauerts länger.

Die Entschuldigungen Deiner verständnisvollen Familie könnten Dich vielleicht auch dazu verführen, Dir weiterhin die Zügel schießen zu lassen und zu glauben: na, so schlimm ist es doch wieder nicht. Für Kleinkinder ist es z.B. emotional immens belastend eine unterschwellig sozusagen mit Blitz und Donner aufgeladenen Atmosphäre einatmen zu müssen. Es schürt mörderische Ängste.

Kann es sein, dass Du dieses Muster von Kindesbeinen aus Deiner näheren Umgebung kennst und von irgendjemandem übernommen hast???

Was also genau, setzt Dich VOR der Wut unter Stress, dass Du vergleichbar eines Vulkans explodierst???

Ich nehme an, dass auch astrologisch entsprechend sehr viel Feuer-Energie angezeigt sein könnte. Wenn Du daran kostenlos interessiert bist, kannst Du Dich über PN an mich wenden. :)
 
Na guten Abend,
was du beschreibst, gibt dir natürlich auch die Möglichkeit dich selbst zu erleben und zu beobachten, wie du ja auch beschreibst. Das muss nicht schlecht sein.

Gerade was den Umgang mit anderen Menschen angeht, wäre auch meine Empfehlung mal in einigen Kampfsportvereinen zum Probetraining "aufzuschlagen":D.
Suche verschiedene auf und schau mal was dir mehr liegt. Vielleicht "Bewegungskünste", oder vielleicht etwas mit mehr "Kontakt". Gerade da wird dich der Fitnessanteil sicherlich gut "erden" können und gibt dir die Möglichkeit die Energie sinnvoll umzusetzen.

Die, auch von mir subjektiv empfundene, steigende Gewaltbereitschaft würde ich unter anderem auf gesellschaftliche Erosion zurückführen. Zusammenhalt geht verloren, die Bereitschaft zur Gewalt steigt.
 
Die, auch von mir subjektiv empfundene, steigende Gewaltbereitschaft würde ich unter anderem auf gesellschaftliche Erosion zurückführen. Zusammenhalt geht verloren, die Bereitschaft zur Gewalt steigt.

Vielleicht spüren wir uns selbst einfach nicht mehr, erkennen im anderen nur das Fremde und Bedrohliche und darum schlagen wir wie irr um uns, um einen Widerstand zu erfahren, an dem wir uns erspüren können...
 
Gut, denkbar ja.
Möchte man Aggression betrachten, fern ab von einem bestimmten Fall, kommt man wohl nicht herum das Phänomen von verschiedenen Ebenen zu beleuchten.
Unser Umfeld prägt uns ja. Das bedeutet es dringt gewissermaßen in unseren Geist ein bzw. hat einen Einfluss auf ihn.
Wenn man die Auswirkungen von Aggressionen betrachtet stellt man fest, dass sie sich nicht nur nach außen, sondern auch gegen das Individuum richtet bzw. richten kann. Ein Beispiel wären Klienten mit Depressionen usw.
Es tritt also sehr umfangreich auf, und ist nicht immer direkt offensichtlich, weil öffentlich ehr steigende Gewalt als steigende Selbstmordraten usw. diskutiert werden.
Dieser Einfluss der Gesellschaft ist erstmal da, unbestreitbar. Und er hat Einfluss.
Vgl. dazu Emile Durkheim "le suicide".
"Krankheit ist die gesunde Reaktion an der Norm zu verzweifeln."

Die praktische Frage stellt sich in meinen Augen wie damit umzugehen ist.

Wenn die Tendenz eh vorhanden ist, wäre ein Weg die Energie gewissermaßen zu kanalisieren. Das habe ich versucht aufzuzeigen.
Ein weiterer Weg, parallel oder alternativ, könnte darin bestehen es gewissermaßen zu verstehen, und dadurch aufzulösen.
Auf diesem Weg scheinst du dich ja eh schon zu befinden.
Ein wichtiger Punkt scheint mir darin zu bestehen konsequent die Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.
 
Gut, denkbar ja.
Möchte man Aggression betrachten, fern ab von einem bestimmten Fall, kommt man wohl nicht herum das Phänomen von verschiedenen Ebenen zu beleuchten.
Unser Umfeld prägt uns ja. Das bedeutet es dringt gewissermaßen in unseren Geist ein bzw. hat einen Einfluss auf ihn.
Wenn man die Auswirkungen von Aggressionen betrachtet stellt man fest, dass sie sich nicht nur nach außen, sondern auch gegen das Individuum richtet bzw. richten kann. Ein Beispiel wären Klienten mit Depressionen usw.
Es tritt also sehr umfangreich auf, und ist nicht immer direkt offensichtlich, weil öffentlich ehr steigende Gewalt als steigende Selbstmordraten usw. diskutiert werden.
Dieser Einfluss der Gesellschaft ist erstmal da, unbestreitbar. Und er hat Einfluss.
Vgl. dazu Emile Durkheim "le suicide".
"Krankheit ist die gesunde Reaktion an der Norm zu verzweifeln."

Die praktische Frage stellt sich in meinen Augen wie damit umzugehen ist.

Wenn die Tendenz eh vorhanden ist, wäre ein Weg die Energie gewissermaßen zu kanalisieren. Das habe ich versucht aufzuzeigen.
Ein weiterer Weg, parallel oder alternativ, könnte darin bestehen es gewissermaßen zu verstehen, und dadurch aufzulösen.
Auf diesem Weg scheinst du dich ja eh schon zu befinden.
Ein wichtiger Punkt scheint mir darin zu bestehen konsequent die Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.

Du hast Recht, man kann das Phänomen aus verschiedenen Ebenen beleuchten. Und ich versuche es derzeit über das genaue Beobachten bei mir selber.

Was will die Wut/Aggressivität eigentlich? Sie will etwas Unangenehmes beenden, eine Störung beseitigen, einen Druck herauslassen. Sie will Ruhe. Emotionaler Druck? Also hat sich etwas im Inneren angestaut und wurde nicht rechtzeitig bewusst - so hat es Kraft gesammelt, wie bei einem Vulkan. Es dringt dann als wütende Handlung und wütendes Gefühl mit Macht ins Bewusstsein und in den Körper - und dann kann man nicht anders als es entweder anschauen oder ausweichen. Wenn man es aushalten könnte, ganz anzuschauen und aushalten und wenn es stimmt, was viele sagen, daß sich Dinge auflösen, wenn man sie bewusst erkennt, dann müsste das auch passieren und die Wut müsste sich wandeln in ein natürliches Gefühl anstatt aus der Neurose heraus. WEil es aber immer wieder kommt habe ich es noch nicht ganz gesehen, noch nicht ganz ausgehalten?

Wie fühlt es sich denn konkret an? Vielleicht erst bei sich verstehen, dann versteht man es auch bei anderen?

Da ist wie gesagt kurz vorher - also wirklich einen Moment kurz vorher - Windstille. Und wie aus dem Nichts schwappt eine Situation und dazu sich allmählich aufschaukelnd die Wut hoch, dann dazu die Handlungen, Worte, ein bestimmter Ablauf, wie nach einem Muster. Ich kann dann erst sehen, daß da bereits vorher etwas war, eine Grundstimmung, bestimmte sich wiederholende Gedanken, die nach und nach eine Unzufriedenheit erzeugen. In der Wut spüre ich, daß da vorher schon was war, aber in dem Moment kann ich nicht mehr anhalten und darüber reflektieren. Es kann sein, daß das nur Einbildung ist und es war vorher gar nichts, es kann sein, die Wut bringt das Gefühl mit, daß da eine Geschichte vorher schon am Laufen war. Dann kommt einem ganz deutlich der Körper ins Bewusstsein, die Stimme, die Haltung, wie man steht, wie man sich bewegt - und der andere Körper reagiert darauf. Das ganze wird an einem bestimmten Punkt sehr körperlich und auf Kontakt aus, auf zerstörerischen Kontakt zwar, aber deutlich auf Kontakt. So wird es körperlich, kann dann körperlich sich zeigen. Der Körper will auf den anderen Körper losgehen, will ihn zerstören? Will ihn, sich selbst spüren? Das ist Interpretation, ich weiss es nicht, ob da eine Intention dahinter ist.

Passiert es mir oder mache ich es? Ich finde das einen wichtigen Punkt. Kann ich was tun oder geschieht es mir und geht seinen Lauf? Verantwortlich sein für sich selber wird gesagt. Bin ich der Urheber so habe ich Verantwortung - aber wir sagen ja, daß es ein von vielen Faktoren bedingtes Phänomen ist, das da die Beziehungen eine Rolle spielen, die Gesellschaft, die kindlichen Erfahrungen.

so mal dahinggeschrieben als Ideen...

lG
Bibo
 
Der Eindruck mit dem Aufstauen ist auch meiner.
Ja, ich denke dadurch, dass man sich versteht versteht man andere besser. Individualität scheint oberflächlich am größten, die wirkenden Mechanismen sind aber ähnlich.
Ich denke, wenn man sich dessen bewusst wird, kann man gleichzeitig nachsichtiger mit Menschen sein, die sich dessen noch nicht bewusst sind.

Passiert es mir oder mache ich es?
Ich denke sowohl als auch. Unbewusste Abläufe, kommen doch einer "Fremdsteuerung" gleich.
Es passiert einem, und man macht es selber. Der Eindruck "es passiert einem" entsteht halt dadurch, dass man sich der Abläufe nicht so bewusst ist. Das ist auch okay und gar nicht schlimm. Niemand ist sich aller unterbewussten Abläufe bewusst.
Das Problem, was aber auftreten kann ist, dass man sich durch "Passiert es mir" in die Opferrolle bucksiert. Man nimmt eine Passivität ein.
"Wer zwingt einen dazu auf ein bestimmtes Ereigniss z.B. wütend zu reagieren?
Oft Macht der Gewohnheit, ne.
 
Der Eindruck mit dem Aufstauen ist auch meiner.
Ja, ich denke dadurch, dass man sich versteht versteht man andere besser. Individualität scheint oberflächlich am größten, die wirkenden Mechanismen sind aber ähnlich.
Ich denke, wenn man sich dessen bewusst wird, kann man gleichzeitig nachsichtiger mit Menschen sein, die sich dessen noch nicht bewusst sind.


Ich denke sowohl als auch. Unbewusste Abläufe, kommen doch einer "Fremdsteuerung" gleich.
Es passiert einem, und man macht es selber. Der Eindruck "es passiert einem" entsteht halt dadurch, dass man sich der Abläufe nicht so bewusst ist. Das ist auch okay und gar nicht schlimm. Niemand ist sich aller unterbewussten Abläufe bewusst.
Das Problem, was aber auftreten kann ist, dass man sich durch "Passiert es mir" in die Opferrolle bucksiert. Man nimmt eine Passivität ein.
"Wer zwingt einen dazu auf ein bestimmtes Ereigniss z.B. wütend zu reagieren?
Oft Macht der Gewohnheit, ne.

Der ominöse blinde Fleck also? Da wo man nichts sieht, da steuerts einen und man kann nichts dagegen tun?

Kann man je keinen blinden Fleck mehr haben? Kann man je sehen, wo man blind ist? Gibt es die Aussicht auf gar keine Wut? Oder gibt es sowas wie bewusste Wut, gesunde Wut/Aggressivität?

Ja sicher, das gibt es wohl - es gibt dafür viele Beispiele, wie gesunde Wut oder Zorn bewusst eingesetzt werden können, zum Guten. Auch selbst schon oft erlebt - z.B. im Mannschaftssport oder auch im Job, im Team in bestimmten Konfliktsituationen wo so ein kleines Feuerchen durchaus zünden und einen Konflikt aufbrechen kann. Klar, keine Frage gibt es die gesunde Wut, vielleicht kann man sie bewusste Wut nennen.

Bewusst-Sein. Ich bin mir also meiner Wut bewusst, während sie auftritt, dann kann ich sie vielleicht in das verwandeln lassen, was sie eigentlich ist und worauf sie zielt? Vielleicht ist der erste Impuls, wenn Wut aufsteigt erstmal gar nicht so falsch und evt. der Situation angemessen. Es heisst ja, der erste Gedanke (oder Impuls) ist Gottes Gedanke. Aber das System ist vielleicht instabil, vielleicht zu viel Gedanken dabei, vielleicht zu viel Vorprägungen, zu viele Projektionen, Schuldzuweistungen, Rollen, dann überhitzt es - im Hirn vielleicht, ja im Kopf, es läuft irgendwie in die falschen Kanäle, vielleicht zu stark über das Hirn, so daß das dann aushakt und kein rationales Handeln mehr möglich ist - und führt so zu einer überschiessenden Reaktion. Energie nicht richtig verteilt und Kurzschluss.

Wie ist es konkret, wie fühlen wir das genau das mit der Wut, wenn sie entgleitet? Es muss eine Unachtsamkeit da sein, vielleicht träumt man so vor sich hin und merkt nicht was geschieht, merkt nicht, daß sich da schon wieder was anstaut. Vielleicht müsste man viel viel achtsamer sein und die Dinge sich schon während ihrer Entwicklung auflösen lassen? In die richtigen Kanäle fliesen lassen durch entspannte Beachtung.

LG
Bib
 
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Ich beschreibe mal eine Situation und wie das da passiert ist mit der Wut, wie ich es empfunden habe. Nur so für mich, auf die Gefahr hin, dass es keinen interressiert. Aber mir hat das immer was gebracht, das hier so zu machen. Vielleicht mag jemand seinen Senf dazu geben, vielleicht eigene Erlebnisse beisteuern - wenn nicht auch ok.

Also heute Abend bei Würfelspiel mit meinem älteren Kind.
Bevor wir anfangen ist mir heute schon klar, ich werde irgendwann im Lauf des Spiels wütend auf sie, weil sie nicht ruhig spielen kann sondern dauernd nebenher rumzappelt. Dass ich das denke liegt wohl daran, daß ich mir vorgenommen habe besonders achtsam zu sein und weil ich hier im Forum soviel über Wut sinniert habe. Bin schon gut vorgeglüht. Habe ich eigentlich überhaupt verstanden, was Achtsamkeit ist? Und schon mache ich mir Vorwürfe: Du denkst zu viel, bleib doch einfach locker und entspannt. So komme ich schon mal auf Betriebs(an)spannung.

Wir werfen ein paar Würfe, es läuft gut an, die Stimmung ist relativ relaxed, soweit ich das überschaue, bei mir jedenfalls, beim Kind auch - sie ist ja schon sehr wachsam und guckt genau wie der Papa drauf ist (was mich ziemlich nervt). Doch, es geht gut, es ist ein angenehmer Kontakt da, offner Blick, Vertrautheit. Doch der KOntakt reisst bald ab, das merke ich deutlich. Und ich merke es, weil ich es merke. Ist das nicht verrückt? Da macht es im Hirn irgendwo so ein Klick. Das ist oft bei mir, wenn etwas eine Zeitlang gut gegangen, dann so ein Klicker und ich weiss, jetzt geht es wieder bergab. Was für ein Wahn! Oder normal?

In dem Moment wo ich merke, jetzt reisst der KOntakt gleich ab, da beginnt er echt abzureisen, so als hätt ichs so gemacht, damit meine Prophezeiung auch stimmt. Und tatsächlich, ab da ändert sich alles: an der Haltung, an der inneren Stimmung, an den Gedanken, auch beim Gegenüber. Es steigt jetzt eine Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Verhaltensweisen bei meinem Kind auf - auf einmal sehe ich es ganz deutlich, wie sie wieder anfängt nebenbei was zu machen, hin und her zu gautschen, dauerzuquatschen etc. - all das, was in diesem Fall zum Muster gehört erscheint. Es erscheint mir nun ein Bild von meinem Kind. Das ist gar nicht mehr mein Kind, es ist eine Abbildung. Und die löst die Wut aus - bzw. die Wut löst das Abbild aus?

Ich habe keinen Kontakt, bzw. der Kontakt droht zu reißen, da ist ein Abbild von meinem Kind und ein Abbild ist immer Fremd. Die Wut hat was mit dem Fremden zu tun, dem "anderen". So ist das.

Vorher habe ich es nicht bemerkt, da hat es mich gar nicht gestört. Doch jetzt auf ein Mal, wo ich merke, daß der Kontakt abbricht, da auf ein Mal beginnt die Wut - und zwar aus der Distanz. Bzw. sie distanziert mich, der Draht zwischen uns wird dünner und Dünner - und gleichzeitig muss mehr Energie rüberfliesen, damit er nicht ganz reisst. Und das übernimmt also die Wut. Als Aktivator sozusagen, um die Distanz zu überbrücken, so eine Art zusätzlicher Energiequelle, weil sonst der Kontakt ganz enden würde und das wäre tödlich, das wollen wir auf keinen Fall. Kontakt um jeden Preis...

aha, aha... und Stop jetzt -

Sorry, es war einfach so vor mich hinbeschrieben - mehr für mich selber. Bestimmt äussert konfus so zum lesen. Aber es war gut für mich, das mit einem Gefühl von Öffentlichkeit zu beschreiben - Danke, Forums-Öffentlichkeit! Man schaut da ganz anders, vielleicht so als wär man selbst für sich die Öffentlichkeit. Mit etwas Abstand sieht man ja besser.

Bibo
 
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