Todeswunsch

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Die verklärende, schwärmerisch heimelnde Todessehnsucht ist mMn nicht tatsächlich eine Sehnsucht danach zu sterben, also jede Zustandsform des eigenen Lebens hier auf der Erde zu beenden. Denn die Träumer stellen sich ja durchaus einen empfindbaren/erfühlbaren Zustand nach dem Tode vor (von dem ich mal annehme, dass er eher romatisch angehaucht ist), was ja der Sache dem Thema nach eher widersprüchlich ist.
Ich sehe/spüre da eher Sehnsucht nach tiefer innerer Ruhe, vielleicht einem Zustand in dem das Ich sicher und wohlig vor sich hin schlafen kann. Das kann eine Sehnsucht nach Verschmelzung sein, muss aber nicht.

Selbstmord dagegen beendet den lebendigen Zustand ...

Doch was ist die Angst vor dem Tod eigentlich? Tatsächlich nur die Angst vor dem Neuen und dem Unbekannten, das mit dem Tod verbunden ist? Oder sind es doch vielmehr projizierte Ängste, für die der Tod ein optimales Projektionsfeld darstellt? In Frage kämen beispielsweise Ängste, die sich ursprünglich auf verschlingende, intimitäts- und identitätsheischende Elternfiguren beziehen, welche sich in rigoroser und drakonischer W
eise gewaltsam der Identität des Kindes bemächtigten.
Nur? die Angst vor dem Neuen und Unbekannten?
Das Neue und Unbekannte an und für sich ist schon eine riesige Herausforderung, besonders dann wenn es wirklich völlig neu und unbekannt ist ;)
Was allerdings noch intensiver wiegt ist die Angst vor der völligen Auflösung der eigenen Person. Alles abstreifen, was einmal gewesen und zur eigenen Person geworden ist. Bis nichts mehr übrig ist. Nichts. Ich glaube das sind wirklich nur Worte die nicht vorstellbar sind, bis Mensch es selbst erlebt.
 
Grade weils so ernst ist lacht man. Ich habe grade so einen Patienten bei mir, der leidet nach einem doppelseitigen Schlaganfall unter sogenanntem "pathologischen Lachen". Es gibt auch das Gegenteil, das ist viel häufiger nach neurololgischen Erkrankungen, das pathologische Weinen, in Fachkreisen auch mit dem bösen Begriff "Affektinkontinenz" belegt. Aber dieser lacht halt bei der kleinsten Gefühlsregung, ob er will oder nicht. Und reden kann er kein Wort. Statt zu reden lacht er dauernd. Ich habe ihn mal gefragt, ob das für ihn nicht schlimm ist. Da antwortete er schriftlich mit der Frage: "Bin ich krank?".

Was hast du geantwortet?

Natürlich stehen wir davor und nennen dieses Phänomen pathologisch, wir begreifen das ja auch gar nicht.
Eine sagte mir mal, der Schlaganfall habe ihren Mann verändert. Ich fragte: "...oder wars das Weinen, das ihn veränderte?"
 
Was hast du geantwortet?

Natürlich stehen wir davor und nennen dieses Phänomen pathologisch, wir begreifen das ja auch gar nicht.
Eine sagte mir mal, der Schlaganfall habe ihren Mann verändert. Ich fragte: "...oder wars das Weinen, das ihn veränderte?"

Als Antwort habe ich mich von seinem Lachen ansteckeln lassen und wir haben Tränen gelacht.

Und was hat die Frau geantwortet auf Deine Frage?

Einen schönen Tag Dir!
Bibo
 
Woraus resultiert der Wunsch zu sterben? Was motiviert die Idealisierung des Todes? Wofür steht der Tod, sehnt sich ein Mensch nach selbigem?

Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Ausweglosigkeit, Lebensunfähigkeit, schwere Krankheit, fehlende Lebensqualität - hierbei handelt es sich zweifelsohne um Faktoren, die eine Suizidhandlung begünstigen können. Doch worum handelt es sich bei der zuweilen viele Jahre währenden Sehnsucht, mit dem Tode zu verschmelzen, sich ihm gänzlich hinzugeben?

Aus der Gothic-Szene ist mir bekannt, dass der Tod ein zentrales Thema für viele Goths darstellt. Dieses theoretische und emotionale Interesse am Tode muss jedoch keineswegs mit einer realen Suizidalität einhergehen. Trotzdem glorifizieren manche Goths den Tod in ihren lyrischen Werken.
[...]

Der Wunsch, mit dem Tod eine Einheit zu bilden, kann meines Erachtens mehrere Ursachen haben. Angesichts spezieller Eigenschaften des Todes halte ich es für möglich, dass der Tod als Projektionsfläche verinnerlichter Elternfiguren fungiert, da er eine ähnliche Allmacht und Erhabenheit suggeriert wie die Eltern in einer frühen Kindheitsphase.
[...]

Hallo,
ich denke nicht dass man da in dieser Richtung zu psychologisieren braucht.

Mir sind zwar keine soziologischen Arbeiten bekannt, die sich mit dem Lebensgefühl der Grufties (oder Goths) auseinandergesetzt hätte - dazu ist die Szene zu vielschichtig (und zB der Alexander Nym hat sich ne hübsche Arbeit gemacht um überhaupt erstmal zu skizzieren was diese Subkultur ausmacht).

Klar ist aber soviel, dass die Wurzeln der Szene zu einem Gutteil im Punk liegen - und der Punk wollte schon immer provozieren, indem man genau die moralischen Tabus der Mainstream-Gesellschaft übertritt und das kollektiv Verdrängte thematisiert.

Offensichtlich ist der Tod in der heutigen Gesellschaft tabuisiert. Es wird da eine Art von ritualisierter Trauer und Betroffenheit erwartet (auch wenn man den jeweils Verstorbenen gar nicht kannte oder nicht mochte), und meistenteils ein Mantel bedrückten Schweigens über das Phänomen des Todes gebreitet.

Und obwohl es ein Thema ist, das jeden angeht (denn jeder wird irgendwann sterben), leben wir im Alltag ganz so als würden wir ewig leben - wir verfolgen unsere kleinen Wichtigkeiten, ohne je zu fragen, wie wichtig diese nach unserem Tod noch sein werden.
In früheren, mehr naturverbundenen Kulturen war das anders - da wurden Geburt und Tod als zwei zusammengehörige Dinge betrachtet. Heute jedoch soll man sich über eine Geburt freuen (als ob sieben Milliarden nicht schon sechs zuviel wären und daher jedes Neugeborene eigentlich mit Sorge betrachtet werden müsste), aber den Tod fürchten und verdrängen.

Ich sehe darin einen großen Mangel der herrschenden Kultur, und es erscheint mir nur naheliegend, diesen Mangel aufzuzeigen und dieses kollektiv Verdrängte ans Tageslicht zu bringen.

Mit einem persönlichen "Wunsch zu Sterben" hat das m.E. nichts zu tun - jedoch ist die einzige Gewissheit, die wir für unser Leben haben, eben die dass wir irgendwann sterben werden - und da finde ich es geradezu lächerlich, dann genau das aus dem Bewusstsein verdrängen zu wollen.
 
ern in Todesnähe auf. Bergsteiger, von denen jeder zweite zu Tode kommt, sind hierfür ein grandioses Beispiel. Sie lieben das Risiko, die Nähe des Todes. Doch warum? Was schenkt ihnen dieses Gefühl?

Das ist ganz einfach zu erfahren.

Steht der Tod für das allmächtige Objekt aus der Kindheit, beantwortet sich die Frage von selbst. Seitens der Bergsteiger wird die Nähe zur Mutter gesucht, die von Neuem verflossene narzisstische Zustände bescheren soll.

Nein. Es geht um was ganz anderes. Ich erlebe das selber, wenn ich auf Reisen bin, abseits touristischer Gebiete. Beispielsweise in Afrika ist der Tod sehr viel gegenwärtiger als hier in Europa. Oder ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Fremdenführer in Birma, den ich fragte, 'was machen denn die Einheimischen wenn sie Malaria kriegen?'. Die Antwort war schlicht: 'na, sterben'.

In Europa wäre so eine Antwort undenkbar - hier muss dann ein grosses Drama mit ganz viel Bestürzung zelebriert werden - und auch bei Krankheiten, die eben unheilbar sind, kann man scheinbar diese Tatsache nicht einfach hinnehmen, sondern muss dann voller Betroffenheit und händeringend auf einen Fortschritt der Medizin hoffen.

Ich für meinen Teil erfahre dann diese akzeptierte Gegenwart des Todes als ungemein belebend und erfrischend. In Europa bin ich umgeben von tausenden Vorkehrungen, die meine angebliche "Sicherheit" bewahren wollen - eine Vielzahl von Gesetzen, Behörden, Personal, Rettungsdienste, Ärzte und Krankenhäuser, die angeblich "zu meinem Schutz" da sind - die ich aber nie bestellt und nach denen ich nie gefragt hab - sondern die mir fremdbestimmt aufgezwungen werden - die mir einem Lebensstil vorschreiben, in dem Andere mich ungefragt beschützen wollen, vor jeder irgendwie vorstellbaren Gefahr, am meisten aber vor mir selbst!

Auf meinen Reisen erfahre ich dann ein unvorstellbares Gefühl von Befreiung - weil dann niemand da ist der ständig auf mich aufpasst und mich beschützen will! (Hierzulande kann ich ja nichtmal kurz auf der Strasse bewusstlos werden, ohne dass sofort ein Sanitäter gerannt kommt und mich ins nächste Krankenhaus schleift.)
Natürlich ist mir bewusst, dass da ein höheres Risiko besteht einen Unfall zu erleiden oder eben zu sterben - aber genau das erlaubt mir dann, meine eigene Lebenskraft zu nutzen, meine eigene Magie, meine eigene Intuition, und meiner eigenen Wahrnehmung zu vertrauen - weil sie dann endlich mal gebraucht wird! (Und nicht hundert Security-Fuzzis im Weg rumstehen die schon für alles gesorgt haben.) Eben das erlaubt mir, in vollem Kontakt mit mir selber zu sein!

Und das was diese Bergsteiger erleben, ist genau das gleiche!

Erst die bewusste Gegenwart des Todes ermöglicht es uns, uns wirklich lebendig zu fühlen!
Und wenn Du dann guckst - all diese Leute hier mit ihren Überversicherungen und ihrem Sicherheitsdenken - ja geh doch mal in irgendein Einkaufszentrum und guck Dir die Leute an die sich da mit Plastik-Neuschrott eindecken - das sind doch alles Tote! Die leben doch nicht, das sind doch nur Masken, die zwar noch irgendwelche Vitalfunktionen haben, aber längst schon tot sind! Zombies.

Also, indem wir den Tod aus unserem Denken aussperren, werden wir selber zu Toten. Und deswegen hat der Lebendige Eine gesagt "lasset die Toten ihre Toten begraben".

Seitens der Bergsteiger wird die Nähe zur Mutter gesucht, die von Neuem verflossene narzisstische Zustände bescheren soll.

Es ist genau andersrum. Diese ganze Gesellschaft mit all ihrem Sicherheitsdenken ist ein einziger Uterus - bewacht von der allmächtigen Übermutter Kultur und dem allmächtigen Übervater Staat.
Und der sinn und zweck davon ist, uns vor uns selbst zu schützen - damit wir nur ja nicht in den Kontakt mit unserer eigenen Kraft kommen.

In den indigenen Kulturen wusste man noch, dass Lebendigkeit und Tod zusammengehören - deswegen waren Initiationsriten meist mit Todesgefahr verbunden.
 
... und dann kommen genau diese falschen Leute zu Dir vor die Haustür... genau darum kommen sie zu Dir, weil Du sie ablehnst...

aso ...kann ich leider nicht bestätigen:D
ich lache übrigens gerne ...ist mir egal ob das krank ist oder nicht hab auch keinen doppelten schlaganfall gehabt
lachen befreit....man sollte dazu stehen ...sag ich mir ...oder eben drüber lachen ...wenn man sich wieder mit gedanken darüber dichtschütten will...manno o man...probleme gibts...zum lachen:D
 
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Und das was diese Bergsteiger erleben, ist genau das gleiche!

Ich denke, beide Aspekte können nebeneinander existieren. Bei dem Einen stellt die Sehnsucht nach dem Tod oder nach der Todesnähe etwas Regressives dar, beim Anderen handelt es sich bei diesen Wünschen um die Sehnsucht nach Befreiung von Alltäglichem oder auch von einer besitzergreifenden, die Lebensqualität des Betroffenen massiv schmälernden, internalisierten Elternfigur, die derjenige überwinden möchte.
 
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