Wie stell ich es an, umzingelt und täglich konfrontiert mit Krankheit selber nicht krank zu werden?
Wie stell ich es an, in der täglichen Konfrontation mit Täuschung, Beschönigung, Lüge und Irrtum mich selbst nicht zu verirren?
Ja und natürlich denke ich: was könnte ich als nächstes für einen nutz und zwecklosen Unsinn produzieren, während ich hier Bereitschaftsdienst versehe
...
... denn der Sommer ist vorbei und "
schnell mal in die Sonne, ans Wasser" ist nicht mehr und ein langer, kalter, grausamer Winter steht vor der Tür. Wir heizen noch mit einem Allesbrenner und mein Körper wird von Jahr zu Jahr schwächer und das Brennmaterial wird immer schwerer. Wenn ich dem Blutbefund trauen darf, macht das Prostatakarzinom gute Fortschritte und ein Schläfenbein CT soll Auskunft darüber geben, ob aus der ins Mittelohr verschleppten Gehörgangsentzündung gar eine Knochenentzündung geworden ist, was ich mir natürlich nicht wünsche. Aber mir tut nichts weh. Ich bin dankbar, dass ich bis auf ein paar kleine, alltägliche Verspannungen keine Wehwehchen habe. Daran muss ich immer denken, denn wenn ich vergesse, dankbar zu sein, für alles, was mir das Leben so bringt, wird das Leiden sicher schwerer. Natürlich frage ich mich manchmal, auf welche Art ich diese Welt verlassen werde, denn wenn es eine recht grausame Art ist, will ich dem natürlich nach Möglichkeit zuvorkommen, denn ein Held bin ich nicht. Aber Stress mach ich mir deswegen nicht, kommt Zeit kommt Rat. Der Sommer 2008 war schön, im Vergleich zum sommer 2007. 2007 war ich kein einziges mal am Wasser und bin nur in Kneipen rumgehangen und hab mir die Realität schön gesoffen, also, mich selber meines Bewusstseins und wachen Geistes beraubt. Heuer habe ich den Sommer nüchtern und im Freien verbracht. Fast durchgehend nüchtern. Nur Ende Juni, nach dem Begräbnis eines Freundes, der sich das Leben genommen hat, war ich eine Woche lang unpässlich. Aber sein Abgang war für mich ein Mahnmahl, dass ich gut zu deuten weiß. Ich denke, ich werde mich nie wieder mit Alkohol berauschen. Man darf sich nie zu sicher sein, aber ein Gefühl sagt mir, dass ich es diesmal schaffen könnte. Ein Gefühl von Dankbarkeit ist in mir. Es ist nichts großartiges, nichts euphorisches, ein zartes, sanftes Gefühl von Dankbarkeit nur und das zu erhalten ist mir wichtig geworden. Wenn ich trank, vergaß ich immer wieder darauf, dankbar zu sein, für Alles, was ist, für das ganze Dasein. Natürlich auch für den ganzen Luxus, den ich hier genieße, den Internetanschluss, den Fernseher, den ich kaum einschalte, die kleine Badewanne in der zerbombten Küche. Und jetzt denke ich, mal aufzuhören, mit dem Aufschreiben von Gedanken, die durch meinen Kopf gehen, denn wenn ich dem keinen Riegel vorschiebe, schreibe ich noch drei Tage und vier Wochen....