Selbstheilung durch Themen aufarbeiten

Eine Geschiche:
Ich wurde geschlagen. Nicht oft. Aber es reichte um mir jahrelang Angst vor meinem Stiefvater zu machen. Ich betete jeden Tag auf dem Weg vom Schulbus nach Hause das er noch nicht da war, damit ich ein paar ruhige Minuten in meinem Zimmer hatte, bevor er kam. Er kam jeden Tag um zu kontrollieren. Ich bekam auf keinen Fall jeden Tag Schläge. Es genügte, um mich jahrelang in Angst und Schrecken zu versetzen...

Ich brachte diesen Schmerz über ein lange Zeit nach draußen. Immer wieder spürte ich, wie diese Angst vor dem Schmerz mich in bestimmten Situationen dazu brachte, nicht zu sagen was ich dachte. Die klassische Projektion. Alle waren sie mein Stiefvater.

Irgendwann kam der Tag an dem ich wieder in einer Situation war wo ich in diesem Schmerz war. Ich erinnerte mich daran, wie meine Stiefschwester daneben stand, wie ihr Vater mich vermöbelte. Und ich hörte sie schreien "Papa! Hör auf! Bitte hör doch auf!"...

Und an diesem Punkt in meiner Schmerzarbeit verschwand mein Schmerz. Die letzte Träne war geweint doch ich musste wieder weinen. Weil sie es miterleben musste. Ich fand mich furchtbar, weil sie mit ansehen musste, wie ihr Vater mich schlagen musste. Musste. Denn ich wollte es. Ich provozierte ihn. Jeden Tag. Auf die Art und Weise wie ein Kind es kann. Durch Verweigerung.

Mein Stiefvater war nicht "groß". Er war nicht stark. Er war nicht in seiner Kraft. Ich war innerlich der Große und ich wollte es nicht. Doch die einzige Möglichkeit ihn dazu zu bringen der Große zu sein war körperlich. Er ist ein feiner Kerl. Tut keiner Fliege was. Naja, nicht mehr. Ich war die "Fliege". Aber ich wollte ein Gegenüber. Ich wollte ein Vorbild. Jemanden der nicht immer nur Kompromisse eingeht. Der immer kleinbei gibt. Einen, der "mit der Faust" auf den Tisch haut und sagt, wo es lang ging. Aber er traute sich nicht. Aber ich wollte es. Also provozierte ich ihn, um eine Richtung zu bekommen. Auch um Grenzen zu bekommen. Denn er gab mir keine. Und ein Kind ohne Grenzen hat auch keinen Halt...

Jetzt war der Schmerz, die Wut über die Schläge, die Angst fort. Denn ich war der Täter. Und wie heißt es in der Familienaufstellung? "Für Dich habe ich es gerne getan". Verzeihen musste ich ihm nicht mehr.

Am Ende des Schmerzes verändern sich die Dinge. Es verändern sich Perspektiven. Es verändert sich das Bewusstsein für diese Situationen, das Bewusstsein für das Gegenüber denn ich weiß auch aus eigener Erfahrung wie es ist, wenn man nicht in seiner Kraft ist und Kinder mir auf der Nase rumtanzten. Ich weiß wie man verzweifeln kann und am Ende nur noch schreien wütend vor den kleinen Nervensägen steht *lach* die einem auf ihre ganz eigene Art und Weise zeigen: "Kerl, was tobst Du. Du bist doch gar nicht da.". Tja, ich kann meinen Stiefvater verstehen, denn ich war mal wie er. Und dafür, dafür kann ich ihn heute lieben!

Gruß
Andreas

Danke für diese gute und einfache Erklährung :) ...:blume:
 
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Was ist denn der Unterschied zwischen Verzeihen und Vergeben?
Die Vergebung ist eine der menschlichen Tugenden und bezieht sich auf unverzeihliche Dinge. Christlich werden diese unverzeihlichen Dinge "Sünde" genannt, daher ist die Vergebung auch einer der zentralen Aspekte des Christentums. Gott hat uns "vergeben" und nicht verziehen.

"Verzeihung" dagegen sagen wir, wenn wir jemandem auf die Füße getreten sind, oder wenn wir im Gespräch niesen oder husten müssen. Eine Verzeihung bezieht sich also auf eine Störung des Anderen.

Die Vergebung, so wie wir sie im christlich-westlichen Raum wohl verstehen im Rahmen des allgemeinen Sprachgebrauchs, kommt aus dem Herzen, ist also nicht unbedingt anlaßbezogen wie die Verzeihung, sondern kann auch einfach so als Gefühl der Vergebung in uns auftauchen. Als innerer Wunsch, zu vergeben oder nach Vergebung. Und sie betrifft den ganzen Menschen und nicht nur seinen Fuß, auf den getreten wurde. Sie geht also tiefer und weiter als die Verzeihung, auch beim Aspekt der Selbstheilung.

Man könnte auch sagen: die Schicht des Bewußtseins, die durch Vergebung geheilt wird, liegt tiefer als eine Selbstheilungsschicht, die man mit einer Verzeihung erreichen kann. Selbstheilung erfolgt ja nach dem Zwiebelprinzip und beide Begriffe meinen unterschiedliche Schalen. Die Vergebung gehört zur Heilung des Wesenskerns, während die Verzeihung archetypische, rollenbasierte Traumata heilen kann. Vater-Sohn-Konflikte und so etwas fallen in den Bereich der Verzeihung. Die Vergebung dagegen betrifft v.a. die Geburt.

lg
Trixi Maus
 
Jetzt versteh ich es noch weniger.

Die Geburt vergeben? Was meinst Du damit?

Wenn mich jemand schlagen würde und ich wäre nicht mehr wütend und wäre wieder gut mit ihm, hätte ich dann verziehen oder vergeben?

Versteh ich nicht.:confused::confused:
 
Jetzt versteh ich es noch weniger.

Die Geburt vergeben? Was meinst Du damit?
Zu den menschlichen Erfahrungen gehört es ja zum Beispiel zu vergeben, daß man geboren wurde. Das ist nichts, was jeder im Lebensweg erfährt, aber eben eine Station im Leben mancher Menschen. Und auf diesen Lebenswegen ist dann die Vergebung auch als Aspekt zu erfahren.

Wenn mich jemand schlagen würde und ich wäre nicht mehr wütend und wäre wieder gut mit ihm, hätte ich dann verziehen oder vergeben?
Du hättest verziehen. Die störende Wut ist vergangen. Vergeben könntest Du, wenn Du verletzt wurdest, also wenn Du einen bleibenden Schaden davon getragen hast.

Ich weiß, das ist eine schwierige Differenzierung. Ich würde mir da auch kein Hirn drum drehen, wenn ich's nicht verstünde. Man unterscheidet das im Alltag ja sowieso nicht so, gell.

Versteh ich nicht.:confused::confused:
sorry, aber Du hast gefragt. :) Guck auch mal http://de.wikipedia.org/wiki/Vergebung, wenn Du magst.
 
Ja, nur manches kannst Du eben nicht ändern, bloß weil es Dir nicht paßt. Und für diese Momente gibt es dann das Verzeihen oder die Vergebung.
Ja, aber versuchen zu verzeihen bedeutet ja dass ich nicht verzeihen kann (und es trotzdem versuche).
Natürlich kann es dann auch mal klappen. Aber irgendwann durchschaut man dass es die Ursache für die Wirkung gar nicht gibt. (außer die die ich mir vor-stelle).
 
Ja, nur manches kannst Du eben nicht ändern, bloß weil es Dir nicht paßt. Und für diese Momente gibt es dann das Verzeihen oder die Vergebung.
Ja, aber versuchen zu verzeihen bedeutet ja dass ich nicht verzeihen kann (und es trotzdem versuche).
Natürlich kann es dann auch mal klappen. Aber irgendwann durchschaust du dass es die Ursache für die Wirkung gar nicht gibt. (außer die die ich mir vor-stelle).
 
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Ich glaube, wenn man versucht zu verzeihen oder zu vergeben dann sabotiert man sich selbst.
Sowas kommt von allein oder gar nicht.

Ist aber auch verständlich, daß man alles wieder in Ordnung haben will, auch auf Kosten der eigenen Gefühle.
Ich glaub ehrlich gesagt nicht, daß es gut ist, wenn man was vergibt, was immer noch negantive Folgen für einen hat, weil man dann die Wut, die noch da ist, gegen sich selbst oder unbeteiligte richtet, gegen den, der einem was angetan hat, kann man sie nicht mehr richten, weil man ja vergeben hat.
Hab das schon in Natura gesehen, Leute, die sowas machen gehen dann auf andere los, weil sie sich die richtige Adresse für ihre Wut selbst genommen haben.

Deswegen stehe ich Vergeben und Verzeihen kritisch gegenüber, besonders wenn jemand sagt, er will verzeihen oder es sei notwendig. Das ist nur ein Dogma.
 
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