nocoda schrieb:
"...Beschränken wir das mal auf Kinderschänder, dann haben sich solche Leute auch nicht darum geschert, was sie den Kindern für Rechte nehmen und zwar für ihr Leben lang. ..."
Mit dieser Begründung.
Damit hast du ein sehr fatalistisches Weltbild. Du zeichnest das Bild eines Menschen, der nicht selbstverantwortlich auch in einer schwierigen Situation die Lasten der Vergangenheit loswerden und völlig gesunden kann. Falls das aber so ist, so muss gerade jemand mit einem gestörten Sexualverhalten ebenfalls als Produkt der Vergangenheit betrachtet werden. Womöglich entstammt er aus einem zerrütteten Elternhaus. Er ist, wenn man dieser Gedankenkette konsequent folgt, mit andern Worten gerade eben NICHT voll selbstverantwortlich für sein Tun. Damit ist er aber kein Fall für das normale Strafsystem mehr, denn dieses geht ja davon aus, dass man es mit einem selbstständigen, selbstverantworlichen Bürger zu tun hat, der aus Intention und mit Absicht und in Klarheit der Folgen ein Gesetz gebrochen hat. Das trifft in diesem Beispiel aber nicht länger zu.
(Allenfalls wäre er eventuell ein Fall für die Psychiatrie, wobei aber wieder andere Probleme auftauchen werden, beispielsweise die Definition, von "psychisch gestörtem Verhalten". Da müsste es erstmal eine verlässliche Grösse geben, was als "psychisch gesundes Verhalten" bezeichnet werden kann.)
Du siehst: Deine Begründung ist in sich nicht ohne Probleme und kann daher in meinen Augen nicht als normative Basis für eine intersubjektive Übereinkunft zur Gesetzgebung dienen.
Ist es bewiesen, dann könnte man so verfahren.
Nur aufs gratewohl Jemanden zu denunzieren ist verwerflich.
Bewiesen? Es gibt niemanden, der in der Lage ist, das zu beweisen, Nocoda. Beweise sind ausserhalb der Mathematik ein Ding der Unmöglichkeit. Unsere heutige Justiz arbeitet nicht mit Beweisen, sonst könnte sie niemanden überführen, sondern sammelt Indizien, und wenn die (fälschlicherweise so genannte) Beweislast gross genug ist, dann gilt eine Person als schuldig. (Bin kein Jurist, aber wird vermutlich ungefähr so sein.)
Somit wird alles sehr viel schwieriger, schwammiger, unklarer. Eine Person, die vor Gericht schuldig gesprochen wird, kann ja bekanntermassen dennoch unschuldig sein. Umgekehrt gibt es Grenzfälle, wo gar nicht klar ist, wer schuldig ist und wer nicht. Des weiteren: Was ist sexueller Missbrauch? Wo beginnt das und wo hört der normale zwischenmenschliche Umgang auf? Was eine Person als normal und anständig empfindet, empfindet jemand anderer als Belästigung und als Eindringen in die Intimsphäre.
In meiner ehemaligen Schule beschuldigte einst ein Mädchen einen Lehrer, den ich gekannt habe, sie sexuell belästigt zu haben. Innert Tagen ging das Gerücht durch alle Dörfer und die ganze Stadt, insgesamt mehr als 40000 Einwohner. Der Lehrer wurde erstmal vorübergehend freigestellt, später gab die Schülerin zu, dass sie ihm aufgrund ihrer schlechten Noten hatte auswischen wollen. Für den Lehrer war diese Zeit reinster Psychoterror. Nicht einmal so sehr die Reaktionen der Bevölkerung, Elternschaft, Lehrerschaft, Schülerschaft - die blieben weitgehend aus -, sondern er war plötzlich der EIGENEN Souveränität beraubt. Vor sich selbst zu stehen, und nicht zu wissen, wie man sich gegen ein derartiges Phantom wehren kann, das wünsche ich niemandem.
Ich habe in diesem Thema einfach sehr viel mehr Fragen als Antworten, und auf dieser Basis fällt es mir schwer, einen so klaren Standpunkt zu vertreten, wie du ihn hast, Nocoda.