beobachter, beobachtetes, zeuge

Hallo xyto

Irfan schrieb:
Es geht hier um die Bedeutung von "Geburt", also einerseits die physische Geburt, andererseits das Entstehen des Ich als Handelnder (an dieser Sache arbeite ich noch, das hast du wahrscheinlich beim Lesen des Threads mitbekommen). Meine Erklärung fand ich recht ausführlich... was fehlt noch?

Wer Advaita als Entschuldigung zum Nichtstun benutzt, liegt völlig daneben. Auch wenn es so sein mag, daß alles "von selbst passiert", heißt das nicht, daß "man die Hände in den Schoß legen" kann. Der Handelnde kann seine Handlungen nicht damit rechtfertigen, daß es keinen Handelnden gibt. Darin liegt ein logischer Widerspruch.

Ich kann weder dir noch xyto zustimmen, dass es keinen Handelnden gibt. Oder möchtest Du mir sagen, dass ich mir jetzt einbilde, Du hättest auf mein Posting gar nicht geantwortet, in Wirklichkeit entspringt mein Computer, der Bildschirm und dein Posting meiner Phantasie?

Was hat das übrigens alles mit der Reinkarnation und der Wiedergeburt zu tun? Wo ist denn nun der Unterschied zwischen der Reinkarnation und der Wiedergeburt? Verstehst Du unter der Reinkarnation etwa das, was die Hinduisten/Buddhisten mit der grossen Anzahl an Lebenswiederholungen meinen, bis jemand seine Erleuchtung gefunden hat?

Verstehst Du dann unter der Wiedergeburt ein permanentes Wiedergeborenwerden in jeder Sekunde deines Lebens? Wie soll das dann konkret aussehen? Wieso sollte ich in jeder Sekunde meines Lebens wiedergeboren werden? Man kann das Leben doch nicht in unendlich viele kleine Zeitsegmente zerlegen und sagen, dass der Mensch in jeder Sekunde stirbt und wiedergeboren wird. Wo sollte der Sinn des Ganzen liegen?

Ausserdem habe ich das Gefühl, dass es nur eine Mogelpackung ist, wenn man versucht, den Handelnden wegzujonglieren, wie ihr das in meinen Augen versucht. Mir scheint, ihr wollt die Realität nicht sehen, also zaubert ihr sie einfach weg. Und ihr glaubt, damit sei das Problem gelöst. Du magst die Realität ignorieren, weil sie dir vielleicht unerträglich scheint, aber änderst Du damit wirklich etwas in deinem Leben, ausser dass Du die Realität nur noch verzehrt wahrnimmst? Ich glaube nicht. Irgendwann holt die Realität dich wieder ein. Und dann stehst Du vor den gleichen ungelösten Problemen.

Alles Liebe. Gerrit
 
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Hallo Irfan

Irfan schrieb:
Buddha redet meines Wissens von "Wiedergeburt", nicht "Reinkarnation". Normalerweise wird es so verstanden, aber die Vorstellung einer Reinkarnation, also einer festen, klar abgrenzbaren (Ich-)Einheit, die in anderem Körper wieder neu geboren wird, widerspricht an sich ja völlig den Grundannahmen des Buddhismus (anicca und anatta).

Ich glaube, unser Missverständnis beruht in der Annahme, dass Buddha, wie Du sagst, nicht an einer Reinkarnation festhielt. Das ist aber nicht richtig. Buddha hielt leider an der Reinkarnation fest.

Bei wikipedia.de fand ich folgendes:

Der Begriff Reinkarnation (lateinisch Wiederfleischwerdung) bezeichnet die Idee, dass die menschliche Seele nach dem Tod (Exkarnation) auf dieser Erde oder anderen Existenzbereichen wieder als empfindendes Wesen geboren (inkarniert) wird. Dieses Konzept wird auch als Wiedergeburt, Seelenwanderung, Transmigration oder Metempsychose bezeichnet.

In der Biografie Buddhas kann man folgendes lesen:

Die schon in vorbuddhistischer Zeit herrschende altindische Lehre von der Seelenwanderung und dem Weiterwirken der Tat (Karma) in zukünftigen Existenzen hat sich im Buddhismus fortgesetzt, und zwar sowohl ganz allgemein als auch im speziellen Sinne mit Rücksicht auf die früheren Existenzen des Buddha Gotama vor seiner historischen Existenz als Buddha und in bezug auf sein allmähliches Emporsteigen zur Buddhaexistenz kraft seines moralischen Handelns. Dabei hängen Seelenwanderungs- und Karmalehre von früh an auf das engste zusammen, wobei es eine altvertraute Voraussetzung des Buddhismus ist, daß alle Wesen gemäß ihren Taten in immer neuen Existenzen wiedergeboren werden.

So hat auch Buddha, bevor er die Buddhaschaft erlangte, diese durch unzählige Vorexistenzen, in die er gemäß seinen Taten hineingeboren wurde, in angestrengtestem Ringen und mit größten Selbstüberwindungen sich erworben. Die buddhistische Literatur kennt ganze Sammlungen solcher Vorexistenzgeschichten Buddhas: so die Palisammlung Jataka, die rund fünfhundertfünfzig Vorexistenzgeschichten enthält, ferner das Cariyapitaka ("Korb des heiligen Wandels") und die in Sanskrit geschriebene Jatakamala ("Kranz von Vorgeschichten").

Jetzt habe ich bei wikipedia.de aber etwas gefunden, das ich selber erst einmal verstehen muss. Vielleicht kannst Du mir helfen, es zu verstehen. Es könnte sein, dass es unser (bzw. mein) Problem löst:

Vor allem in der Frage der Reinkarnation geht der Buddhismus grundlegend andere Wege als der Hinduismus. In Ablehnung einer geschöpften, individuellen Seele kennt der Buddhismus keinen Übergang einer seelischen Substanz von der einen auf die andere Existenz, keine Transmigration, keine Wanderung der Seele. Wiedergeburt wird verstanden als eine Kontinuität der Geistesprozesse, als Fortsetzung der beim Ableben eines Individuums noch nicht erloschenen mentalen Kräfte, die sich in einer neu in Erscheinung tretenden Existenz aufs Neue reaktualisieren. Die Ursache der Wiedergeburt liegt im Begehren nach Sinnesbefriedigung.

Der Unterschied zwischen dem Hunduismus und dem Buddhismus in Bezug auf die Wiedergeburt scheint darin zu bestehen, dass beim Hinduismus die individuelle Seele wiedergeboren wird, während beim Buddhismus die mentalen (geistig, intellektuellen) Kräfte wiedergeboren werden.

Alles Liebe. Gerrit
 
Lotusz schrieb:
Mir scheint, die sprichst aus Erfahrenem. Oder täusche ich mich?
ja, ich spreche aus erfahung. das spielt aber eigentlich keine grosse rolle.
es ist nachvollziebar. es ist pure logik.
aber nur bis zu einem gewissen punkt. nämmlich bis genau zu dem punkt, bis man sich die "sinn" -fragen stellt.

es spielt zbspl auch wirkliche keine rolle, ob der bestimmte zustand als "gott-erfahrung" zu sehen sei - oder nicht. absolute nebensache.

dasselbe ergiebt sich bei der frage nach dem freien willen. gibt es da einen handelnden? wenn ja, dann wäre der bei gott "gott" zu nennen. ansonsten kann nicht die rede von einem handelnden sein.
auf jedenfall solange nicht, wie man sich darüber gedanken macht. denn die gedanken spielen dich aus. du spielst dich selbst aus! da beginnt die grosse lüge!!!
aber auch diese annahme, seis nun tatsache oder trick deiner gedanken, es ist nebensache - denn das leben zu leben um des lebenswillen geschieht nur dann, wenn man das leben lebensbejaht!!!!
ich kann hier nicht trotzen mit grossen worten weltlicher mystiker... ich kenne sie nicht.
aber an dieser stelle denkt meinewenigkeit an die worte camus's - gott hab' ihn seelig - der da einst sagte: "die wichtigste philosophische frage überhaupt sei die des selbstmordes: ist das leben lebenswert? ist das leben zu bejahen?"

...und wahrlich gestand er seinen lesern, dass sich des sterbens zu lebzeiten keiner wahrlichen idee des menschlichen darstelle: JA, DAS LEBEN IST ZU BEJAHEN!

nun dann, liebe poster, liebe leserInnen... habt ihr das erkannt, so schreitet weiter...

das leben als "illusion" höre ich nicht sehr gerne. ich denke sehr wohl zu wissen, was damit gemeint... aber ich störe mich ab diesem wort!

ich beforzuge es LEIDENSCHAFT zu nennen. denn die emotionen, der gedanke, das gefühl... dient der bejahung des lebens - es zeigt dir, dass du lebst! der zustande der meditation als ausgangspunkt des lebens zu sehen finde ich sehr treffend. diesen zustand zu erfahren in der meditation ist "göttlich"! diesen zustand zu behalten, so wenns denn möglich sei, wäre die erleuchtung schlechthin! ...daraus einen gedanken, ein gefühl entstehen zu lassen - nenne ich leidenschaft! meiner meinung nach "nötig", um zu leben. (desswegen frage ich mich, gibt es erleuchtung - ausserhalb der meditation?)

...denn ich teile die auffassung der menschrechte: ich plädiere für gerechtigkeit! (und wer jetzt mit der frage: esperanto, was ist denn gerechtigkeit? kommt, der hat nichts verstanden! lügner!!!)

und... wenn ein unschuldiges kind vergewaltigt wird, dann können auch die mystiker ihre augen davor nicht verschliessen!!!!!
 
esperanto schrieb:
und... wenn ein unschuldiges kind vergewaltigt wird, dann können auch die mystiker ihre augen davor nicht verschliessen!!!!!

Hm, wenn ein "Mystiker" soetwas machen sollte, beruht es mit großer Wahrscheinlichkeit auf einem gedanklichen Konstrukt, nicht aber auf Erkenntnis.

Das Bestreben des Mystikers wäre ad absurdum geführt, würden seine Aussagen von Menschen, die die Erfahrung noch nicht gemacht haben, herangezogen um damit ihr Leben zu bestreiten. Das gilt auch für Advaita. Wenn ich einem Jugendlichen sage: "Du brauchst nichts zu tun, alles geschieht einfach, mach was tu willst" etc. und er sich das zu Herzen nimmt, wird wohl nicht viel Gutes dabei herausschaun, wie sich jeder denken kann.

Das ist auch etwas, das man am "Neoadvaita" kritisieren könnte: Da kommt ein "Sucher" zum "Erwachten" und bekommt dann zu hören: "Du brauchst gar nichts zu tun, du bist immer schon, dort wo ich auch bin."
Da kann man dann mit Ramana sagen "ich kann es zwar sagen, aber kannst du es auch hören?".
Vermutlich nicht. Und es stimmt eigentlich auch nicht, denn dasjenige, das diese Worte hört ist eigentlich ein wahnwitziger Verstand der sich die Herrschaft angeeignet hat und weit über seine Kompetenzen agiert, aber "geh sterben" würde wohl auch nicht grade gut ankommen *G*
 
Hallo esperanto

esperanto schrieb:
ja, ich spreche aus erfahung. das spielt aber eigentlich keine grosse rolle.
es ist nachvollziebar. es ist pure logik.
aber nur bis zu einem gewissen punkt. nämmlich bis genau zu dem punkt, bis man sich die "sinn" -fragen stellt.

es spielt zbspl auch wirkliche keine rolle, ob der bestimmte zustand als "gott-erfahrung" zu sehen sei - oder nicht. absolute nebensache.

dasselbe ergiebt sich bei der frage nach dem freien willen. gibt es da einen handelnden? wenn ja, dann wäre der bei gott "gott" zu nennen. ansonsten kann nicht die rede von einem handelnden sein.
auf jedenfall solange nicht, wie man sich darüber gedanken macht. denn die gedanken spielen dich aus. du spielst dich selbst aus! da beginnt die grosse lüge!!!
aber auch diese annahme, seis nun tatsache oder trick deiner gedanken, es ist nebensache - denn das leben zu leben um des lebenswillen geschieht nur dann, wenn man das leben lebensbejaht!!!!
ich kann hier nicht trotzen mit grossen worten weltlicher mystiker... ich kenne sie nicht.
aber an dieser stelle denkt meinewenigkeit an die worte camus's - gott hab' ihn seelig - der da einst sagte: "die wichtigste philosophische frage überhaupt sei die des selbstmordes: ist das leben lebenswert? ist das leben zu bejahen?"

...und wahrlich gestand er seinen lesern, dass sich des sterbens zu lebzeiten keiner wahrlichen idee des menschlichen darstelle: JA, DAS LEBEN IST ZU BEJAHEN!

nun dann, liebe poster, liebe leserInnen... habt ihr das erkannt, so schreitet weiter...

das leben als "illusion" höre ich nicht sehr gerne. ich denke sehr wohl zu wissen, was damit gemeint... aber ich störe mich ab diesem wort!

ich beforzuge es LEIDENSCHAFT zu nennen. denn die emotionen, der gedanke, das gefühl... dient der bejahung des lebens - es zeigt dir, dass du lebst! der zustande der meditation als ausgangspunkt des lebens zu sehen finde ich sehr treffend. diesen zustand zu erfahren in der meditation ist "göttlich"! diesen zustand zu behalten, so wenns denn möglich sei, wäre die erleuchtung schlechthin! ...daraus einen gedanken, ein gefühl entstehen zu lassen - nenne ich leidenschaft! meiner meinung nach "nötig", um zu leben. (desswegen frage ich mich, gibt es erleuchtung - ausserhalb der meditation?)

...denn ich teile die auffassung der menschrechte: ich plädiere für gerechtigkeit! (und wer jetzt mit der frage: esperanto, was ist denn gerechtigkeit? kommt, der hat nichts verstanden! lügner!!!)

und... wenn ein unschuldiges kind vergewaltigt wird, dann können auch die mystiker ihre augen davor nicht verschliessen!!!!!

Du hast mich neugierig gemacht. Es würde mich interessieren, wie dein spiritueller Alltag aussieht. Wenn ich dich richtig verstanden habe, meditierst Du. Hast Du dadurch Veränderungen erfahren? Hast Du dir diese Änderungen erwünscht, bewusst darauf hingearbeitet?

Ich würde schon sagen, dass es eine Rolle spielt, ob man das "Ziel" durch Gotterfahrung erreicht oder nicht. Bei vielen Yogis und ebenso bei den christlichen Heiligen habe ich das Gefühl, dass sie ihre emotionale Gefangenschaft gegen eine religiöse eingetauscht haben. Darum sollte man sich am Ende auch von den religiösern Fesseln lösen.

Wenn Du den Handelnden als Gott betrachtest, dann hast Du von Gott eine ganz bestimmte Vorstellung, Du interpretierst gewissermassen ganz bestimmte Eigenschaften in Gott hinein, Du vermenschlichst ihn. Ob Gott allerdings nach diesem Strickmuster gestrickt ist, wage ich sehr zu bezweifeln. Ich vermute eher, dass Gott sich vollkommen unserer menschlichen Vorstellung entzieht, wenn es überhaupt so etwas wie Gott gibt. Darum halte ich jede Vorstellung von Gott für falsch und den Begriff Gott eigentlich für unangebracht, weil er uns auf die falsche Fährte lockt.

Und in dieser Beziehung hat Buddha einen grossen Fortschritt gemacht. Er hat sich nämlich von der Vorstellung eines Gottes gelöst. Er hat aber nicht behauptet, dass es keinen Gott gibt, sondern hat die Möglichkeit offen gelassen, dass es etwas geben könnte, was einer Gottheit gleich käme.

Und darum finde ich die Überlegungen Buddhas viel ehrlicher, als die derjenigen Leute, die die Existenz eines Gottes einfach vorausetzen. In meinen Augen tun sie dieses aus egoistischen Motiven, nämlich weil sie die Vorstellung eines Gottes benötigen, einer Vaterfigur, die ihnen seelischen Beistand ermöglicht, ohne den sie sich vielleicht ziemlich hilflos vorkommen würden. Wie gesagt, ganz ehrlich finde ich das nicht und auch nicht besonders mutig, allerdings menschlich sehr verständlich.

Ich messe diesem Gott allerdings nicht die Bedeutung bei, die Du ihm scheinbar einräumst. Im grossen und ganzen komme ich sehr gut auch ohne Gott zurecht. Ich finde, dieser Gott ist bei unserer Lebensgestaltung auch gar nicht so wichtig. Was man verstehen muss, sind die Naturgesetze, denen man sich einfügen muss, wenn man glücklich leben möchte. Wer oder was für diese Naturgesetze verantwortlich ist, weiss ich nicht und ist mir eigentlich auch relativ egal. Wenn es einen Gott gibt, so hat er jedenfalls nicht dafür gesorgt, dass ich als Mensch in der Lage bin, dieses ganze Schauspiel zu durchschauen. Er hat mir allerdings die Intelligenz verliehen, die Gesetze zu durchschauen, wie ich mein Leben gestalten muss, um glücklich zu leben.

Wenn Camus behauptet, dass die wichtigste philosophische Frage, die Frage nach dem Selbstmord ist, so darf man dabei natürlich nicht vergessen, dass sich ein Mensch diese Frage erst nach ganz bestimmten Erfahrungen stellt. Und unsere gesellschaftliche Verhältnisse sind leider so, dass sich viel zu viele Menschen solche Fragen stellen.

Ausserdem stimme ich Camus nicht zu, weil die Frage nach dem Selbstmord, Ausdruck tiefer Resignation ist. Für mich ist die viel wichtigere Frage, die Frage nach der Erleuchtung. Aber es gibt leider viel zu wenig Mneschen, die sich ernsthaft diese Frage stellen. Die meisten wollen sie gar nicht wissen, weil sie insgeheim ahnen, dass der Weg zur Erleuchtung fast ebenso schmerzhaft ist, wie der Weg in den Selbstmord. Also suchen sie sich Fluchtwege, um sowohl dem Selbstmord als als der Erleuchtung zu entrinnen. (So jedenfalls kommt es mir manchmal vor.)

Wenn man sich die Frage nach dem Weg zur Erleuchtung allerdings wirklich stellt, dann beginnt die Leidenschaft. Und dann beginnt die Möglichkeit, die Erleuchtung tatsächlich zu erlangen. Und wenn man die Meditation tatsächlich verinnerlicht hat, dann gibt es kein besseres Wort als göttlich, um diesen Zustand zu beschreiben.

Wenn Du sagst, wenn ein Kind vergewaltigt wird, dann können auch die Mystiker ihre Augen davor nicht verschliessen, dann ist zwar einerseits richtig. Aber ich frage mich, wie soll man all das Leid, das tagtäglich auf uns einströmt verarbeiten? Ich lasse nach Möglichkeit alles an mich ran und habe darum natürlich auch mit einer ganzen Menge an Wut, Traurigkeit und Mitleid zu kämpfen. Mitunter stelle ich mir allerdings die Frage, ob ich nicht doch etwas mehr Distanz wahren sollte. Schliesslich habe ich mit mir selber Probleme genug. Ist es darum nicht in erster Linie meine Aufgabe, mich mit mir selber auseinander zu setzen?

Alles Liebe. Gerrit
 
Lotusz schrieb:
Ich glaube, unser Missverständnis beruht in der Annahme, dass Buddha, wie Du sagst, nicht an einer Reinkarnation festhielt. Das ist aber nicht richtig. Buddha hielt leider an der Reinkarnation fest.
Was Buddha damals nun wirklich genau gesagt hat, kann ja ohnehin niemand mit Sicherheit wissen. Die Interpretation "Wiedergeburt = Reinkarnation" ist die allgemein übliche Vorstellung, das drückt sich natürlich dann auch in der Literatur aus. Was ich beschrieben habe, ist eine alternative Interpretation der "Wiedergeburt", die (vorsichtig ausgedrückt) unter Buddhisten keinesfalls unumstritten ist. Ich muß mal schauen, ob ich den Link noch finde, da ist das alles viel besser beschrieben.

Lotusz schrieb:
Der Unterschied zwischen dem Hunduismus und dem Buddhismus in Bezug auf die Wiedergeburt scheint darin zu bestehen, dass beim Hinduismus die individuelle Seele wiedergeboren wird, während beim Buddhismus die mentalen (geistig, intellektuellen) Kräfte wiedergeboren werden.
Mentale und intellektuelle Kräfte würde ich ebenfalls als individuell bezeichnen. Wo ist der Unterschied zur "Seele"? Die zentrale Frage dabei ist: Was genau ist es, das wiedergeboren wird? Durch welche Eigenschaften zeichnet es sich aus?

Lotusz schrieb:
Die Ursache der Wiedergeburt liegt im Begehren nach Sinnesbefriedigung.
Ja, und gerade deswegen gebe ich der alternativen Interpretation den Vorzug. Das paßt doch viel besser zusammen. Wessen Begehren ist es denn? Das Begehren von "mentalen Kräften", die nach dem Tod weiterwirken und sich aufgrund ihres Begehrens einen neuen Körper suchen? Oder ist es das Begehren (bzw. die Anhaftung, Begehren ist nur eine Seite davon) des Handelnden, mein Begehren, das mich als Handelnden wieder entstehen läßt (und zwar in diesem physischen Leben, nicht erst nach dem Tod)? Wenn keine Anhaftung da ist, wozu ist der Handelnde dann noch erforderlich?
 
In seinem Text "Keine Religion" erklärt Buddhadasa Bhikkhu unter anderem, was die Begriffe "Geburt" und "Tod" im buddhistischen Sinne bedeuten, und damit ist dann auch klar, was Wiedergeburt und Nirvana sind.

Er sagt dazu auch:

Ihr seht also, dass die Worte "Geburt" und Tod" in der Umgangssprache die entgegengesetzte Bedeutung wie in der Dhamma-Sprache haben. Die gleiche Situation existiert in den alten Schriften anderer Religionen, speziell denen des Christentums. Als Resultat verstehen die Christen ihre eigene Bibel nicht, gerade wie wir Buddhisten den Tipitaka (Die alten Schriften der Buddhisten) nicht verstehen. Daher, wann immer Mitglieder der beiden zusammentreffen, geraten sie ins Argumentieren, bis sie blau im Gesicht sind. Die Auseinandersetzungen sind einfach unglaublich; sie kämpfen bis ans Ende. Lasst uns daher in dieser Sache der Umgangssprache und der Dhamma-Sprache einiges an Verständnis entwickeln.

Der Text ist im Internet frei erhältlich, etwa hier:

http://www.dhamma-dana.de/buecher/theravada/buddhadasa_bhikkhu-keine_religion.pdf

Ich kann den Text jedem, der sich auch nur halbwegs für Buddhismus interessiert, wirklich ans Herz legen.
 
Irfan schrieb:
Beziehst du dich damit auf "ich kann das im Moment nicht in dieser Deutlichkeit nachvollziehen"?
Nö, war ganz allgemein gemeint. Ich meine, man muss sich mal vorstellen: Ein Mensch lebt sein Leben, obwohl er nicht einmal weiss, ob er eine Ich-Persönlichkeit ist und wenn ja, was für eine. Ist doch absurd, nicht? Und kann nur funktionieren, so lange irgendein Selbstschutzmechanismus den armen Menschen weiterschlafen lässt, schön in Ruhe, damit er nur sich nicht mit solch unangenehmen Fragen auseinandersetzt.
Die "Persönlichkeit" empfinde ich als recht mechanisch (ich glaube, dieser Ausdruck paßt ganz gut). Dieses "Ich-Gefühl" scheint etwas anderes zu sein. Und der Gedanke "Ich" noch etwas anderes. (Das bringt mich auch nicht weiter, alle drei sind nämlich wahrnehmbar.)
Dann suche das, was allen dreien zugrundeliegt und nicht wahrnehmbar ist. Es gibt eine Antwort. Ich habe sie gefunden, Wyrm hat sie gefunden, Divo hat sie gefunden und viele andere Forumsteilnehmer auch. Aber es ist nicht unbedingt leicht.
Nein, der Zustand ist Objekt.
Richtig, und darum muss das Subjekt zustandslos sein.
Was gibt es, das zustandslos ist und nicht als Objekt in deinem Geist erscheint?
GLR habe ich auch regelrecht verschlungen, der weiß gar nicht, was er bei mir angerichtet hat...
Schick ihm doch mal ne Email, wo du ihm für die gelungenen Bücher dankst! Ich glaube, das würde jeden Author freuen, wenn er sieht, dass die Bücher eine Wirkung haben. Du brauchst ja weder zu begründen noch zu argumentieren, sondern einfach nur ein Dankeswort auszusprechen - natürlich nur, wenn du willst. Die Email findest du auf seiner Webpage.
 
Lotusz schrieb:
Ausserdem habe ich das Gefühl, dass es nur eine Mogelpackung ist, wenn man versucht, den Handelnden wegzujonglieren, wie ihr das in meinen Augen versucht. Mir scheint, ihr wollt die Realität nicht sehen, also zaubert ihr sie einfach weg.
Ich versuche ja eben nicht, den Handelnden "wegzujonglieren". Es ist nur so: Ich kann keinen Handelnden entdecken. Ich meine das nicht als Theorie, sondern als ganz konkrete Erfahrung genau in diesem Moment. Gedanken und Empfindungen tauchen auf und verschwinden wieder, Handlungen geschehen. Hätte ich etwas anderes tun können als genau das, was ich gerade getan habe? Jede solche Alternative ist eine bloße Vorstellung (und diese Vorstellung ist darüberhinaus noch völlig unbeweisbar).

Seltsamerweise empfinde ich das nicht den ganzen Tag so. Ich glaube, das hängt mit Identifikation zusammen (wobei ich sagen muß, daß ich noch lange nicht verstanden habe, wer sich da jetzt identifiziert bzw. wie eine solche Identifikation nun genau funktioniert). Der Handelnde zu sein, heißt Identifikation mit den Gedanken und Handlungen, die aber bei genauerer Beobachtung von selbst auftauchen bzw. Reaktionen auf andere Geschehnisse sind.

Der Handelnde wird also nicht wegjongliert, sondern muß ganz im Gegenteil hinzugefügt werden, um zu existieren.
 
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Hallo Irfan

Zuerst langweilte mich der Text etwas, dann aber fing er an, mich zu überzeugen, jedenfalls teilweise. Aber in einigen Punkten bin ich noch sehr unsicher. Vor allem habe ich natürlich immer noch Probleme mit der Leere. Ich möchte meine Zweifel an dem Text von Ajan Buddhadasa einmal darstellen:

Text von Ajan Buddhadasa:

Die nächst höhere Dhamma-Ebene ist es, keinerlei Spuren des "Ich" mehr überbleiben zu lassen. Es hat aufgehört. Der Geist hat nicht länger das Gefühl ein "Ich" zu sein, ein Selbst zu sein und es gibt keine Möglichkeit, dass Leiden oder Unzufriedenheit auftreten können, da es kein "Ich" mehr gibt, um zu leiden. Leiden kann nicht auftreten, weil diese Ichlosigkeit das höchste Glück ist, wie wir in der Umgangssprache sagen. Wenn wir jedoch in der Dhamma-Sprache reden, gibt es nichts zu sagen. Da ist nichts zu bekommen, nichts zu haben, nichts zu sein - keine Glückseligkeit, kein Leiden, überhaupt nichts. Wir nennen das "Leerheit". Alles ist noch vorhanden, aber es ist frei und "leer" von "Ich-" oder "Mein-" Gefühlen. Aus diesem Grund sprechen wir von "Leerheit".

Es könnte theoretisch sogar sein, dass das, was Buddhadasa sagt, der Wahrheit entspricht. Vielleicht besteht die höchste Seeligkeit wirklich in der Erfahrung der Leerheit. Wie aber soll ich überprüfen, ob diese Aussage der Wahrheit entspricht? Natürlich können andere mir sagen, sie haben es selber erfahren. Aber ich kann eigentlich nicht mehr machen, als dieses zur Kenntnis zu nehmen, wie etwa die Aussage eines Yogi, der mir erzählt, dass ich, wenn ich erleuchtet bin, der Himmel rosarot sehe. Solange ich diese Leerheit nicht selber erfahren habe, habe ich keine Möglichkeit, zu überprüfen, ob diese Aussage stimmt.

Aber ich habe eine andere Erfahrung gemacht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es dauerhafte Glückszustände gibt. Dieses habe ich selber über etliche Monate erfahren dürfen. Allerdings sagen ja auch die Yogis, dass sich viele spirituelle Menschen in dieser Glückseligkeit verlieren und damit ihren spirituellen Prozess zum Stillstand bringen. Auch von den Yogis wird ja behauptet dass man diese Glückseligkeit letzten Endes ablegen sollte, um ins endgültige Nichts, ins Nirvana zu gelangen. In diesem Punkt stimmen die Meinungen von Buddhadasa und den Yogis also überein.

Aber trotzdem interessiert mich die Leere momentan nicht. Was mich allerdings interessiert, ist diese permanente Glückseligkeit wieder zu erlangen. Mag es auch eine Vorstufe zur Erleuchtung sein, so habe ich diese Glückseligkeit als Paradies erlebt. Und wenn man dieses Paradies erlebt, kann man sich eigentlich nicht vorstellen, dass es noch etwas schöneres geben sollte als dieses Paradies. Und sollte ich in meinem Leben noch einmal das Glück haben, dieses Paradies bewohnen zu dürfen, und zwar nicht nur als kurzfristiger Gast, sondern als ständiger Bewohner, so wird mich wohl keine Leerheit mehr interessieren. Sollte sie allerdings unerwartet an meine Tür klopfen, dann heisse ich sie herzlich willkommen.

Alles Liebe. Gerrit
 
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