Hallo Irfan
Irfan schrieb:
Ich glaube, "Illusion" trifft es nicht ganz. Ich würde es so ausdrücken: Was wir von der Welt wahrnehmen, hängt von der Beschaffenheit des Geistes, der sie wahrnimmt, ab, und ist durch diesen gefärbt. Somit sehen wir nicht die Welt an sich, sondern das, was wir daraus machen, und das ist eben nicht die Wirklichkeit. So verstehe ich "Illusion".
Buddha redet meines Wissens von "Wiedergeburt", nicht "Reinkarnation". Normalerweise wird es so verstanden, aber die Vorstellung einer Reinkarnation, also einer festen, klar abgrenzbaren (Ich-)Einheit, die in anderem Körper wieder neu geboren wird, widerspricht an sich ja völlig den Grundannahmen des Buddhismus (anicca und anatta).
Ich habe aber auch schon andere Interpretationen gelesen. "Geburt" kann im Buddhismus ja auch etwa "Entstehung der Vorstellung eines Handelnden" bedeuten. Wiedergeburt erfolgt dann nicht nach dem physischen Tod, sondern jedesmal, wenn die Vorstellung "ich tue etwas" auftaucht. Das Ziel des Buddhismus wäre demnach der Zustand, in dem kein Handelnder mehr existiert, und damit kein Karma (das als Resultat von ich-bezogenen Handlungen entsteht) mehr erzeugt wird.
Diese Interpretation macht für mich viel mehr Sinn, die Widersprüche sind aufgelöst und es erinnert auch wohl nicht nur zufällig an die Veden. Die Vorstellung einer Reinkarnation erkläre ich mir vor allem mit der Angst vor dem Tod. Ich bin mir sicher, die meisten Buddhisten wollen wiedergeboren werden.
Ich stimme dir zu, dass die Wahrnehmung der Welt von der Beschaffenheit unseres Geistes und ebenso, oder vielleicht sogar noch stärker, von der Beschaffenheit unserer Emotionen abhängt. Demzufolge sieht jeder die Welt mit anderen Augen. Wer könnte da von sich behaupten, die Welt real oder als Illusion wahrzunehmen?
Ich glaube, die Illusion hilft uns nicht viel weiter. Was für mich zählt sind Fakten. Das ist ganz konkret die Angst, der Schmerz oder die Lebensfreude, die ich empfinde. Alles andere interessiert mich eigentlich herzlich wenig.
Ich habe schon einmal gehört, dass Buddha wohl zwischen Reinkarnation und Wiedergeburt unterscheidet. Mir ist bis heute allerdings nicht klar, worin der Unterschied besteht. Es wäre schön, wenn Du mir den Unterschied einmal erklären könntest.
Soweit mir bekannt ist, ist die Wiedergeburt immer auf ein neues Leben nach dem Tod bezogen. Wenn Du davon sprichst, dass die Geburt sich mit der Vorstellung des Handelnden jedesmal neu vollzieht, so beruht diese Vorstellung auf der buddhistischen/hunduistischen Vorstellung des Nichts, mit ich nichts anfangen kann. Oder liege ich hier falsch? Meinst Du vielleicht etwas anderes? Auch hier finde ich es schade, dass Buddha die Vorstellungen vom Nichts bzw. von der Leere aufrecht erhält. Ich glaube nicht, dass dieses Nichts bzw. diese Leere uns irgenwie weiterhelfen kann. In meinen Augen wird sie allenfalls immer wieder von "Advaita"-Anhängern missbraucht, um der Vorstellung, dass wir ja alle bereits erleuchtet sind und darum die Hände in den Schoss legen können, zu frönen. Damit ist aber niemandem wirklich geholfen.
Nebenbei gesagt, interessiert mich die Wiedergeburt kein Stück. Alles was mich interessiert, ist das Paradies hier und jetzt, denn in meinen Augen gibt es kein anderes. Und die einzige Wiedergeburt, die es in meinen Augen gibt, ist die Wiedergeburt im jetzigen Leben, also die volle Entfaltung unseres menschlichen Potentials. Und alle, die da meinen, sie hätten noch so viele Leben vor sich, um diesen Prozess ganz langsam angehen zu lassen, denen muss ich leider sagen, dass auch sie nur ein Leben haben. Und wenn sie glauben, sie hätten noch so viele Leben lang Zeit, dann erkenne ich in diesem Verhalten allenfalls die Mutlosigkeit sich ihrer inneren Verzweiflung zu stellen. Also flüchtet man sich lieber in Wiedergeburtsvorstellungen oder meint, man sei bereits erleuchtet. Beides halte ich in der Regel allerdings wirklich für eine Illusion.
Alles Liebe. Gerrit