Hallo Reinhard,
ich habe klare und vielleicht "harte" Worte geschrieben. Ja. und sie sind aus pragmatischen Gründen gerechtfertigt - auch wenn sie manchen hier nicht passen und als "Beleidigung" aufgefasst werden.
Hallo A.,
Hast Du die Andeutungen von Arielle im anderen Thread gelesen - was in der Familie vorgegangen ist ? Für mich wird dadurch Arielle's Haltung absolut nachvollziehbar.
Nein. Und ich denke, das ist gut so, dass ich die "Andeutungen" nicht gelesen habe. Gut für Sie und gut für mich. So bin ich von Ihren Interpretationen und Abwertungen dem Vater gegenüber noch nicht so beeinflusst.
Du weißt vermutlich genau, wie das ist, wenn da jemand zum Aufstellen oder in Therapie kommt und dir erst mal furchtbare Horrorgeschichten über die Eltern erzählt, um dich gegen sie einzunehmen und empört zu machen (und damit letztlich unbewusst für die Aufrechterhaltung des Problems zu mobilisieren).
Wer darauf eingeht und mitmacht, erweist dem, der da kommt m.E. einen schlechten Dienst. Meistens legen es solche "Helfer" dann auf eine sog. "therapeutische Beziehung" an, bei der sie dann die Eltern ersetzen und sich als "besser" für den Hilfesuchenden darstellen wollen. Ziel: eine schöne lange Abhängigkeit des Hilfesuchenden, an der der Helfende wunderbar Geld verdienen bzw. sich "gebraucht und wichtig fühlen" kann. Nebenbei scheint mir das ein Bedürfnis v.a. vieler "Laienhelfer" zu sein, oder?
Aber Vorsicht: irgendwann werden die so Geholfenen den Helfer ebenso behandeln wie die eigenen Eltern. Das ist dann ihre (möglicherweise legitime) Rache am "Helfer".
Grundsätzlich (nicht zu A.) : das mit dem die-Eltern-lieben kann leicht auf die falsche Schiene kommen. Meiner Meinung nach geht es niemals darum, die Eltern lieben zu MÜSSEN oder zu SOLLEN. Wenn keine Liebe da ist, ist keine da - Punkt. Die läßt sich nicht erzwingen.
Da stimme ich dir zu. Es geht nicht um ein quasi moralisches Postulat, das zu erfüllen wäre und an dem sich die "Guten" und die "Bösen" festmachen ließen.
Und es geht auch nicht um eine grundsätzliche Wertung (im moralischen Sinn) dessen, der da gefragt hat.
Allerdings ist es eine beobachtbare Naturgesetzmäßigkeit (und wer die Funktionen des individuellen und des systemischen Gewissens kennt, wird mir zustimmen), dass sich Menschen, die ihre Eltern nicht achten und schlecht machen und die nur auf das "Schlimme" schauen, wo sie meinen, ein Recht für einen Vorwurf gegenüber den Eltern zu haben, dies später auszugleichen suchen, indem sie es sich schlecht gehen lassen.
Ich habe beobachtet: wer den Eltern etwas vorwirft und etwas fordert über das Leben hinaus, der hat das Glück verspielt. Nicht aus moralischen Gründen sondern, der lässt das Glück hernach nicht mehr an sich heran. Das Gewissen gestattet das nicht mehr. Dummerweise funktioniert der Ausgleich durch Sühne nicht und so versuchen solche Menschen oft die Sühne durch den (mehr oder weniger bewussten) Selbstmord. Es gibt m.E. eine Ebene des Gewissens auf der eine solche Haltung gegenüber den Eltern, bei der sich das Kind größer macht und urteilt und Ansprüche stellt, mehr oder weniger mit der Todesstrafe geahndet wird.
Dabei geht es mir hier nicht darum, dass ich diesen Mechanismus gutheiße oder "dafür bin, dass das so sein soll". Er existiert einfach und man tut gut daran, ihn zu berücksichtigen, wenn man einen Anstoß geben will, der weiter bringt.
Zudem stimmt das meist doch nicht mit der angeblich nicht vorhandenen Liebe gegenüber den Eltern. Hinter den Vorwürfen - das dürfte dir auch schon begegnet sein, wenn du aufstellst - steckt meist eine riesengroße und bedingungslose Kinderliebe. Gerade deshalb dieses starke Bedürfnis, die Nichtachtung wieder auszugleichen.
Wer eine so fordernde und ansprüchliche Haltung gegenüber den Eltern hat, der hat sie nicht gegenüber sich selbst, sondern v.a. gegenüber anderen - Partnern und Helfern vor allem und natürlich dem Leben selbst. Und wenn man das zum Thema macht, dann wird man behandelt wie die Eltern (bzw. der verratene Elternteil).
Wenn ich also hier schroff und klar reagiere, dann verbünde ich mich mit dem, der am meisten schlecht gemacht wird (und zu dem im Untergrund am meisten Liebe besteht und spürbar wird). Ich tue so jemandem wie Arielle keinen Gefallen, wenn ich versuche, ihr besser zu begegnen, als ihr Vater ihr begegnet ist. Vordergründig wäre das für sie sicher angenehmer (und für mich zunächst auch, weil ich dann schön in die von mir oben beschriebene Schleife einsteigen könnte). Aber die Folgen derlei Handlungen habe ich oben beschrieben.
Jetzt ist sie böse auf mich und ich und sie sind frei. Jetzt ist sie auf die Eltern zurück geworfen und kann mich nciht als Ersatz her nehmen (und sich damit keinen Gefallen tun.
Dann geht es um eine Klarstellung, wie das mit den Eltern eben ist - dass man frei wird von der Vergangenheit und offen für neue Beziehungen.
Ja - das Anerkennen was ist, das ist der erste Schritt. Aber es fragt sich, was ist die heilsamere Perspektive? Was gilt es tatsächlich anzuerkennen? Wo liegt ein Anstoß? Wenn ich zulasse, dass sie immer mehr Ausgleich schuldet gegenüber den Eltern, weil ich sie gewinnen will, dann passiert das oben Genannte. Das macht für sie aber alles schlimmer, hilft also langfristig nicht.
Ich denke, es geht darum anzuerkennen, was sie (aus Sicht des systemischen Gewissens) den Eltern angetan hat mit den Ansprüchen und Vorwürfen. Und dann gilt es für ihren Teil - ohne den Vorwurf zu erheben - zu sagen: "Es tut mir leid". Oft werden dann die Väter weich wie Butter. Und dann kommt die Liebe zum Durchbruch (die auch dieser Vater - da bin ich sicher - für seine Tochter hat. Vaterliebe halt).
Dann muss man halt schauen, wo man sonst seine Liebesfähigkeit her bekommt.
Sie kommt nur und einzig und allein von den Eltern. Und dahinter steht die Liebesfähigkeit der Großeltern und anderen Vorfahren. Ich habe miterlebt, wie viel Liebe prügelnde Väter für ihre Töchter hatten. Und ich meine (so fremd es vielen klingen mag): das ist in so einem Fall oft mehr Liebe da als in anderen Fällen.
Du weißt, wie das ist mit den Fremdgefühlen? Und du kennst dich aus mit Verschiebung (einfacher und doppelter, im Objekt und im Subjekt)? Wie oft gelten Schläge, die die Tochter treffen, eigentliche der Mutter - und sind als Ausgleich berechtigt und verstehbar und wie oft geht es in solchen Fällen um Ausgleich für Schlimmes zwischen den Eltern...? Wer hier die Väter schnell verurteilt, hilft nicht mehr. Kennst du die Dynamiken: "Mama, für dich mache ich es gerne" oder: "Mama, ich trag' es für dich, aus Liebe und damit du mit dem Papa zusammen bleiben kannst"? Was wenn so etwas dahinter steht und wir haben uns empört und den Vater mit verteufelt? Dann leidet die Betroffene unnütz weiter und wir kommen nicht an den Kern und das was löst.
Worum es bezüglich der Liebe zwischen Kind und Eltern in FA's geht : wenn sie da ist und blockiert ist, dass sie wieder fließen kann.
Reinhard, sie ist da - immer. Vielleicht wird sie ausgeblendet. Ok - dann geht es darum sie in den Blick zu nehmen. Aber mit Mitmachen bei Vorwürfen und Ansprüchen wird man niemanden dazu bekommen, sie wahrzunehmen und wahrzuhaben. Oder?
A.