Raja Yoga, der Königsweg
Patanjali und der Raja Yoga
Patanjali Maharishi ist der Autor der Raja-Yoga-Sutras. Im Yajnavalkya Smriti, einer indischen heiligen Schrift, steht, daß Hiranyagarbha der ursprüngliche Lehrer des Yoga war. Patanjali Maharishi hat die Anweisungen, Doktrinen und Thesen des Yoga, die Hiranyagarbha gelehrt hatte, zusammen gefasst und erklärt. Patanjalis Rajayoga Philosophien lassen sich zu einem achtstufigen Yogapfad zusammen fassen.
Die Rajayoga-Sutras von Patanjali setzen eine religiöse Orientierung voraus. Dies ist meiner persönlichen Meinung nach aber keine Vorraussetzung. Der Rajayoga-Pfad führt auch ohne religiöse Orientierung genau so zum Erfolg. In diesem Text soll die religiöse Orientierung aber beibehalten werden. Möge jeder für sich selbst entscheiden, wie weit er sich an der religiösen Ausrichtung orientiert.
Raja Yoga ist der König aller Yogawege. Er beschäftigt sich direkt mit dem Geist. In diesem Yoga gibt es keinen Kampf, weder mit der Lebenskraft noch mit dem physischen Körper. Der Yogi sitzt bequem, beobachtet seinen Geist und beruhigt die lärmenden Gedanken. Er macht den Geist ruhig, schränkt die Gedankenwellen ein und gelangt in den Zustand, wo es keine Gedanken mehr gibt.
Raja Yoga ist der königliche Weg zur Freiheit von Leid. Er handelt von den vier Prinzipien: Elend, seiner Ursache, Freisein vom Elend und dem Weg dorthin. Die Praxis der im Raja Yoga vorgeschriebenen Methoden führt zum Aufhören allen Leides und zur Erlangung ewiger Wonne. Raja Yoga heißt auch Ashtanga Yoga, Yoga der acht Stufen. Die vierte bis zur achten Stufe wird auch als Kriya-Yoga bezeichnet. Ihr widmete besonders der indische Yogi Paramahansa Yogananda besondere Aufmerksamkeit.
1. Yama: Gewaltlosigkeit, Ehrlichkeit, Nichtstehlen, Enthaltsamkeit, unbestechlich
2. Niyama: Reinheit, Zufriedenheit, Disziplin, Studium, Hingabe an Gott
3. Asanas (Yogaübungen)
4. Pranayama (Atemübungen)
5. Pratyahara (Verinnerlichung)
6. Dharana (Konzentration)
7. Dhyana (Meditation)
8. Samadhi (Erleuchtung - Glückseligkeit)
Yama und Niyama
Yama und Niyama sind die wichtigsten Voraussetzungen für die Praxis der Meditation. Wenn Du Meditation und Erleuchtung verwirklichen möchtest, ohne in Yama und Niyama Perfektion erworben zu haben, wirst Du nicht weit kommen. Du kannst es nicht aufschieben und musst dich sowohl in allen Yamas wie auch Niyamas vervollkommnen. Daher musst du beständig die Praxis von Yama und Niyama üben und gleichzeitig Konzentration und Meditation fortsetzen, bis Du in Yama und Niyama vollkommen verwurzelt bist.
Zwischen Yama und Niyama besteht eine innige Beziehung. Niyama sichert Yama ab. Wenn jemand innere Reinheit hat, dann fällt ihm Enthaltsamkeit nicht mehr so schwer. Wenn er zufrieden ist, wird er nicht stehlen, andere verletzen oder Lügen erzählen. Dann wird es auch einfach sein, unbestechlich zu bleiben.
Yama
Unter Yama versteht man 5 Regeln der Enthaltsamkeit, die der Selbstkontrolle dienen. Yama ist keine Methode, keine Anstandsregel oder Höflichkeit. Yama ist das Festhalten an Idealen und Prinzipien. Es ist das Entwickeln göttlicher Charakterzüge, die die menschliche Natur in eine göttliche Natur umformen. Yama vernichtet Wünsche, Sehnsüchte, schlechte Qualitäten. Es tilgt niedere Instinkte und Veranlagungen im Menschen aus. Yama beseitigt Härte, Gewalt, Grausamkeit und Begierden. Es füllt das Herz mit kosmischer Liebe, Güte, Barmherzigkeit, Tugend, Reinheit und göttlichem Licht. Yama ist die Grundlage des göttlichen Lebens und des Yoga, die zu Samadhi (Erleuchtung) führt.
In den fünf Teilen oder Gliedern des Yama liegt eine wohldurchdachte Reihenfolge:
1. Gewaltlosigkeit kommt zuerst, weil der Mensch zuerst seine brutale Natur beseitigen muss. Er muss gewaltlos werden. Gewaltlosigkeit ist die Lebenseinstellung Nichts und Niemanden in böser Absicht zu verletzen oder gar zu töten. Mahatma Gandhi's Gewaltlosigkeit ist eine hohe Ausdrucksform des Yama.
2. Dann kommt die Ehrlichkeit. Man sollte stets die Wahrheit sagen, nicht lügen oder heucheln.
3. Dann folgt das Nicht-Stehlen. Der Yogi sollte ein moralisches Bewusstsein entwickeln. Er sollte Richtig von Falsch unterscheiden können, Rechtschaffenheit von Ungerechtigkeit.
4. Die Enthaltsamkeit (Brahmacharya) ist eine göttliche Tugend. Der Yogaschüler wird nur durch die Praxis von Brahmacarya oder Keuschheit zur Erleuchtung finden. Unter Brahmacharya ist aber nicht nur die sexuelle Enthaltsamkeit gemeint, sondern jegliche Jagd nach Sinnenlust sollte vermieden werden. (siehe: Enthaltsamkeit)
5. Das fünfte Regel ist die Unbestechlichkeit. Durch das Annehmen von Geschenken besteht die Gefahr, dass man abhängig wird. Dadurch wird man eventuell in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt. Es gibt sogar einige spirituelle Gemeinschaften, die das "Nichts Annehmen" als Ordensregel haben und ihren Lebensunterhalt nicht erbetteln, sondern selber erarbeiten.
Niyama
Niyama besteht aus fünf Verhaltensregeln: Reinheit, Zufriedenheit, Disziplin oder Askese, Studium der Heiligen Schriften und Hingabe an Gott.
1. Unter Reinheit versteht man die innere und äußere Reinheit. Dabei ist die innere Reinheit, die Reinheit von Geist und Herz genau so wichtig wie die äußere Reinheit. Man sollte alle schlechten Gedanken beseitigen.
2. Die Zufriedenheit ist der größte Schatz den man besitzen kann.
3. Unter Disziplin versteht man auch Askese. Selbstloses Dienen vermindert den Egoismus und ist eine Form der Askese. Demut und Wunschlosigkeit sind andere Formen der Askese. Fasten ist ebenso eine Disziplin. Das Fasten wird dich in eine meditative Stimmung versetzen. Übe alle diese Disziplinen in unermüdlichem, selbstlosen Dienst.
4. Studiere die Heiligen Bücher. Es beinhaltet auch das Chanten (Rezitieren), die Wiederholung eines Mantra (Name Gottes) oder die Nachforschung nach dem Selbst, nach dem "Wer bin ich?".
5. Die Hingabe zu Gott ist die Selbsthingabe an den Herrn. Es ist das Weihen des eigenen Lebens, der eigenen Arbeit als ein Opfer an den Herrn. Das Mantra für die Selbsthingabe an Gott lautet: "Ich bin Dein, alles ist Dein, mein Herr. Dein Wille geschehe".
Asanas (Yogaübungen)
Patanjali schenkte den Yogaübungen keine besondere Aufmerksamkeit. Er beschreibt die feste und bequeme Sitzhaltung, die man einnehmen soll, um selbst längere Zeit ohne Probleme im Sitzen zu meditieren. Auf die Meditation soll aber erst weiter unter eingegangen werden. Patanjali möchte, dass eine bequeme Sitzhaltung eingenommen wird, in der man lange Zeit sitzen kann und nicht vom Schlaf übermannt wird. Im Hathayoga haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Yogaübungen herausgebildet. Am besten, man lernt sie von einem Yogalehrer. Bei yogavidya.de findet man eine ganze Menge gut beschriebener und abgebildeter Hathayoga-Übungen. (
Yogaübungen in Bildern)
Pranayama (Atemübungen)
Die Atmung hat eine äußerst wichtige biologische Funktion. Die Lungen reinigen das Blut, das seine Reise durch die Arterien hellrot und reich beladen mit lebensspendendem Sauerstoff beginnt. Das Blut kehrt über die Venen zurück, arm, bläulich und beladen mit den Abfallstoffen des Körpers, die dann als Kohlendioxyd wieder ausgeatmet werden.
Dadurch wird das Zwerchfell und die Atemhilfsmuskeln gestärkt und die Lungen gereinigt, Herz, Leber und Magen werden massiert, Stoffwechsel- und Entschlackungsvorgänge, Kreislauf und Herztätigkeit werden verbessert, Bronchien, Alveolen, Luftröhre und Nasendurchgänge werden gereinigt, der Sauerstoffgehalt im Blut wird erhöht. Herzkrankheiten und alle Krankheiten, die aus mangelhafter Einatmung von Sauerstoff entstehen, werden geheilt. Das Gewebe und die Zellen absorbieren eine große Menge von Sauerstoff.
Atemübungen sind eine gute Vorbeugung gegen Heuschnupfen, Asthma und Erkältungskrankheiten. Asthma und Schwindsucht (Tuberkulose) können durch Atemübungen im Laufe der Zeit geheilt werden. Die Lungenspitzen werden gründlich mit Sauerstoff versorgt, die Verkrampfungen der Bronchien beseitigt und die Unreinheiten des Blutes ausgesondert. Außerdem wird das Sonnengeflecht aktiviert, geistige und emotionelle Spannungen beseitigt, Müdigkeit und Depressionen abgebaut und die innere Kraft und Freude gestärkt. Immer wenn Du Dich unbehaglich, deprimiert oder entmutigt fühlst, übe Pranayama.
Bevor wir zu den Atemübungen kommen, etwas zur Frage, ob es gefährlich ist Atemübungen ohne die Hilfe eines Gurus zu praktizieren. Hierauf antwortete Swami Sivananda: Zögere nicht. Warte nicht darauf, einen Guru zu finden, der an Deiner Seite sitzt und nach Dir schaut. Wenn Du ernsthaft, regelmäßig und systematisch bist und den Regeln und Anweisungen dieses Buches sehr sorgfältig folgst, wird es keinerlei Schwierigkeiten geben. Du wirst unzweifelhaft Erfolg erzielen. Leichte Fehler werden am Anfang auftauchen. Viele Leute sind unnötig besorgt. Du kannst einfache Atemübungen ohne die Hilfe eines Gurus ausführen. Im Laufe der Zeit wirst du das richtige Gefühl für die Atemübungen entwickeln.
Typische Fehler bei Atemübungen sind: der Schüler sitzt nicht gerade, der Rücken ist gebogen, der Kopf ist nicht gerade, der Körper zur Seite gebeugt. Falsche Atmung: Der Bauch geht beim Ausatmen hinaus anstatt hinein. Der Schüler hebt die Schultern, atmet forciert ein, spannt das Gesicht und die Schultern während des Schnell-Atmens an. Der Schüler atmet durch den Mund anstatt durch die Nase oder hält die Luft zu lange an. Korrekturen und Hilfestellungen findet ihr auf der Fehlerseite (Schnellatmung).
An dieser Stelle sollen zwei Atemübungen vorgestellt werden, die ich sehr gut kenne und regelmäßig praktiziere. Dies ist einmal die Schnellatmung, auch Kapalabhati genannt und der Blasebalg, auch Bhastrika genannt. Fangen wir mit der Schnellatmung an. Anschließend kommt der Blasebalg.
Die Schnellatmung (Kapalabhati)
Die Schnellatmung unterteilt sich in vier Abschnitte:
1. Ausgangslage: Setze Dich gerade hin, entweder im Schneidersitz, im Lotussitz oder einer verwandten Sitzhaltung, halte die Hände auf den Knien und die Augen geschlossen.
2. Atme zu Beginn 3 bis 4 Sekunden lang durch die Nase ein, dabei geht der Bauch hinaus. Dann atme 3 bis 4 Sekunden lang durch die Nase aus, dabei geht der Bauch hinein. Atme so etwa 3 bis 8 Atemzüge lang ein und aus.
3. Dann beginne mit dem eigentlichen Kapalabhati: Atme sehr schnell aus und 2 Mal so langsam entspannt ein. (meist reicht es aus, den Atem von selbst einströmen zu lassen - also forciertes Ausatmen und langsames Einatmen) Wiederhole es etwa 20.
4. Danach atme 1 bis 2 Mal normal ein und aus. Anschließend atme bequem ein, und fülle die Lungen zu 3/4 und halte die Luft an. Konzentriere dich auf das Dritte Auge, den Punkt zwischen den Augenbrauchen, und/oder dein Mantra. Halte die Luft so lange an, wie es Dir angenehm ist (20 bis 120 Sekunden). Dann atme 2 bis 4 Mal normal ein und aus und fahre dann fort mit der nächsten Runde. Übe 1 bis 5 Runden, klassisch sind 3 Runden.
Der Blasebalg (Bhastrika)
In Sanskrit bedeutet Bhastrika Blasebalg. Das charakteristische Merkmal von Bhastrika ist die rasche Folge von forcierten Ein- und Ausatmungen. So wie ein Schmied seinen Blasebalg rasch auf und ab bewegt, so solltest du deinen Atem rasch bewegen.
Sitze im Lotussitz (Anfänger im Schneidersitz), halte Rumpf, Nacken und Kopf aufrecht. Schließe den Mund. Atme als nächstes zehnmal rasch ein und aus wie der Blasebalg des Schmieds. Bauch und Brust dabei gleichmäßig ausdehnen und zusammenziehen. Der Übende sollte mit einer raschen Folge von Ein- und Ausatmungen beginnen. Wenn die für eine Runde erforderliche Anzahl von Wiederholungen, sagen wir zehn, beendet ist, folgt auf das letzte Ausstoßen die tiefstmögliche Einatmung.
Der Atem wird dann angehalten, solange es möglich ist. Dann wird sehr langsam und tiefstmöglich ausgeatmet. Das Ende dieser tiefen Ausatmung schließt eine Runde Bhastrika ab. Mache nach einer Runde eine kurze Pause von einigen normalen Atemzügen. Dies wird dir Erleichterung verschaffen und dich für die zweite Runde vorbereiten.
Du kannst täglich 3 Runden am Morgen ausführen. Wenn du willst, kannst du auch drei weitere Runden am Abend praktizieren. Beschäftigte Menschen, die keine Zeit haben, drei Runden Bhastrika zu machen, sollten wenigstens eine Runde machen. Auch dies wird gesund halten. Bhastrika ist eine mächtige Übung. Nachdem du die Schnellatmung (Kapalabhati) geübt hast, kannst du mit Bhastrika beginnen, es wird dir dann leicht fallen.
Wenn dich Schwindelgefühle überfallen, breche die Übung ab und atme einige Atemzüge normal weiter. Setze die Übung fort, wenn das Schwindelgefühl vorbei ist. Im Winter kann Bhastrika sowohl am Morgen als auch am Abend ausgeführt werden. Wenn es im Sommer sehr heiß ist, solltest du Bhastrika nur morgens machen.
Bhastrika lindert Halsentzündungen, steigert die Verdauung, beseitigt ein Übermaß an Schleim, heilt Krankheiten der Nase und des Brustkorbs, heilt Asthma, Schwindsucht (Tuberkulose) etc. Es regt den Appetit an und erweckt die Kundalini.
Man sagt, die Kundalini sei eine göttliche Energie (sexuelle Energie), die im Wurzelchakra ruht und durch Atemübungen über die Wirbelsäule bis zum Scheitelchakra hinaufgeleitet werden kann. Der Blasebalg weckt die Kundalini und hilft die Knoten im Wurzelchakra, Herzchakra und Stirnchakra zu lösen.
Die Zahl der Ausatmungen und der Runden sollten durch die Stärke und Fähigkeiten des Übenden bestimmt werden. Man sollte nicht ins Extreme gehen. Einige Schüler können sechs Runden machen, andere auch zwölf Runden.
Wenn du möchtest, wiederhole während der Atemübung geistig ein Mantra. Ich setze bei den Atemübungen gerne einen Kopfhörer auf, höre Musik, oft sogar sehr schnelle und laute Musik, und wiederhole während des Atemanhaltens im Rhythmus der Musik mein Mantra.
Die Wechselatmung (Anuloma Viloma)
Eine sehr bekannte Atemübung ist auch die Wechselatmung, auch Anuloma Viloma genannt. Ich möchte an dieser Stelle aber nicht näher darauf eingehen. Ihr könnt die Einzelheiten der Wechselatmung bei
yogavidya.de nachlesen.
Teil 2 folgt.