Gemäß des Sprachgebrauchs seiner Zeit verwendete auch
Rudolf Steiner den Rassebegriff, wies jedoch wiederholt darauf hin, dass er streng genommen nur für das
atlantische Zeitalter, in dem der
physische Leib des
Menschen allmählich zu seiner heutigen Form heranreifte, gerechtfertigt sei. Trotz mancher Nachwirkungen bis in spätere Zeiten habe er für die
nachatlantische Zeit, deren Aufgabe die Entwicklung der
Kultur sei, seine Berechtigung verloren. Vor allem müsse man streng unterscheiden zwischen der
seelisch-
geistigen Entwicklung und der auf
Vererbung beruhenden Rassenentwicklung. Im Lauf seiner Entwicklung geht das
Individuum durch
wiederholte Erdenleben hindurch und erwirbt sich dabei sein individuelles
Karma. Er ist dabei in der Regel nicht an eine bestimmte Vererbungsströmung gebunden, sondern sucht sich für seine nächste
Inkarnation eine solche auf, die seinen weiterentwickelten geistigen Eigenschaften am angemessensten ist. In der atlantischen Zeit war das individuelle
Ich des Menschen noch wenig ausgebildet, sondern lebte noch stark in der
Gruppenseele. Entsprechend hatten auch die
Leiber, in denen er sich inkarnierte, einen stark gruppenhaften Charakter, den man zu Steiners Zeit unter dem Begriff „Rasse“ zu fassen suchte. Durch seine geistige Entwicklung beeinflusst der Mensch auch die Entwicklung seine
Leibeshüllen. Im
Leben zwischen Tod und neuer Geburt fließt das, was sich der Mensch geistig erworben hat, auch in die Entwicklung aller irdischen
Lebewesen, ja der ganzen
Natur ein. Dadurch wird die
Entwicklung der
Erde selbst und aller auf ihr lebenden
Mikroorganismen,
Pflanzen,
Tiere und des Menschen, was seine
Leiblichkeit betrifft, entscheidend geprägt.
Evolution ist aus
anthroposophischer Sicht weit mehr als ein durch
zufällige Mutation und
Selektion vorangetriebener Prozess. Vielmehr ist die Gesamtheit der Menschen dabei ein wesentlicher Faktor. Indem sich der Mensch durch seine geistige Entwicklung zunehmend individualisierte, beinflusste er auch die Vererbungsströmungen. Die Leiber, in denen er sich inkarnierte, wurden ebenfalls immer individueller. Die gruppenhaften Vererbungsströmungen der atlantischen Zeit, in denen sich kein individuelles Ich mehr verkörpern konnte oder wollte, verhärteten sich und begannen auszusterben. Spärliche Reste davon finden sich in den
fossilen Funden, die zu den heute ausgestorbenen Frühformen der Gattung
Homo gezählt werden, der aufgrund seiner
genetischen und
anatomischen Verwandtschaft auch der heutige moderne
Mensch zugeordnet wird. In der
urindischen Kultur, der ersten nachatlantischen
Kulturepoche, wirkt noch etwas von der auf der alten Atlantis noch berechtigten Gliederung der
Menschheit in verschiedene „Rassen“ nach. Daraus leitet sich das
Kastensystem der
Inder ab, das auch heute noch nicht ganz überwunden ist. Alls das hat heute seine Berechtigung verloren.
Eine leere Hoffnung bleibt es allerdings vorerst, dass mit der Aufgabe des Rassebegriffs der nur allzu oft verbundene
Rassismus gleichermaßen überwunden ist, denn der gründet sich in der Praxis nicht auf die genetischen, sondern auf die phänomenologisch auf einen Blick konstatierbaren Unterschiede. Ein wirkliche Überwindung des Rassismus kann nicht durch eine naturwissenschaftliche Betrachtung, die nur die
physische Seite des Menschen erfasst, sondern nur durch eine differenzierte
geistige Erkenntnis des Menschenwesens gelingen, die der einzigartigen
Individualität jedes einzelnen Menschen gerecht wird.
Rudolf Steiner hat dazu den Weg bereitet und in seinem umfangreichen Schrift- und Vortragswerk aufgezeigt, wie im Zuge der Menschheitsentwicklung die Gliederung der Menschheit nach Rassen und
Völkern - wie oben beschrieben - immer bedeutungsloser wird und dafür im Gegenzug das
Individuum immer stärker hervortritt. Um diese Entwicklung zu fördern, hat Steiner eine Umstrukturierung des sozialen Lebens im Sinne der
Dreigliederung des sozialen Organismus gefordert, und mit der
Waldorfpädagogik eine Lehr- und Erziehungsmethode ausgebildet, die ganz auf die sich entwickelnde Individualität des heranwachsenden Menschen ausgerichtet ist. Sehr nachdrücklich hat Rudolf Steiner darauf hingewiesen:
"Denn durch nichts wird sich die Menschheit mehr in den Niedergang hineinbringen, als wenn sich die Rassen-, Volks- und Blutsideale fortpflanzen." (
Lit.:
GA 177, S. 205)
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