Einerseits sagt man: "Ich kann sie/ihn gut leiden", um auszudrücken, dass man jemanden mag. Andererseits kann man unter etwas/jemandem leiden, wenn einem eine Situation oder ein menschliches Verhalten ausserst unangenehm ist. Im erten Fall bringt 'leiden können' ja wohl etwas positives zum Ausdruck; im zweiten Fall und in 'Leid' bzw. 'leider' ist es ja wohl negativ besetzt.
Das Wort "leiden" geht auf eine Bedeutung "sich fortbewegen, gehen, vergehen" zurück. Darin steckt auch "dahingehen", "sterben". Die Bedeutungsverschiebung setzt im 13.Jh. an in Richtung "ertragen, erdulden, Schaden nehmen". Damit löst sich auch der oben konstruierte Widerspruch. Denn "jemanden gut leiden können" bringt demnach zum Ausdruck, dass man die Gegenwart eines anderen gut (und gerne) erdulden kann.
Interessant ist nun aber, dass "Leid" etymologisch nichts mit "leiden" zu tun hat. "Leid" geht auf eine Bedeutung "Böses, Schmerz, Sünde" zurück. Und jemanden "beleidigen" bedeutet jemandem "Böses" zufügen. Die Lautähnlichkeit und die Vorstellung von "erleiden, erfahren" kann bei der Annäherung eine Rolle gespielt haben.
Nun gibt es aber auch Hinweise, dass weiter zurückliegende Bedeutungen wie "leiden" = "weggehen" und "Leid" = "Abwendung" doch wieder auf eine gemeinsame Wurzel hindeuten.
Die "Leidenschaft" ist eine Lehnprägung von frz. "passion" = "Leiden" und bezeichnet "etwas, das einen Menschen befallen kann".
Das Wort "leider" geht auf "Leid" zurück.
Die Formel "leider Gottes" ist aus "beim Leiden Gottes" entstanden.
Auch interessant ist die Bedeutungsverschiebung von "leidlich" = "das, was (gerade) noch zu ertragen ist" zu "das, was gerade (noch) ausreichend ist".
Der "Kluge" bietet nicht allzuviel hierzu. Der "Pfeiffer" (dtv) widmet "Leid" und "leiden" zwei Seiten.