Hallo Uschihagen!
Es könnte den Anschein haben, ich würde verurteilen - was ich erzählen kann, ist von meinen eigenen Erfahrungen und denen die ich von anderen erzählt bekam.
Ich habe bisher, von dem Zeitpunkt an, als ich zu leiden begann, immer wieder mein Leiden eingesetzt um bei Frauen Mitleid zu erregen, mit dem Mitleid zusammen suchte ich den Punkt, wo wir dann im Bett landeten. Ich habe das damals nicht in der Art BEWUSST getan, wie ich das heute erzählen kann. Das alles war auf eine bestimmte Art schön, weil ich gut inszenieren konnte, aber es war auch sehr schwierig, weil ich die Gefühle aufgeblasen habe, zu einer Glückseeligkeit, die ich gerne gehabt hätte, die aber für einen Alltag gar keinen Bestand hat.
Das Problem, auch bei Deinem Geliebten, dürfte sein, dass sehr sehr viel noch unbewußt läuft und ihm selbst bewußt nicht klar ist, wie er das macht und was er macht (ein Indiz dafür ist der Selbstmord).
Also: Ist es eine nette Liebelei, oder hat das, was Du da erlebst, für den Alltag Bestand?
Es ist schon schwierig genug, einem Freund (ohne Sex und Zusammenwohnen), der das Leben in dieser Spannbreite, bis hin zum Selbstmord, durchlebt hat, wieder in ein würdevolles Dasein - nur für sich selbst - zu helfen, wenn man das möchte. Es ist wahrscheinlich so, dass dieser Freund eine sehr hohe und schöne Vorstellung hat und dann daran verzweifelt sie nicht umsetzten zu können. Wie gesagt, das ist schon in einer ganz normalen Freundschaft schwierig.
Wenn dann noch stinkende Socken (wer wäscht die Wäsche?), schreiende Kinder und womöglich Beleidigtsein wegen nicht hinuntergetragenem Müll oder Differenzen beim Sex dazukommen: Das sind zu viele Dinge, die nicht zu klären sind, in so kurzen Zeitspannen, dass meist mehr Leid als Freud entsteht, dann ist man obendrein noch entsetzt darüber, wie etwas, was so vielversprechend begann, zu so einem Desaster werden konnte.
Ich würde jeder (nicht nur dieser die Du jetzt hast) Beziehung mindestens einen Coach wünschen, der jede Beziehung permanent begleitet, damit wir mit den Zuständen unseres So-Seins, mit den Ängsten und Nöten die der Alltag uns bietet, besser, leichter umgehen könnten.
Jemand, der es besonders schön und gut macht, hat meist einen Anteil in sich, der es besonders hässlich und fies mag, den versucht man zu unterdrücken, und der platzt dann meist wie eine Eiterbeule auf. Das Problem ist das unterdrücken, aber unsere Gesellschaft unterstützt das Unterdrücken immer noch wesentlich mehr als alles andere. Hier ist das Problem von (Selbst-)Mördern und Gewalttätern angesiedelt, die keine schlechten Menschen sind, sondern nur nicht wissen, wie man mit Aggression, Autoaggression, Gewalt, Kraft, Stärke und der Erfüllung von eigenen Bedürfnissen umgeht.
Schon meine hartnäckige Fragerei müsste mich eigentlich stutzig machen - ich mag eigentlich Verliebtsein, Liebe, schweben auf Wolke 7 etc. - ich wünsche Dir natürlich ein gelungenes Leben, aber in Veronika beschließt zu sterben von Coelho ist auch nur der Prozeß beschrieben, wie ein mutiger Arzt jemandem wieder ins Leben hilft, wie dann dieses Leben weitergeht ....... ist eine weitere sehr sehr mutige Reise (im ganz normalen Leben).
Aber und damit schließe ich, ich wünsche Dir, dass es bei Dir anders ist und eigentlich ist das zu weit aus dem Fenster gelehnt, denn ich kenne Dich und ihn nicht, es steht mir nicht zu, dies als "Es ist so" hinzustellen.