Liebe Jahismine
Hallo Maria,
Hast du denn tiefer erkannt, was der Baum der Erkenntnis ist?
darf ich einfach zitieren aus einem Buch von mir?
ER-zählst du nun weiter für den Adam? Die süße Stimme von Menno drang in sie. Sie sah sich um, aber sah ihn nicht. Nicht direkt jedenfalls.
Erzählst du nun weiter, bitte!!! klang es immer noch süß und ein bißchen intensiver. Meine Güte, wunderte sie sich erneut, wie kann das nur sein, daß eine Stimme so süß klingt? Süß ist doch eigentlich ein Geschmack. Und der Ton einer Stimme klingt süß? Aber sie hörte die Worte, und es war eine große Süßigkeit in der Stimme und in den Worten.
Und sie wollte ihm wieder sagen, daß sie doch gar nichts erzählen konnte, daß sie selber gar nichts zu erzählen hatte. Er-zählte nur. Er zählte nur für sie. Und sie konnte auf ihn zählen, daß wenn sie nicht zählen konnte, er für sie ER-zählte.
Eigenartig, immer wieder dieser Impuls, ganz von vorn anzufangen. Dieses so leer sein. ich kann doch nichts tun. ohne mich könnt ihr nichts tun, sagte ER einmal. Sich vergewissern, wo man steht. Klein, nicht-wissend. Sie schaute an sich herunter und auf den Boden. Heute war sie aber auch wieder besonders klein. Heute vormittag schon diese Geschichte mit dem Vogel Strauß. Und nun hier weiter. Das war ein anderer Raum, ein neuer, den sie noch nicht kannte.
Irgendwie kleiner und doch größer. So wie sie selbst. Kleiner und doch größer. Sowieso erstaunlich, daß man in dieser Bibliothek seine Größe und Kleine ändern kann. Ein Gedanke reicht. Sie sah einen Teppich auf dem Boden. Quadratisch. Sie stand nun auf dem Teppich. Ohne wirklich bewußt zu wissen wie sie da hingekommen war. Ach, das ist doch so eine Frage gewesen:
Wie aber bist du da hingekommen?
und sie erinnerte sich. ER-innerte sich sehr. Damals war die Frage ein bißchen anders: Wo bist du? fragte ER den Adam. Und weil es ja in der Bibliothek des Lebens keine Zeit gibt, ist die Frage damals wie heute, immer gleich: Wo bist du?
Aber wenn so ein Adam fragt, wie man da hingekommen ist, möchte er ja sicher nicht wissen, wie ich, wie sie selbst persönlich dort hingekommen ist. Jeder Weg ist doch einzig-artig. Sicher möchte er nicht einfach neugierig sein, sondern für sich selbst wissen, wie man da hingekommen sei und auch diesen Weg gehen.
Sie hatte gelernt von der Haushälterin, daß es nicht artig ist, daß es regelrecht unhöflich ist, wenn man eine Frage mit einer Gegenfrage beantwortet. Und sie hatte gesagt: Ach so! Also immer erst antworten? Und die Haushälterin sagte: Auch das Ant-Worten ist unhöflich. Ja, wie denn dann? Muß man schweigen, wenn man gefragt wird?
Die Haushälterin erzählte: Stelle dir ein ganz kleines Mädchen vor. Sie hat ein Spielzeug in der Hand, so sieht es aus. Es ist aber ein Messer! Und wenn man möchte, daß es das weglegt, was muß man tun? Schreit man es erschrocken an, daß es das Messer weglegen soll, erschrickt es selbst und umkrampft vielleicht mit der kleinen Hand die Klinge, und verletzt sich so. Sagt man: Behalte ruhig das Messer, dann könnte das Mädchen denken, es ist wirklich ungefährlich und sich auch verletzen. Eine kluge Haushälterin geht anders vor. Sie setzt sich gegenüber dem Mädchen hin und hat auch ein Messer in der Hand und spielt auch damit. So spielen beide vergnügt. Oh, sagt die Haushälterin plötzlich, was habe ich für einen Hunger. Wie gut, daß ich einen Apfel mitgenommen habe. und sie ißt den Apfel und läßt es richtig krachen, wenn sie abbeißt. Und das kleine Mädchen legt das Messer weg und streckt seine Hände nach dem Apfel aus und sagt: Ooh, ich will auch!.
Mit so einem Gleichnis könne man schweigen und doch reden. Und jeder Würdige, jeder, der sich selbst würdige, nehme sich die Worte heraus, die in ihm Anklang fänden. Das seien dann seine eigenen Worte.
Darüberhinaus, so erzählte die Haushälterin weiter, ist es so mit dem Ant-worten, daß man dem anderen seine Würde raubt. Man traut ihm nicht zu, selbst Ant-Wort zu sein, in sich selbst das Wort und das Ant-Wort zu finden. Draußen, in der Welt, da sei es völlig normal, daß man auf Fragen Antworten haben wolle, und zwar zackzack. Wer nicht antworten könne, der werde auch als dumm angesehen.
Auch seien die Antworten auf die Fragen eigentlich dort schon streng vorgegeben. Wenn man besonders entwürdigt wird, dann bekommt man solche Multiple - Choice - Fragen, wo man nur noch eine Antwort auswählen kann. Wie als wenn über so einem Fragebogen ein Schild hängt: Denken strengstens verboten!!!
Und erst das Fühlen! Das Fühlen ist sogar allerstrengstens verboten. Es wird auch sofort ent-wertet. nur so ein Gefühl. nur so eine Ahnung. Natürlich keine Gewißheit. Die Welt verlangt Gewißheit. Für die Welt und deren Lauf ist es ja auch gut, wenn sie so etwas verlangt. Man kann solche Spiele spielen. Aber wenn es um Fragen geht, die das Ganze berühren, Fragen, wo man sich dem nähert, was als Studienfach Leben benannt werden kann, da sind vorgefertigte Antworten und das Ausblenden von eigenem Denken und eigenem Gefühl geradezu tödlich. Dann landet man schnell in den weit ausgebreiteten Armen derjenigen, die auch gerne so tun, als hätten sie die Ant-worten. Und die verkaufen sie einem dann auch noch scheinbar besonders günstig. Oder für teures Geld, daß man denkt, daß man wer weiß was erworben hätte.
Dabei gäbe es ein ewiges Prinzip, das für das Studienfach Leben gilt:
Umsonst habe ich es empfangen, umsonst gebe ich es weiter.
Und überhaupt, Fragen nach dem Ewigen, nach dem Ewigen Leben, können doch keine Antworten haben. Jede Ant-Wort wäre eine Pseudo-Antwort. Pseudos, erklärte sie, bedeute Lüge. Denn jede Ant-Wort, die von außen kommt, kann nur Ersatz sein, nur anstelle der eigen-en, eigent-lichen Antwort von innen treten. So wie der Anti-Christ sich so gerne an die Stelle des Christ setzt, so ist eigentlich eine Ant-Wort auch nur ein Wort, das anstelle des Wortes tritt, eine Ersatz, ein Surrogat. So wie der Christus das Wort Gottes ist, so ist der Anti-Christus das Surrogat, der äußerliche Ersatz , eine Ant-Wort Gottes, eine Parodie des Wortes Gottes. Völlig widersinnig also. Man könne doch nur selbst Wort sein. Und selbst das Selbst-Wort-Sein ist verführerisch. Eigentlich ist da eine Leere, wie ein Kelch, ein heiliges Gefäß, indem sich das Wort, das Wasser des Ewigen Lebens, von ALL-EINE sammelt.
Jede Frage nach dem Leben könne man also eigentlich (wenn das nicht so fürchterlich unhöflich wäre) kurz und bündig beantworten mit: Lebe! Lebe das, und du bist Wort, bist Leben, erzählst selbst was Leben ist. Lebe es völlig, als wenn es alles ist was du hast, denn so ist es. Gib alles hin, und behalte nichts zurück. Und im Zurückbehalten des NICHTS kommt ALLES in dich.
Über dem ganzen Erzählen der Haushälterin war die kleine eva ganz müde geworden. So viele Worte für eine so einfache Sache. Und sie schlief in der Mitte des Teppichs ein.
Und sie träumte von diesem Teppich und seinem Muster. Der Teppich hatte einen großen Wunderblühtenbaum, umgeben von köstlichen Gewächsen und lauter herrlichen Tieren, wie ein Garten Gottes. Und sie sah sich, wie sie groß war, erwachsen. Und träumte diese Stimme:
Wie aber bist du da hingekommen?
Und sie wußte es nicht. Sie wußte es wirklich nicht. Und überlegte, wen sie wohl fragen könne, der ihr sagen kann, wie sie da hingekommen ist. Und sie schaute sich um, und sah den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse, und lächelte. Ja, der wunderschöne Baum. Und die Schlange darinnen. Sie ging zu dem Baum, es waren nur wenige, aber bedeutungsvolle Schritte, vier, um genau zu sein, und stand wieder vor diesem Baum. Und die Schlange räkelte sich auf einem Ast dieses Baumes wie eh und je. Räkelte sich so sehr, so lebendig und wellenartig bewegt waren die Bewegungen der Schlange daß es fast so aussah, als wenn der ganze Baum voll Schlangen wäre, ja, als sei der Baum selbst nur aus Schlangen zusammengesetzt.
Und sie erinnerte sich an ihre schlimmsten Alpträume. Wie sie draußen in der Welt davon geträumt hatte, immer und immer wieder, wie böse die Schlange ist, und wie sehr sie sich vor ihr gefürchtet hatte. Und wie sie von Adam geträumt hatte. Hatte der Kerl ihr nicht verraten können, daß sie von dem Baum der Erkenntnis von Gut und Böse nicht essen sollte?
Und sie schaute an sich herunter. Sie erbebte. Sie sah, daß sie ein Kleid anhatte, das mit Milliarden von Sternen besetzt war, Milliarden von Milliarden lebendiger Sterne. Und jeder schien ihr zuzuwinken und zuzuzwinken. Und die Bewegungen des Kleides waren wie die einer Schlange. Irisierend, in Wellen und langsamen und schnellen Zuckungen, hypnotisch fast. Und sie konnte durch das Kleid hindurchsehen auf ihren Leib, und durch den Leib hindurch das Nichts sehen. Und der Leib trug die Form einer Wunde, wund und geheilt, und doch nicht wund, sondern ganz. Und sie schaute wieder die Schlange im Baum an, und den Baum in der Schlange.
Und die Schlange sah nicht mehr so aus, wie sie sie in ihren Alpträumen gesehen hatte. Sie durch-schaute auch die Schlange. Und irgendwie schien es ihr, als wenn sie selbst die Schlange sei und die Schlange sie sei. Aber das konnte natürlich auch eine Täuschung sein, bei diesen Schlangen weiß man ja nicht. Oder weiß man doch? kam eine Stimme in ihrem Herzen. Und sie sah die Schlange klar und ihre Zahl, und ihre Zahl war 358.
Und sie erinnerte sich an ein Gedicht, das sie geschrieben hatte, ob in der Bibliothek oder außerhalb der Bibliothek (spielt das eigentlich eine Rolle?), sie wußte es nicht, aber das Gedicht schien so sehr auf diesen Moment geschrieben zu sein:
ich schmelze - ein Ring auf der Spitze des Nichts
ich vergehe - ein Ring ohne Grenze
ich sterbe - ein Ring aus unendlichem Licht
Die Schöpfung ist mein Kleid,
Leben sind meine Schritte,
Liebe ist mein Wesen,
Ich bin die Urmutter,
doch du, du bist mein Sohn.
Und nun sah sie klar. Eva, die Mutter aller Lebendigen, so wurde sie genannt. Nicht sie selbst hatte sich diesen Namen gegeben. Eva wurde die genannt, die ische gewesen ist. Und sie sah die Zahl des Namens ische und diese Zahl war 306. Und die Zahl des Sohnes, sie war 52. Und die Zahl des Sohnes Gottes, des Christus, des Gesalbten, des Maschiach, die 358. Und wie 306+52=358 ergaben.
Und die Schlange sagte lächelnd und diesmal ohne Lispeln: Na, wie isses? Habe ich dir zuviel versprochen? Bist du nicht wie Gott geworden? Und welchen wahren Wunderblühtenbaumleib du dir erworben hast. Da könnte man ja glatt neidisch werden. Na, dann werde ich mich auch mal auf den Weg in die Materie machen. Scheint sich ja doch zu lohnen. Ich wollte nur sicher sein, daß es kein Trick ist. Kennst ja mein mangelndes Vertrauen. Deshalb mußte ich dich überlisten.