Hallo
So langsam wollte ich mich wieder der Gita zuwenden. Wenn wir in letzter Zeit etwas vom Thema abgewichen sind, so finde ich das gar nicht so schlimm. Vielleicht braucht man die Zeit, um einige Grundsatzfragen zu klären und sich ein wenig kennen zu lernen.
Wenn wir weiter über die Gita diskutieren, so sollte also mittlerweile klargeworden sein, dass wir sie aus sehr unterschiedlichen Sichtweisen betrachten. Da gibt es einerseits sehr religiös geprägte Einstellungen, andererseits atheistische oder agnostische. Warum sollte uns das daran hindern, über die Gita zu diskutieren? Vielleicht nähern sich unsere Standpunkte im Laufe der Diskussion ja immer mehr an, vielleicht verändert der eine oder andere auch seine Sichtweise.
Für mich selber ergibt sich aus der vorherigen Diskussion eine grundsätzliche Überlegung. Da mir die Begriffe "Gott" und "Reinkarnation" immer weniger zusagen, suchte ich nach Werten, die ich als gleichwertig für diese beiden Begriffe ansetzen kann. Statt des Begriffes "Gott" würde ich in Zukunft lieber die Begriffe Gewissen oder Bewusstsein setzen.
Da ich die Reinkarnation ebenfalls nicht so vorbehaltlos akzeptiere, ergibt sich daraus natürlich die eine oder andere Konsequenz. Wenn die Gita z.B. sagt, der Körper wird geboren und hat das Schicksal, heute oder morgen zu vergehen, deshalb ist der Körper nicht so wichtig wie die Seele, dann kann ich das natürlich so nicht akzeptieren. Die Seele deutet auf eine Gottesvorstellung und auf eine Wiedergeburt hin. Wenn ich die Seele aber ebenfalls als Gewissen oder Bewusstsein interpretiere, dann nähern sich unsere Standpunkte schon etwas mehr an. Das Bewusstsein würde ich dann allerdings nicht unbedingt religiös interpretieren, sondern als eine intellektuell-emotionale Auseinandersetzung, um ethische und moralische Werte zu schaffen, die mir die Vorstellung der Religion ersetzen.
@fckw
Du hast es klasse formuliert. In einem meiner Beiträge bin ich schon einmal auf die gleiche Thematik eingegangen. Sonntag Abend sah ich das Philosophische Quartett (ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Sendung wirklich so hiess) dort zitierte einer der Teilnehmer jemanden, der die gleiche Behauptung aufstellte wie Du, nämlich, dass derjenige gesagt hätte, dass er verrückt werden würde, wenn er die Vorstellung einer höheren Intelligenz nicht hätte. Ich selber empfinde es nicht so. Aber ich selber bin auch sehr zwiegespalten in meinem Verhalten. Auf der intellektuellen Ebene sage ich mir, ich weiss nicht ob es eine höhere Intelligenz gibt. Andererseits stelle ich mir manchmal in der Meditation vor, wie ich mich mit Gott vereine. Ich bin wohl doch so etwas, wie ein spiritueller Atheist.
Die Schwierigkeiten, die ich habe, kommen wohl daher, dass ich mich weder als religiös noch als atheistisch betrachten möchten, sondern dass ich die Frage nach Gott offenlasse, mir aber sage, es könnte ja doch so etwas wie eine höhere Intelligenz existieren, auch wenn ich sie nicht verstehen kann. Damit hänge ich natürlich zwischen allen Seilen. Ausserdem glaube ich, dass es in Wirklichkeit vielleicht gar keine vollkommen unreligiösen Menschen gibt, jedenfalls nicht unter denen, die sich über solche Fragen Gedanken machen.
Ein weiterer Aspekt, der für mich auch sehr wichtig ist, ist meine Ansicht, dass die Frage nach Gott vielleicht gar nicht so wichtig ist, jedenfalls nicht für mich. Für mich ist das Ziel wichtig. Und mein Ziel heisst Heilung.
Andererseits wiederum glaube ich, dass man der Religiösität gar nicht entgehen kann, denn ich bin davon überzeugt, dass man um so religiöser wird, um so näher man dieser Heilung kommt. Hat man das Ziel Heilung erreicht, dann empfindet man einfach so viel innere Freude und Zufriedenheit, dass man irgendjemandem seinen Dank dafür aussprechen möchte. Und was tut man dann? Man betet, man bedankt sich bei Gott, auch wenn man Atheist ist und man fühlt sich mit Gott vereint, obwohl mir diese religiöse Einstellung im Moment schon wieder etwas wiederstrebt. Aber ich glaube, genau so ist es.
Alles Liebe. Gerrit