Hallo
Vers 15 (Zusammenfassung): Wer sich durch Glück und Leid nicht stören lässt, sondern in beiden geduldig ist, eignet sich gewiss dazu, Befreiung zu erlangen.
Erläuterung Swami Prabhupadas: Jeder, der mit fester Entschlossenheit nach der fortgeschrittenen Stufe spiritueller Erkenntnis strebt und mit Gleichmut die Angriffe von Leid und Glück duldet, ist gewiss geeignet, befreit zu werden. Die vierte Phase des Lebens, nämlich der Lebensstand der Entsagung, stellt eine mühevolle Prüfung dar. (Im Hinduismus unterscheidet man vier unterschiedliche Lebensphasen - siehe unten) Doch wem es ernst ist sein Leben zu vervollkommnen, der tritt mit Sicherheit trotz aller Schwierigkeiten in den Stand der Entsagung ein.
Die Schwierigkeiten entstehen im allgemeinen daraus, dass man die Beziehung zu seiner Familie abbrechen, dass heisst die Beziehung zu Frau und Kindern, aufgeben muss. Aber wenn jemand fähig ist, solche Schwierigkeiten auf sich zu nehmen, ist sein Weg zu spiritueller Erkenntnis gewiss vollkommen.
Meine Meinung: Ich bin schon etwas verwundert, warum Swami Prabhupada Gelassenheit gegenüber Glück und Leid fordert. Es wird zwar immer wieder gesagt, dass man sich am Ende von jeder Verhaftung, also auch von der Verhaftung an das Glück lösen soll. Aber bis heute bin ich nicht davon überzeugt, dass Erleuchtung wirklich jenseits von Glück und Leid sind. Spricht nicht auch Patanjali davon, dass die Selbstverwirklichung durchaus von Wonne begleitet sein kann? (siehe:
Asamprajnata Samadhi) Ist es nicht ausserdem das Leid, welches unser Leben so unglücklich sein lässt?
Ich stimme aber vollkommen darin überein, dass Selbstverwirklichung nur erlangt werden kann, wenn man enthaltsam lebt, also auf jede Form von Sexualität verzichtet. Dieses zu verstehen, dürfte für den Laien etwas schwer sein. Es würde auch zu lange dauern, wenn ich an dieser Stelle darauf eingehen würde. Darum verweise ich an dieser Stelle auf den Text
Sexualität und Spiritualität und auf das Onlinebuch
Sexuelle Kraft und Yoga.
Man sollte aber dazu sagen, dass der Hinduismus nicht von jedem Enthaltsamkeit verlangt. Im Hinduismus unterscheidet man folgende vier Lebensphasen:
1. Phase: Schüler; vom jungen Menschen wird Enthaltsamkeit erwartet
2. Phase: verheiratet; Sexualität und Treue empfohlen, keine ungezügelte Sexualität
3. Phase: Die Kinder sind erwachsen; nun wird wieder Enthaltsamkeit empfohlen
4. Phase: Das Leben wird vollkommen Gott geweiht; Mönch und Enthaltsamkeit.
Während der Zeit der Ehe wird allerdings Treue und Mässigung im erotischen Miteinander empfohlen. In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, dass Mahatma Gandhi sich nach der Geburt seines vierten Kindes zusammen mit seiner Frau zur Enthaltsamkeit entschloss. Die Eltern Yoganandas waren auch nur einmal im Jahr miteinander intim und zwar nur aus dem Grund um Kinder zu zeugen. In der übrigen Zeit lebten sie enthaltsam.
In einem Punkt möchte ich Swami Prabhupada allerdings wiedersprechen. Ich meine nicht, dass man unbedingt Frau und Kinder verlassen muss, um den Weg zur Selbsterkenntnis zu beschreiten. Heute neigt der Yoga eher dazu den Yogis zu raten, den spirituellen Weg in den normalen Alltag zu integrieren, also auch weiterhin seinen familiären und beruflichen Pflichten nachzukommen.
Es wird immer wieder behauptet, dass es sehr schwer ist, enthaltsam zu leben. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass es in den ersten Monaten wirklich sehr schwer ist, sich der permanenten Bedrängnis zu erwehren. Aber irgendwann kommt der Punkt, da fällt die Sexualität wie eine reife Frucht von einem ab. Von dem Moment an besteht kein erotisches Begehren mehr. Das empfindet man als sehr angenehm. Auf der nächsten Stufe des spirituellen Fortschritts fallen ebenso alle Ängste von einem ab. So etwas zu erleben ist phantastisch.
Alles Liebe. Gerrit