Nein. Ich habe es nicht verwechselt.
Ich verwahre mich dagegen, größere und kleinere Misshandlungen von Kindern (und Lebewesen überhaupt) zu IRGENDEINEM Zeitpunkt als das "einzig richtige" zu bezeichnen.
Da wird etwas Fundamentales verwechselt : Seine Geschichte und seine Eltern zu sehen und anzunehmen, wie sie sind. Das ja ! Und zum Annehmen der Vergangenheit gehört NATÜRLICH auch das Annehmen der eigenen Wut, von Trauer und Schmerz über zugefügtes Leid - endlich erleben zu dürfen : meine Gefühle waren und sind nicht schlecht - sondern natürliche und gesunde Reaktionen.
Erlittenes Leid über die grundsätzliche Annahme ("So war es") hinaus noch als "das Einzig-Richtige" sehen zu sollen - das ist verrückt und macht verrückt.
Eva - wann würdest Du denn den Zeitpunkt ansetzen, wo erlittene Misshandlungen plötzlich nicht mehr als etwas Verhindernswertes gesehen werden - sondern zum "Einzig-Richtigen" mutieren ???
Wenn zB. Misshandlungen rückblickend als das "Einzig-Richtige" gesehen werden, dann dürfte man sie auch im Kindesalter nicht verhindern - man würde ja dem Kind die "einzig richtigen" Erfahrungen vorenthalten.
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ZB. gerade bei Missbrauch ist es oft von entscheidender Bedeutung, dass die betroffenen Kinder - sobald es ihnen möglich ist (oft erst im Erwachsenenalter) - aufstehen und sagen : "Das war NICHT richtig !". Unter anderem deswegen, damit zB. der Vater, der seine Töchter missbraucht hat, sich nicht auch noch an den Enkelkindern vergreift !
Gawyrd
Ja, Gawyrd,
als Kind, das im Alter von wenigen Wochen ins Säuglingsheim gegeben wurde und dort auch misshandelt, als Kind, das noch vor dem Kindergartenalter lebensbedrohlicher Gewalt ausgesetzt war und auch noch nicht im Kindergarten war, als der Großvater es für seine Bedürfnisse sexuell auszubeuten begann, das mit als Ersatzmama für den nur ein Jahr jüngeren Bruder fungierte und der religiös-sadistischen, wahnsinnigen Mutter irgendwie die früh verlorene Mutter zu ersetzen hatte, während es als Projektionsfläche für so ziemlich alles Böse diente, als Kind, das sich in gleich mehrere Herkunfts- systemische Traumen verstrickt hat - Ja.
Meine Eltern sind die einzig richtigen für mich. Weil mein Leben so und nur so zu bekommen war.
Alles, was ich je an Hass, Widerwillen, Verzweiflung und Aufbegeheren empfunden habe, war ebenso richtig. Auch dass ich noch lange gerichtet habe und das Unrecht zu meiner Angelegenheit gemacht. Alles richtig.
Ich heiße nichts von dem gut und bin so froh, dass mich das im Grunde nichts angeht. Ich habs gelassen, und nur so kann es vielleicht noch da gespürt werden, wo es hin gehört.
Mir auch sowas von wurscht, ob sie was dafür konnten, denn ob ein Schlag aus Verzweiflung kommt, oder ob der Schläger eine Wahl hätte, macht für den, der ihn abkriegt überhaupt keinen Unterschied.
Ich habe nichts zu verzeihen, denn verzeihen kann nicht mal Gott. Eine Tat ist eine Tat und die kann nicht getilgt werden.
Mit meinem Schicksal aussöhnen, das ist was anderes. Mit meinen Eltern auch die Ebene haben, dass ich sie liebe und ihre Liebe erkennen kann, der Verdienst meines therapeutischen Weges. An dem, nebenbei bemerkt auch Retraumatisierungen durch Aufstellungen liegen. Ich habe aber entschieden, es immer wieder zu versuchen. Das hätte ich nicht geschafft, wäre ich noch länger damit beschäftigt gewesen, anderen ihre Erbsen vorzuzählen. Dass die Nachbarn mich durch die Wände schreien hörten und nicht eingriffen - deren Schuld, damit müssen die leben.
Die schlimmste Glücksbremse für mich war, dass ich damit gehadert habe, dass mein Leben nicht anders war und mich damit verglichen, dass es anders einfacher gewesen wäre. Ich glaubte, wäre meine Kindheit anders gewesen, hätte ich all die fiesen Gefühle nicht haben müssen. Damit habe ich meine schlimme Kindheit aber halt recht lange in die Gegenwart geholt, statt mich auf den Frieden einzulassen.
Für mich zählt, DASS ich es nicht nur überlebt habe, sondern auch, woher auch immer, aber dabei kann ich mein System nicht ausklammern, so viel Liebe und Lebensmut bekommen habe, dass ich heute aus ganzem Herzen lieben kann und dem Leben und der Welt (relativ) trauen.
Wo ich Zeuge von Misshandlungen und Machtmissbrauch bin, betrifft es mich, da kann ich kraftvoll Partei für Schwache ergreifen. Ich brauche aber keine irgendwo aufgetretenen Unrechtsfälle um mich zu empören und, moralisch legitimiert, Anklagen und Kampflust auszuleben.
Ich kann aufstellen, weil ich überlebt habe. Das nenne ich Siegen.
Mein ganzes Mitgefühl für diesen Säugling ( und viele andere).
Nur was hat das jetzt mit der Aufgabe zu tun, die Überlebende von Gewalt und Schrecken, völlig unabhängig von den Angelegenheiten der Täter zu leisten haben, und zwar im ureigenen Interesse?
Es kann ganz schön furchtbar sein für Täter, wenn Opfer sie als Menschen ansehen, sie als Menschen achten und ihnen zumuten, sich um ihre Taten fürderhin selbst zu kümmern.
Wenn sie das scheinbar nicht tun, dann wenden sie dafür eine riesige Menge Kraft auf.
Spaltung, Kompensation, Verdrängung und Verleugnung sind keine Nicht-Handlungen sondern Kraftakte in Bezug auf Ausweichhandlungen und Haltungen.
Wie schön man sich da ablenken kann, solgange das Opfer fightet. Das unterstützt die Spaltung nämmlich ganz hervorragend. Das Opfer bekommt den Part des eigenen Gewissens und ein Täter geht ganz in die Gegenposition. Das gilt vor allem, wenn gar kein Kontakt da ist und die Auseinandersetzung innerlich erfolgt.
Meine einzig richtigen Eltern müssen in keiner Weise in Ordnung sein und dürfen sich benehmen wie sie wollen. Es ist traurig, und ich wünschte, es wäre anders, wünschte, wir könnten liebevoll miteinander umgehen. Aber wenn nicht, muss keiner schuld sein, dann kann ich anerkennen, was ist.
Ich hätte mich glaub ich bedankt, wenn jemand mein Schicksal zwar in keiner Weise beeinflussen kann, aber glaubt, es für irgendeine These heran ziehen zu müssen.
Sollte dir die Bedeutung der einzig richtigen Eltern tatsächlich nicht einleuchten?
Hatte das jemals etwas mit "gut heissen, was sie getan haben" zu tun?
Entbindet die Grundannahme, dass jedes Leben, das es gibt, nur auf die Weise entstehen konnte, auf die es entstanden ist, irgendjemanden davon, Säuglinge und Kinder vor ihren Eltern zu schützen wenn nötig?
Ich kann deine Argumentation wirklich nicht nachvollziehen.
Beste Grüße,
Eva