Woran erkennt man Vorurteile?

Wenn ich jemandem der offensichtlich ein Vorurteil hegt, frage ob er sich das selbst überlegt hat, wird er sicher sagen ja. "überlegt" oder "nicht überlegt" ist nicht nur eine 1-bit-Entscheidung, 0 oder 100%. Wie viel überlegt ist genug überlegt?
Ich glaube: Sich klar zu machen, dass man nicht und nie alles weiß. Objektiv kann man nie zu einem gerechten Urteil kommen, gleichzeitig kann man durchaus zu den persönlichen Urteilen stehen. Damit meine ich: Ich kann eine Person verurteilen, in Gedanken oder auch verbal, für was auch immer... Gleichzeitig weiß ich (oder zumindest kann ich es mir klar machen) dass aus der Perspektive dieser Person all ihre Handlungen folgerichtig sind. Sie mögen aus meiner Perspektive heraus falsch sein und möglicherweise bringen sie sogar dieser Person selbst Leid... aber wenn diese Person nicht meine Meinung übernimmt (was ich dann verurteile), heißt das ja nichts anderes als: Sie sieht es anders (was Gründe hat), oder kann sich nicht verändern (was ebenfalls Gründe hat). Beides kann ich niemandem wirklich vorwerfen. Oder anders: Beides kann ich natürlich jedem vorwerfen, aber immer nur aus meiner persönlichen Perspektive. Daher ist es so, dass je mehr man versteht wie man selbst tickt, desto mehr Verständnis hat man für andere, desto weniger verurteilt man... bzw. desto klarer bleibt einem, wenn man es doch tut, dass es aus der eigenen Perspektive geschieht.

Umgekehrt wäre: Ich WEIß (bin mir absolut sicher, ohne zu wissen das ich nur sehr überzeugt bin - unbewusst) dass da jemand etwas falsch macht und verurteile. Dann glaube ich, nicht bloß aus meiner persönlich-subjektiven Perspektive zu urteilen, sondern aufgrund von WAHRHEIT. Wer an Wahrheit glaubt ist gefährlich. :D ;)

Es ist daher keine Frage von Fakten, da man nie genug hat und es im Übrigen keine Fakten mehr gibt, wenn man konsequent hinterfragt. Es ist eher eine Einstellung, eine Art wohlwollende Distanz (auch zu den eigenen Gedanken, die oft Vorurteile sind).


Wie unterscheide ich zwischen Wissen und "dem was ich Wissen nenne"?
Es geht m.A.n. nur durch bewusst-machen... Hinterfragen was man zu wissen glaubt. Woher weiß ich denn, was ich zu wissen glaube? Woher weiß ich denn, dass es nicht auch umgekehrt sein könnte? Wenn man sich mal fragt, woher das vermeintliche Wissen kommt, wie wir gelernt haben, dann stellt sich wieder heraus: Überzeugungen treffen auf "Empfänglichkeit". Es ist schon etwas da das Dich empfänglich für neue Überzeugungen macht. Und das ist immer emotional, immer mit persönlichem Bezug. Und dieser persönliche Bezug ist in der Basis ebenfalls von Überzeugungen zusammengesetzt, die eine simple Unterscheidung (Urteile) bilden: Ist "das" gut oder ist "das" schlecht für mich? Wir klopfen alles in unglaublicher Geschwindigkeit darauf ab, ob es Leid erzeugt oder auflösen wird.

Daher urteilen wir schon in der Basis. Du wirst diesen Text hier z.B. nur wirklich durchlesen, wenn Du der Ansicht bist dass es Dir irgendetwas "bringt". Das wäre ein Urteil. Und zwar deshalb, weil es dann etwas gibt, dass Du lösen willst... irgendeine Form von Mangel. Dabei muss es nicht zwingend ums Thema gehen. Es könnte auch darum gehen, dass Du gerne diskutierst und mir widersprechen willst. Wenn Du Dir die Beiträge im Forum genau anschaust, wird Dir vielleicht klar, dass das ein Hauptmotiv ist... Diese Aussage ist übrigens kein Urteil, weil ich damit kein Problem habe. :D ;)

Aber auf jeden Fall wird niemand das hier lesen, der nicht in irgendeiner Weise dafür "emfpänglich" ist... Eine Schlüsselfrage ist: Was macht mich empfänglich, was ist schon da, oder auch: Was fehlt? Was will ich durch ....... erreichen/verhindern/erzeugen/abschaffen? Und all die Antworten, und vor allem deren Begründungen, die dann wie aus dem Nichts erscheinen nennen wir Wissen. Und wir sind uns dessen so sicher, dass wir danach handeln ohne sie zu kennen.

Übrigens: Viele vertreten gewisse Theorien verbal sehr überzeugend, sind möglicherweise sogar extrem überzeugt solange sie sie vertreten. Nur: Sie handeln nicht dementsprechend. Sie fragen sich möglicherweise sehr oft warum sie z.B. nicht das tun was sie eigentlich für richtig halten.... Das liegt an tiefsitzenden Überzeugungen, die so stark sind, dass sie zum Handeln animieren (oder meistens eher das Handeln zu unterlassen), aber sozusagen unsichtbar sind. "Ich kann das nicht" ist vielleicht die Stärkste. Hoffnungslosigkeit.... Und die ist immer genau da, wo persönliche Probleme sind.

VG,
C.
 
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Vorurteile fällen nur Menschen, die das Andere nicht kennen. Das muss man ihnen einfach lassen. Wenn sie nach Kenntnisnahme immernoch Vor-Urteile haben, dann ist ihnen auch nicht mehr zu helfen :) Dann werden aus Vorurteilen Urteile.
 
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Vorurteile fällen nur Menschen, die das Andere nicht kennen. Das muss man ihnen einfach lassen. Wenn sie nach Kenntnisnahme immernoch Vor-Urteile haben,

Vorurteile findet man nur allzu leicht bestätigt. "Ich hab's ja gleich gewusst". "Na typisch, der schon wieder!"
Ist Kenntnisnahme nach Vor-Urteil überhaupt noch möglich?

dann ist ihnen auch nicht mehr zu helfen :)

Denen ist nicht zu helfen, aber dir ist vielleicht zu schaden. :-(
Wenn das Vorurteil z.B. heißt "Menschen über 50 können nichts mehr leisten" und du bist über 50 (irgendwann wirst du es einmal sein) und bewirbst dich (in ferner Zukunft) für den Job.

Dann werden aus Vorurteilen Urteile.

Das ist das Gefährliche, denn sonst könnten wir Vorurteile ja mit einem Achselzucken abtun.
 
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